Interview

Broilers-Sänger Sammy Amara: Jeder ist willkommen

Die Düsseldorfer Broilers feiern mit ihrer aktuellen Tour das 20-jährige Bestehen der Band. Vor dem Auftritt in Freiburg hat Peter Disch mit Sänger Sammy Amara gesprochen.

Ticket: Sie haben mit Punk angefangen. Was bedeutet Punkrock heute für Sie?
Ticket: Die Broilers gibt es jetzt seit 20 Jahren Gibt es Erwartungen und Hoffnungen, die man als junger Musiker hat und die sich aus heutiger Sicht als Illusion erwiesen haben?
Amara: Wir waren immer tiefenentspannt, was das angeht. Denn für uns war der Weg das Ziel. Wir haben es genossen, uns im Proberaum zu treffen, ein paar Bierchen zu trinken, kleine Konzerte zu spielen, auf der Fahrt zurück den schlimmsten Kater der Welt zu haben ... wenn man als Musiker genau so an die Sache rangeht und einfach Spaß an dem hat, was man tut, dann wird man auch wenig enttäuscht. Wer eine Band gründet, um erfolgreich zu sein oder um Geld zu verdienen, der hat es auch nicht anders verdient, als enttäuscht zu werden. Deswegen macht man keine Musik.
Amara: Für mich ist Punkrock schon eine Lebenseinstellung. Das beinhaltet für mich, dass jeder willkommen ist, jeder mitmachen darf und Du alle Freiheiten der Welt hast. Für mich bedeutet Punkrock Kreativität. Dieses Do-it-Yourself ist immer noch einer der wichtigsten Aspekte für mich.
Ticket: Sie haben auf der deutschen Version des Band-Aid-Songs "Do They Know It’s Christmas mitgesungen, mit dem Geld für den Kampf gegen Ebola gesammelt wird. Wie war das für Sie?
Amara: Ich rege mich viel über polemische und unreflektierte Kommentare darüber auf. Es ist so einfach, dieses Lied runterzumachen. Ja, der Song ist alles, nur nicht cool. Aber ich bereue überhaupt nicht, Teil des Ganzen zu sein. Zum einen hab ich am Tag der Aufnahmen eine Menge Erfahrungen gesammelt, ich habe viele sehr interessante Menschen kennengelernt – und ich habe mitgeholfen, Menschen zu einer Jahreszeit, in der sie tendenziell sensibler und empfänglicher sind noch weiter zu sensibilisieren für etwas, was sich nicht innerhalb der Grenzen unseres Landes abspielt, aber nicht weit davon entfernt passiert. Ich möchte einfach, dass die Leute ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass es wichtigere Sachen gibt als die Frage, ob man die Playstation oder die Xbox zu Weihnachten bekommt. Man muss einfach mal verstehen, was da draußen los ist. Und wenn es nur ein paar Gedanken sind, die man in diese Richtung schickt, damit wäre schon geholfen. Und am Ende des Tages kommt auch noch Knete dabei rum, die gebraucht wird und die an Organisationen geht, die wir kennen wie Oxfam oder Ärzte ohne Grenzen. Es ist so leicht, zu meckern und nichts zu tun. Dann machst Du auch nichts falsch.
Ticket: Welchen konkreten Part haben Sie übernommen?
Amara: Ich habe wie allen anderen auch im Chor mitgesungen. Eine meiner eigenen Zeilen ist "Jeder Kuss kann tödlich sein". Klingt erst einmal wie ganz schlimmer Schlager-Slang, ist aber tatsächlich wahr. Die Familien von Ebolakranken dürfen ihre Angehörigen nicht besuchen, dürfen sich nicht verabschieden, weil Küsse oder Berührungen ein hohes Infektionsrisiko mit sich bringen. Wie schlimm muss das sein?
Ticket: Warum heißt euer aktuelles Album eigentlich "Noir?"
Amara: Die Titel von Alben stehen bei uns immer ganz früh fest. Damit legen wir selbst die Marschrichtung fest, in die es akustisch und visuell geht. Dass der Titel "Noir" bezogen auf die Texte der Lieder am Ende so viel Sinn ergibt, liegt daran, dass es trotz aller Erfolge Dinge im Leben gibt, die wichtiger sind als das und teils nicht so gut gelaufen sind. Für mich ist das Texten ein Weg, um mit Traurigem und Problemen umzugehen. Dementsprechend düster sind sie geworden. Da passt "Noir" ganz gut.
Ticket: Mit dem Song "Der Rest und ich" auf dem Album "Noir" positioniert sich die Band klar gegen Rechts und Intoleranz. Wie groß ist Ihr Unbehagen, was die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland angeht?
Amara: Extrem groß. Weil es gefühlt immer schlimmer wird. Den Leuten ist die Fähigkeit abhanden gekommen, ihre eigene Position zu hinterfragen. Da werden widerwärtige rechte Positionen rausgeblasen, die dann mit Worten enden wie "Aber ich bin ja kein Nazi, aber ich bin ja nichts rechts". Das ist ganz gefährlich – genauso wie die Forderung, die Geschichte ruhen zu lassen – "Wir können doch nichts für das, was vor 70, 80 Jahren war, das waren doch unsere Großeltern". Es darf eben nicht ruhen. Damit den Leuten immer wieder bewusst wird, wie schnell so etwas Ungutes in eine Katastrophe münden kann. Ich glaube, das vergessen viele. Ich bin mir gar nicht sicher, ob ein Xavier Naidoo sich der Tragweite der Positionen bewusst ist, die er mit Äußerungen wie "Freiheit für Deutschland" unterstützt. Das ist Wasser auf die Mühlen von ganz, ganz dummen Menschen.
Ticket: Xavier Naidoo sagt ja, er sei wie Jesus, er spreche mit allen Menschen, auch mit Rechtspopulisten und Reichsbürgern.
Amara: Er kann ja mit allen sprechen, aber er darf nicht für alle sprechen, beziehungsweise: Er spricht ja nicht für alle, sondern für den rechtskonservativen Flügel. Nein, man darf es sich nicht so leicht machen.
Ticket: Auch beim Thema Flüchtlinge ist derzeit in Deutschland die Tendenz zu beobachten, dass fragwürdige Positionen wieder hoffähig werden – und Menschen einfach das glauben, was sie glauben wollen, obwohl es noch nie so leicht war wie heute, sich differenziert zu informieren.
Amara: Die Leute machen es sich damit halt bequem. Ich kann mir vorstellen, dass viele glauben, was sie sagen – "Jetzt haben wir aber genug getan, jetzt müssen wir mal nach uns selbst schauen, bei uns erfrieren auch Leute auf der Straße". Ja, es ist furchtbar, wenn Menschen leiden müssen, aber es ist doch egal, woher sie kommen. Unser Song "Ich will ja nicht sein" handelt davon. Er sagt: Die Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, tun das nicht, weil es so toll ist, übers Meer zu schippern, die finden es nicht toll, alles zurückzulassen. Ihnen bleibt aber keine andere Möglichkeit. Darüber muss man mal nachdenken. Ich hoffe, dass keiner von uns jemals in so eine Situation kommt. Falls doch, kann ich nur hoffen, dass andere uns dann nicht die Tür vor der Nase zuknallen.
Ticket: Stichwort Freiburg: Im Juli 2103 haben die Broilers als Support der Toten Hosen hier vor 50.000 Menschen gespielt. Irgendwelche Erinnerungen an diesen Abend?
Amara: Da waren viele befreundete Bands dabei, insofern haben wir uns beim Feiern hinterher nicht geschont. Freiburg ist außerdem eine verhältnismäßig wichtige Stadt für uns, weil unser Gitarrist da seine Freunde weggeklaut hat. Jetzt fehlt ein Mädchen in Freiburg, das lebt jetzt in Düsseldorf. Deshalb ist ein Auftritt in Freiburg auch immer ein wenig wie nach Hause zu kommen.

Ticket: Was erwartet das Publikum diesmal beim Konzert in Freiburg?
Amara: Uns gibt es jetzt 20 Jahre. Und das wird auch das Konzert prägen. Wir spielen Lieder aus der gesamten Zeit, machen eine Mischung aus den ganzen Alben. Wenn ich uns selbst loben wollte, würde ich immer sagen, dass wir einfach eine gute Live-Band sind. Ich glaube, bei uns geht keiner mit einem schlechten Gefühl, sondern mit einem Grinsen im Gesicht nach Hause.

Termin: Freiburg, Broilers, Rothaus-Arena, Sa, 6. Dez., 20 Uhr, Info: BZ-Kartenservice Tel. 0761/4968888
von Peter Disch
am Mi, 03. Dezember 2014 um 00:00 Uhr

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