Werkschau

Die Fondation Beyeler und das Kunstmuseum Basel würdigen Georg Baselitz

Georg Baselitz, den die Fondation Beyeler und das Kunstmuseum mit einer Doppelausstellung würdigen, hat in Basel bis heute ein Atelier.

Georg Baselitz, der kontrovers diskutierte, eigenwillige und hochgehandelte Gegenwartskünstler, verbindet nicht nur viel mit Basel. Die große Retrospektive anlässlich des 80. Geburtstags, die seit Sonntag in zwei korrespondierenden Ausstellungen in der Fondation Beyeler in Riehen und dem Kunstmuseum Basel zu sehen ist, stiftet auch die erste offizielle Kooperation dieser zwei hochkarätigen Adressen in Sachen Kunst. Die Direktoren, Sam Keller von der Fondation und Josef Helfenstein vom Kunstmuseum, hängen den Sachverhalt gleichwohl eher tief. Die Doppelausstellung sei eine ziemlich spontane Idee gewesen, die bei dem regelmäßigen informellen Austausch konkrete Formen angenommen habe und nicht zuletzt der "großen Bedeutung geschuldet ist, die Baselitz für Basel hat", schildert Sam Keller.

Tatsächlich ist Baselitz, am 23. Januar 1938 im sächsischen Deutschbaselitz geboren, worauf der Künstlername anspielt, einer der wenigen Großkünstler, der je ein Atelier in Basel hatte und dieses bis heute im Wechsel mit Räumen in Salzburg, Imperia und am Ammersee auch regelmäßig nutzt, weiß Josef Helfenstein. Vor allem zum Kunstmuseum hat Baselitz, der sich 1958, also noch vor dem Mauerbau aus der damaligen DDR nach Westberlin absetzte, enge Verbindungen. Im Kupferstichkabinett fand 1970 die erste Museumsausstellung seiner Werke überhaupt statt; 1984 folgte eine erste Retrospektive der Zeichnungen. Heute besitzt das Museum nicht zuletzt dank großzügiger Schenkungen des Künstlers mit 152 Zeichnungen und Aquarellen einen großen Konvolut an Baselitz-Werken, einen der größten überhaupt.

Keine Frage also, dass das Haus bei einer Baselitz-Retrospektive kaum außen vor bleiben kann – zumal, wenn die vor Ort stattfindet. Diese Überlegungen hatte laut Helfenstein auch Martin Schwander, der Kurator der Ausstellung in der Fondation. Er habe in der Sache vorgefühlt und offene Türen gefunden. Tatsächlich sei die Kombination der großen Gemälde und Skulpturen in der Fondation und der eher kleinteiligen, filigraneren Zeichnungen in einer gemeinsamen Retrospektive ein weiterer "Kulminationspunkt" in der Beschäftigung mit diesem Künstler, der im Übrigen "angetan" gewesen sei von der Idee, berichtet der Museumsdirektor.

Unter dem Strich bietet das Paket in der Tat echten Mehrwert. So ergänzen und kommentieren sich die Ausstellungen. Denn die Zeichnungen bieten quasi Einblicke in die Werkstatt, die die großformatigen, wuchtigen und schrillen Arbeiten und Skulpturen gar nicht so einfach preisgeben, und verdeutlichen die Entwicklung des Künstlers von der Reflexion über die Vergänglichkeit in der frühen Phase bis zum Blick auf das eigene Werk im späten Schaffen. So entsteht ein breites Spektrum des Werkes eines von inneren Bildern besessenen Künstlers. Da wird nachvollziehbar, wie sich dieser immer wieder neu erfindet. Da wird aber auch sichtbar, dass er sich an bestimmten Punkten treu bleibt – etwa in der permanenten Opposition zur Bilderfeindlichkeit der amerikanischen Minimal Art oder der Konzeptkunst und im "fiktiven Dialog mit Vor-bildern", wie es Martin Schwander im Katalog der Fondation Beyeler schreibt, arbeitet. Das ist mal der französische Surrealist Antonin Artaud, mal der Norweger Edvard Munch im frühen Werk oder im späteren dann fotografische Vorlagen.

Solche Aspekte machen die chronologisch aufgebauten Ausstellungen gerade in dieser Struktur gut transparent. Das beginnt bei den pandämonischen düsteren Arbeiten der frühen 60er-Jahre, Bildern des Grauens und eines verstümmelten Lebens, die sich abarbeiten am nationalsozialistischen Kapitel der deutschen Geschichte und deren zeichnerische Stücke den Einfluss der Surrealisten verdeutlichen. Das zeigt aber auch die Helden-Serie mit Männern in den zerfetzen Kleidern, die sich noch am italienischen Manierismus orientierte. Es sind alter Egos wie der "Moderne Maler", die Mitte der 60er-Jahre in die Fraktur-Bilder übergehen mit ihren Motiven "einsamer, männlicher Gestalten, die ein Bestiarium an Vieh umgibt", wie Schwander schreibt.

Ende der 60er- Anfang der 70er-Jahre beginnt eine Phase der Pulverisierung der Motive, die in deren Umkehr mündet – Bildern mit kopfstehenden Motiven als Versuch eines dritten Weges zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit wie in den Porträts seiner Frau Elke. Auch hier gibt es erhellende Links zwischen den zwei Ausstellungen – wie bei den Kampfmotiven aus den 80er-Jahren oder den Remixbildern von 2005 an, die Bestehendes neu komponieren und zunehmend auf das eigene Werk zugreifen.

Eine Blaupause für weitere Kooperationen sehen die zwei Direktoren trotz dieser luziden Ergänzungen in dem Projekt aber nicht. Dahinter stecke keine Strategie, sagen beide übereinstimmenden. Zwar arbeiten die Häuser im Backoffice längst zusammen, betont Keller – etwa bei der Restauration. Im operativen Tagesgeschäft aber wollen sie weiter eigene Wege gehen. "Das Kunstmuseum mit seiner Sammlung über 700 Jahrhundert hat einen ganz anderen Auftrag als die Fondation", erläutert Helfenstein. Das schließt gemeinsame Projekte für die Zukunft zwar nicht prinzipiell aus. Doch die Gelegenheit muss passen, sagt Josef Helfenstein. So wie sie jetzt passt.

Ausstellungen: Fondation Beyeler, Kunstmuseum Basel, bis 29. April. Fondation: tägl. 10 bis 18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr. Kunstmuseum: Di. bis So. 10 bis 18 Uhr, Do. bis 20 Uhr.
Künstlergespräche mit Georg Baselitz in der Fondation Beyeler: 16. Februar, 18.30 Uhr, limitierte Plätze. Info und Anmeldung unter: fondationbeyeler.ch/artisttalks und im Kunstmuseum am 8. März, 18.30 Uhr.
von Michael Baas
am Di, 23. Januar 2018

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