Oper

Die Oper "Angels in America" von Peter Eötvös hat am Theater Freiburg Premiere

Die Oper "Angels in America" von Peter Eötvös hat am Theater Freiburg Premiere.

Mit Aids steht eine lebensbedrohliche Krankheit im Mittelpunkt der Oper "Angels in America" von Peter Eötvös nach dem gleichnamigen Schauspiel von Tony Kushner. Das Freiburger Theater bringt nun gemeinsam mit dem SWR-Experimentalstudio dieses packende Musiktheater in der Regie von Ingo Kerkhof auf die Bühne – als Plädoyer für das Leben.

Tony Kushners zweiteiliges Theaterstück "Angels in America: A Gay Fantasia on National Themes", das 1993 am Broadway uraufgeführt wurde, erzählt vom Schicksal des jungen, schwulen New Yorkers Prior Walter Mitte der 1980er Jahre. Nicht nur er ist mit Aids infiziert, sondern auch der ultrarechte Anwalt Roy Cohn. Cohn, der gegen Kommunisten vorging und einst Donald Trump groß machte, ist eine historische Figur unter den gespaltenen Persönlichkeiten, die der Autor miteinander agieren lässt. Solidarität mit Minderheiten und Ausgegrenzten ist im Neoliberalismus der Reagan-Ära ein Fremdwort. Das Ozonloch bedroht die Erde, soziale Kälte die Menschen. Prior Walter erscheint ein Engel, der sich von Gott im Stich gelassen fühlt und in ihm einen Propheten sieht. Die reale Welt wird für Visionen und Halluzinationen verlassen. Am Ende sind fast alle Figuren Engel.

Für den ungarischen Komponisten Peter Eötvös (Jahrgang 1944) waren gerade diese Übergänge zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein von Interesse. Er kürzte für seine 2004 in Paris uraufgeführte Oper die Vorlage von Tony Kushner auf zwei Stunden Musik, ließ deren sozialkritische Stoßrichtung außen vor und konzentrierte sich auf die leidenschaftlichen Beziehungen der Protagonisten. "Peter Eötvös hat Teile der Oper in New York komponiert. Man hört immer wieder einen typisch amerikanischen Klang. Mit den Saxofonen, einer E-Gitarre und einer Hammond-Orgel ist schon das Instrumentarium darauf ausgelegt. Auch das Vokaltrio im Orchestergraben erinnert an Background-Sängerinnen, wie man sie von Nina Simone kennt. Manches klingt nach Jazz, anderes nach Musical. Eötvös schreibt für diese Oper eine Musik, die gut hörbar ist", sagt Daniel Carter, Dirigent der Produktion und Erster Kapellmeister am Freiburger Theater. Die Oper beginnt mit dem Sound einer Großstadt. Alltagsgeräusche und Sounds werden vom Experimentalstudio zugespielt, das auch die verstärkten Stimmen und Instrumente im Orchestergraben zu einem Gesamtklang mischt.

Für Dramaturgin Tatjana Beyer ist die Oper nach wie vor höchst aktuell. "Das Thema Aids ist bei weitem nicht unter Kontrolle. Gerade in Russland haben wir einen ähnlichen Zustand wie in den 1980er Jahren in Amerika. Das Thema ist komplett tabuisiert, die Infektionsrate steigt enorm an. Durch die Einwanderungsbewegung taucht das Thema wieder in der Mitte Europas in einer Dramatik auf, die uns noch gar nicht so richtig klar ist." Aber die Freiburger Produktion öffnet das Thema zu ganz allgemeinen Sinnfragen: "Was macht ein Mensch angesichts des Todes? Die Geschichte dieses Überlebenskampfes von Prior Walter wird nicht nur sehr empathisch, sondern auch komisch erzählt, mit jüdischem Humor und lakonischem Tonfall. Prior Walter wird mit Anfang dreißig von allen verlassen – von seinem Freund, von seiner Katze, von seinem Verstand. Trotzdem ist der Glaube an das Leben immer zu spüren." Am Ende der Oper erklingt die gleiche Musik wie zu Beginn, nur viel langsamer. Der Ausdruck ist entspannter und nachdenklicher. "Das zeigt auch die Entwicklung von Prior Walter. Nach seinem langen Kampf steht er schließlich zu seiner Krankheit, akzeptiert sie und stellt sich dem Leben", erklärt Daniel Carter.

Eine Produktion mit großer Bildkraft

Mit Ingo Kerkhof feiert ein Regisseur sein Debüt am Freiburger Theater, der vom Schauspiel kommt und auf der Bühne nur mit dem arbeitet, was er zwingend braucht. Trotzdem entfaltet die Freiburger Produktion auch große Bildkraft, wie Tatjana Beyer bemerkt: "Eine zentrale Rolle spielt für uns dabei der Umgang mit Wasser in seinen verschiedenen Aggregatzuständen. Wasser als Symbol für das Leben, die Bewegung und Fähigkeit zur Veränderung. Das Stück endet im Original bei Tony Kushner am Bethesda-Brunnen im Central Park, dem Lieblingsort von Prior Walter. Dem Wasser in diesem Brunnen sind wir gefolgt."

Termine: Freiburg, "Angels in America", Freiburg, Theater, Gr. Haus, Premiere: Sa, 10. März, 19.30 Uhr; weitere Aufführungen: 18., 28. März, 7., 27. April, 10., 18. Mai und 3. Juni; Karten: BZ-Kartenservice Tel. 0761/4968888 und bz-ticket.de
von Georg Rudiger
am Fr, 02. März 2018

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