Oper

Ermanno Wolf-Ferraris "Der Schmuck der Madonna" am Theater Freiburg

Ermanno Wolf-Ferraris Opernrarität "Der Schmuck der Madonna" am Theater Freiburg.

16 Jahre war sie Intendantin: zunächst in Kiel, dann an der Deutschen Oper Berlin. Seit 2011 arbeitet Kirsten Harms (59) als freie Regisseurin. Am Theater Freiburg reüssierte sie 2015 mit Karl Goldmarks "Königin von Saba". Jetzt folgt erneut eine veritable Rarität: Ermanno Wolf-Ferraris "Der Schmuck der Madonna". Premiere ist am Samstag.

Sie habe in Freiburg für diese Oper plädiert, berichtet Kirsten Harms im Gespräch. Für jenes Werk des Deutsch-Italieners, das nach der erfolgreichen Berliner Uraufführung von 1911 dennoch in Vergessenheit geraten war. Grund: "Man fühlte sich vom Stoff belästigt", meint die so eloquente wie sympathische Musiktheaterfrau, die als Expertin fürs Rare gilt. Heiliger Schmuck wird geraubt, eine junge Frau geschändet. Erzählt wird die unglückliche Liebesgeschichte zwischen dem Neapolitaner Gennaro (Hector Lopez- Mendoza singt ihn) und seiner Stiefschwester Maliella (Elena Stikhina). Gleichwohl: "Aufkeimende Geschwisterliebe ist ein Tabu."

Abgründe tun sich auf. Es gibt auch Verismo-Anleihen. Gennaro, eigentlich ein ganz normaler Mann, Schmied von Beruf und sehr religiös, scheitert an sich selbst. Er leidet – Parallelen zu Goethes "Werther" tun sich auf. Gennaros Kontrahent, Camorra-Führer Rafaele (Kartal Karagedik von der Staatsoper Hamburg), sei, so Kirsten Harms "ein dämonischer Verführer" mit "einer mephistophelischen Funktion". Es geht ums Spiel mit wehrlosen Frauen und Mädchen, auch um eine Art Jungfrauenkult. Und Doppelmoral. Letztlich eine Geschichte, die, wie die Regisseurin glaubt, "jedem passieren kann". Liebe und Wahnsinn sind in unserem Gehirn nicht weit voneinander entfernt.

Der Venezianer Ermanno Wolf-Ferrari (1876–1948), Opernfreunden am ehesten noch durch seine "Vier Grobiane" ein Begriff, hatte ab 1892 bei Josef Rheinberger an der Münchner Akademie der Tonkunst studiert. Der Komponist mit deutschem Vater und italienischer Mutter möchte bei "Der Schmuck der Madonna" erklärtermaßen "neapolitanisches Volksleben und Empfinden" musikalisch versinnlichen. Entstanden ist eine Mischung aus religiöser Stimmung und profaner Daseinsfreude in einem Umfeld aus Fin de siècle und Dekadenz. Für Kirsten Harms ist die Musik von "I gioielli della Madonna" eine Synthese aus Italienischem, Giacomo Puccini und Richard Strauss. Wolf-Ferrari habe sich "zur großen Emotion bekannt". Die Musik als Ausdruck des Unsagbaren. Im Stück geht es viel um die Erotisierung der Religion. Thematisiert werde "die Urangst vor Lebendigkeit und Leidenschaft". Aus der "Religion der Liebe" sei "eine Religion der Keuschheit" geworden.

Eine Besonderheit des tragischen Dreiakters sind die vielen Szenen- und Regieanweisungen. Die aktuell mit dem Stück befasste Regisseurin, die sich intensiv um Richard Wagner gekümmert hat, sieht das positiv: Sie möchte die Regieanweisungen "im Sinn einer stringenten Erzählung nutzen". Für Bühne und Kostüme ist Kirsten Harms’ Ehemann Bernd Damovsky zuständig. Musikalisch ist diese Produktion Chefsache: Freiburgs Generalmusikdirektor Fabrice Bollon wird die Philharmoniker dirigieren.

Und was macht die Regisseurin, die aus Erfahrung bekennt, "Regie zu führen, sei einfach eine Kunst"? Erstens: Sie siedelt ihre Inszenierung in der Zeitlosigkeit an. Zweitens: "Ich verbinde Realismus mit katholisch-religiösen Bildwelten." Und schiebt einen pikanten Kurzkommentar nach: "Der Katholizismus ist eine irre Welt" – so, wie die gebürtige Hamburgerin das im Interview sagt, klingt es wie eine Mixtur aus Kritik und Bewunderung. Auch eine knackige Antwort zur Frage, warum man sich diese Oper zu Gemüte führen sollte, hat Kirsten Harms parat: "weil man sich einen Stoff anschaut, den man vorher noch nie gesehen hat". Na denn...


Termine: Freiburg, "Der Schmuck der Madonna", Theater, Großes Haus, Premiere: Sa, 5. März, 19 Uhr; weitere Aufführungen: 10., 19., 26. März, 5., 9., 19., 22. Juni, jeweils 19 Uhr, sowie 8. April, 19.30 Uhr, und 12. Juni, 15 Uhr
von Johannes Adam
am Fr, 04. März 2016

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