Ticket-Interview

Fassbaender inszeniert "Der Rosenkavalier" in Baden-Baden

Unzählige Male hat Brigitte Fassbaender den Oktavian im "Rosenkavalier" gesungen. Nun inszeniert sie Richard Strauss’ Oper bei den Osterfestspielen in Baden-Baden und hat eine Galabesetzung zur Verfügung.

Im Gespräch mit Georg Rudiger erklärt die Regisseurin, warum sie von dieser Oper fasziniert ist und weshalb sie der Liebe von Oktavian und Sophie misstraut.
Ticket: Frau Fassbaender, den "Rosenkavalier" haben Sie viermal inszeniert. Warum ein fünftes Mal?
Fassbaender: Dieses wunderbare Stück hier mit den Berliner Philharmonikern unter Simon Rattle zu erarbeiten, ist natürlich ein besonderer Glücksfall. Wir kennen uns schon, seit ich einmal für eine Produktion in Amsterdam eingesprungen bin, die er dirigiert hat. Außerdem freut es mich sehr, dass der Bühnenbildner Erich Wonder dabei ist, dessen Arbeit ich schon seit langem sehr schätze.
Ticket: Sie haben in einem Text über Strauss geschrieben, dass Sie bei der Beschäftigung mit dem "Rosenkavalier" immer wieder etwas Neues entdecken.
Fassbaender: Es ist ein unerschöpfliches Stück. Es gibt so viele Nuancen, so viele herrliche Charaktere, dass man damit nie fertig wird. Ochs sagt gegen Ende Oper: "Komm’ aus dem Staunen nicht heraus". So geht es mir mit Richard Strauss und Hofmannsthal.
Ticket: Gibt es für Ihre Baden-Badener Produktion denn einen bestimmten Aspekt, den Sie besonders herausarbeiten werden?
Fassbaender: Das hat mit dem Bühnenbild von Erich Wonder zu tun, das in diesen großen Dimensionen des Festspielhauses sehr gut funktioniert. Es bietet die Möglichkeit, die Bühnentiefe, den Hintergrund zu beleben. Wonder arbeitet mit bemalten Schleierwänden, die durchleuchtet und überblendet werden – ganz assoziativ. Diese konkrete Komödienhandlung mit der eher abstrakten Bühne zusammenzubringen, ist eine ungewöhnliche Herausforderung.
Ticket: Werden Sie den "Rosenkavalier" jetzt in einer bestimmten Zeit spielen lassen?
Fassbaender: Ich würde sagen, zeitlos, aber mit bewussten Zitaten. Eine "Komödie für Musik" hat Strauss diese Oper genannt. Die Hofmannsthal’schen Zitate wie die Überreichung der Rose im zweiten und das Lever im ersten Akt sind ganz aus dem Rokoko. Das kann man auch an den teilweise skurrilen, wunderschönen Kostümen von Dietrich von Grebmer sehen, die ganz aus dem Geiste des Stückes gewachsen sind.
Ticket: Sie haben den Oktavian so häufig gesungen, dass Sie in der Öffentlichkeit schon mit der Rolle identifiziert wurden. Hat Sie das gestört?
Fassbaender: Ja. Ich habe sehr viele Rollen gesungen – und die waren mir alle gleich lieb. Nur schauspielerisch mussten sie fordernd sein. Das war mir immer das Wichtigste. Der Oktavian ist diesbezüglich besonders reizvoll, weil man als Frau glaubhaft einen jungen Mann darstellen muss, der sich aber wieder in ein Mädchen verwandelt. Die vielen Farben dieser Travestie witzig darzustellen, ist spannend. Natürlich ist die Rolle auch herrlich zu singen. Aber ich habe genauso gerne eine Eboli, eine Brangäne oder Carmen gesungen.
Ticket: Magdalena Kozená wird den Oktavian singen. Arbeiten Sie mit ihr und den anderen Solisten auch musikalisch?
Fassbaender: Das überlasse ich selbstverständlich Simon Rattle. Natürlich ist die Musik die erste Inspirationsquelle für die Inszenierung. Ich arbeite primär schauspielerisch. Und muss auch erst mal den Verkehrspolizisten spielen, um die Szenen zu arrangieren und choreographisch aufzubauen, dann die Charaktere klar zu entwickeln und die Geschichte zu erzählen. Meine Aufgabe ist es, die Fantasie der Mitwirkenden zu wecken.
Ticket: Welche Geschichte möchten Sie mit Ihrem "Rosenkavalier" denn erzählen?
Fassbaender: Es geht um junge Menschen wie Oktavian und Sophie, die noch keine Erfahrung mit der Liebe haben und ihren wechselnden Emotionen ausgeliefert sind. Die Marschallin geht da souveräner mit der Materie um. Es geht aber auch um das merkwürdige Geschöpf des Ochs von Lerchenau, die geheime Hauptperson. Das ist eine Falstaff’sche Figur. Es gibt insgesamt vier Protagonisten und ganz viele Nebenfiguren. Ich erzähle also nicht nur eine Geschichte, sondern ganz viele. Gerade die kleinen Geschichten im Hintergrund sind mir wichtig. Da enthält der "Rosenkavalier" unerschöpfliche Möglichkeiten.
Ticket: Der Schluss der Oper wurde zwischen Hofmannsthal und Strauss heftig diskutiert. Das Liebesglück zwischen Sophie und Oktavian wird ein wenig gebrochen durch einen kleinen Mohren, der Sophies Taschentuch aufhebt.
Fassbaender: Den kleinen Mohren gibt es bei mir nicht, sondern der ist bei mir schon ziemlich erwachsen. Ich traue der Liebe dieser beiden jungen Menschen aber nicht. Es ist eine spontane Verliebtheit, keine Bindung von Dauer. Dafür ist Sophie für Oktavian viel zu bodenständig und bürgerlich. Das wird er noch merken. Die hat Haare auf den Zähnen. Das Liebesverhältnis mit der Marschallin, seiner "Lehrmeisterin", hat ihn geprägt.
Ticket: Die Oper hat einen melancholischen Grundton. Man trauert der guten alten Zeit hinterher, die Marschallin ihrer Jugend.
Fassbaender: Das finde ich nicht. Sentimentalität ist für mich eine Klischeevorstellung, die dem Stück anhaftet. Die Marschallin ist 32 Jahre alt und in der Blüte ihres Lebens. Zwar ist sie frustriert durch ihren Ehemann, aber sie hält sich schadlos. Sie ist auch verkuppelt worden an einen Typen, den sie eigentlich gar nicht wollte. Gott sei Dank ist der Gatte aber oft genug auf Bärenjagd, so dass sie ihr Leben ohne ihn genießen kann. Sophies Schicksal ist ihr sehr nachvollziehbar.
Ticket: Aber sie muss am Ende auf ihren Liebhaber Oktavian verzichten, der sie jung gehalten hat...
Fassbaender: Ja, aber wahrscheinlich nur vorübergehend. Ich sehe das alles nicht so dramatisch. Es ist keine Tragödie, sondern eine Komödie für Musik.
Ticket: Ist es Ihre erste Zusammenarbeit mit den Berliner Philharmonikern?
Fassbaender: Ich habe viel mit ihnen gesungen, aber als Regisseurin ist es mein Debüt. Die Berliner Philharmoniker sind ein fantastischer Klangkörper und mein Lieblingsorchester – und das sage ich nicht nur, weil ich Berlinerin bin.

Termine: Baden-Baden, "Der Rosenkavalier", Festspielhaus, Premiere: Fr, 27. März, 18 Uhr; weitere Aufführungen: 30. März, 2./6. April, jeweils 18 Uhr; Info: Tel. 07221/3013101 oder im Netz unter http://www.festspielhaus.de
von ruge
am Mi, 25. März 2015 um 08:21 Uhr

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