Tanz

"Flying Bach", die Tanzshow der Berliner Flying Steps, im Konzerthaus Freiburg

"Flying Bach", die Tanzshow der Flying Steps aus Berlin, reißt Genremauern ein.

Es ist die Geschichte von den Gegensätzen, die sich anziehen – vielleicht auch, weil sie viel gemeinsam haben: Bach und Breakdance, klassischer Tanz und die Moves der Straße verschmelzen bei "Flying Bach" zu einem Ganzen – und das so erfolgreich, dass das Gemeinschaftsprojekt der hochdekorierten Breakdance-Gruppe Flying Steps und des Opernregisseurs Christoph Hagel zu einem Welterfolg geworden ist, der jetzt nach Freiburg kommt.

Ortstermin in Berlin. Im Niemandsland zwischen dem Alt-68er-Kreuzberg rund um die Bergmannstraße und dem linksalternativen Kreuzberg entlang der Oranienstraße liegt die Lobeckstraße. 70er-Jahre-Mehrstöcker, fahles Straßengrün, trister Spielplatz – ein graues Wohngebiet. Auch die Fassade der früheren Aqua Butzke Werke, ein Traum in Lila-Blassblau und Schmutzigorange, bleicht so vor sich hin. Doch durch das Tor über den Hof und dann rechts – da wuselt das Leben. Hier ist das Hauptquartier der Flying Steps. In den drei Übungsräumen mit den großen Glasfenstern laufen Tanzkurse, auf einer Zwischenebene am Ende des Flurs steht Vartan Bassils Schreibtisch. Der im Libanon geborene Berliner hat die Flying Steps 1993 gegründet. "Mit meinen Eltern habe ich damals ausgemacht, dass ich mich ein Jahr auf Breakdance konzentriere und wir dann sehen, ob ich doch lieber etwas Anständiges lerne", erzählt der heute 40-Jährige und grinst. So weit kam es nicht. Aus den Flying Steps ist eine der wichtigsten Gruppen des Genres geworden – Weltmeistertitel, Pokale im Büro zeugen davon.

Bassil hat es geschafft, doch eines störte ihn all die Jahre. Breakdance gilt zwar als cooler Teil der HipHop-Kultur, wird aber nichts als das begriffen, was er aus seiner Sicht ist: ein ernstzunehmendes Tanz-Genre mit Figuren, so anspruchsvoll wie die des klassischen Balletts. Mit dem Programm, das dem Sponsor zuliebe "Red Bull Flying Bach" heißt, ist er angetreten, das zu ändern.

Es ist dem Zusammentreffen von Bassil und dem Opernregisseur Hagel zu verdanken, dass aus der Symbiose von ehemaliger Szenekultur und Hochkultur etwas geworden ist. Bassil wollte Breakdance und klassische Musik verbinden, hatte aber keine Ahnung, was passen könnte. Hagel schlug vor, es mit Präludien und Fugen aus Johann Sebastian Bachs Wohltemperiertem Klavier zu versuchen – deren kontrapunktischer und repetitiver Charakter passt aus seiner Sicht perfekt zum von Beats und Rhythmus getriebenen Breakdance.

Seit der Premiere 2010 in der Berliner Nationalgalerie hat sich "Flying Bach" zu einem Welterfolg entwickelt. Abgesehen von Afrika hat das Ensemble das etwa 70 Minuten dauernde Stück auf allen Kontinenten gezeigt. Der von Bassil angestrebte und mit Hagels Hilfe umgesetzte Brückenschlag findet dabei doppelt statt. "Flying Bach" erzählt, wie sechs Breakdancer und eine klassisch ausgebildete Tänzerin zusammenfinden – zur Musik von Bach. Neugier siegt über Vorurteile, Arroganz weicht Anerkennung, die in der HipHop-Kultur jedem zuteil wird, der sich im Wettstreit als Könner erweist, egal ob er sich auf dem Kopf dreht oder Spitze tanzt. Und ein bisschen Junge trifft Mädchen ist natürlich auch im Spiel.

Beim Rundgang durch die Dance Academy der Flying Steps öffnet Bassil eine Transportkiste. Drin ist ein Cembalo. Die Steps besitzen jetzt ein eigenes ("in manchen Ländern hat nur der Scheich eins, und der leiht es nicht aus", sagt Bassil), denn es ist ein essenzieller Bestandteil der Live-Umsetzung von "Flying Bach", ebenso ein Klavier und die Beats und Sounds von Ketan and Vivan Bhatti, die Bachs Stücke für die Show bearbeitet haben. Gilt Letzteres nicht als Frevel? Christoph Hagel weiß von nichts: "Bei mir hat sich noch keiner beschwert."

Termin: Freiburg, Red Bull Flying Bach,
Konzerthaus, Sa, 30. Mai, 21 Uhr;
Info: Tel. 0761/4968888
von Peter Disch
am Do, 28. Mai 2015

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