Augustinum Freiburg

Fotos aus der Mongolei: Atmosphärisches sichtbar gemacht

Landschaften und Porträts: Im Augustinum Freiburg stellt Anita Walter 58 großformatige Farbfotos aus der Mongolei aus.

Ein riesiger Binnenstaat zwischen China und Russland, Landschaften aus Weite und Leere, Steppe und Wüste, Fels und Seen, dramatisch aufgetürmte Wolkengebirge, ein Land, in dem Kinder offenbar eher reiten als laufen können, in dem es mehr Pferde als Menschen gibt – die Mongolei gilt als das am dünnsten besiedelte Land der Welt. Die Fotos, die Anita Walter im Sommer 2014 auf einer Reise durch die Mongolei gemacht hat, sind auf den ersten Blick gleichsam ethnographische Dokumente, Einblicke in ein Land oder eigentlich: in ein Universum, das für den westlichen Betrachter als Inbegriff von Fremdheit gelten kann.

Präsentiert wird im Freiburger Wohnstift Augustinum ein Parcours aus 58 großformatigen Farbfotos, eine Balance aus Landschaften und Porträts, aus Totalen und Nahaufnahmen, in der Hängung oft zu Bildgruppen arrangiert, die durch Thema oder Motiv zusammengehalten werden. Der erste Blick entdeckt eine raue, karge, von Steppen, Hochplateaus und wild zerklüfteten Felsformationen geprägte Landschaft, die weißen Jurten und Rundzelte als ein ewiges Provisorium von Behausung, die Viehherden der Schafe, Ziegen, Pferde, Yaks und Kamele, weniger Nutztiere als vielmehr Begleiter, Nachbarn der Menschen. Anita Walters Fotos entziehen sich einer flüchtigen Kenntnisnahme, sie appellieren an eine Art Versenkung ins Detail. Und so wird ein zweiter Blick auf diese Fotos mindestens eine Ahnung aufbauen vom nomadischen Element dieser Kultur, Nomadentum nicht als Folklore, sondern als Alltag und existentielle Herausforderung, dem Wüten der Elemente, einem extremen Klima und den Gezeiten der Natur unterworfen.

Wenn der Eindruck nicht täuscht, hat die Fotografin hier eine thematische Spur gelegt, die bereits Teile ihrer Foto-Serien aus Burma und aus Kambodscha geprägt hat. Es muss in der Mongolei ein spirituelles Erbe geben – konzentriert in buddhistischen Klöstern, in Mönchsorden, Reliquienschreinen und in der Praxis der Schamanen –, das offenbar selbst unter der kommunistischen Doktrin der Stalin-Zeit nicht völlig auszurotten war. Der Schamane, in Trance in einen anderen Zustand entrückt, als Heiler und Fürsprecher, als Mittler zwischen Menschen, Göttern, Dämonen und Ahnen. Auch hier vielleicht die Differenz zwischen erstem und zweitem Blick: Der erste Blick sieht den Schamanen, das Wolfsfell übergeworfen, eine mit magischen Kräften begabte Figur; der zweite Blick, der sich etwa in ein Bild des Schamanen in rasender, kreiselnder Bewegung vertieft, ahnt womöglich, das hier Unerhörtes geschieht – da wird eine Realität zertrümmert, Zeit aufgehoben, Grenzen durchlöchert, Geister werden beschworen und die Toten fordern ihr Recht.

Der erste Blick gilt hier dem ethnographischen Dokument – und dies ist in seiner Fremdheit faszinierend genug; der zweite Blick entdeckt in diesen Fotos noch eine Qualität, die sich nicht dokumentieren, sondern nur beschwören, nur im glücklichen Moment bannen lässt – etwa die spezifische Einsamkeit in diesem riesigen, leeren Land, in dem sich die Menschen wohl oft klein und verloren und ausgesetzt fühlen. Etwas Atmosphärisches sichtbar machen – dies ist eine Signatur in Anita Walters fotografischer Kunst.

– Bis 11. Januar, täglich 10-20 Uhr, Augustinum, Weierweg 10, Freiburg
von Hartmut Buchholz
am Mi, 03. Dezember 2014

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