Volksmusik

Freiburg singt - offene Chorkonzerte in der Freiburger Innenstadt

BZ-INTERVIEW mit Hans-Peter Hartung und Florian Bischof vom Breisgauer Sängerbund, der am Samstag zur Veranstaltung "Freiburg singt" einlädt.

BREISGAU-HOCHSCHWARZWALD. Am kommenden Samstag stürmen im Rahmen des Projekts "Freiburg singt" 30 Chöre aus dem Breisgau die Freiburger Innenstadt. Über Nachwuchsprobleme und die Kraft des Gesangs sprach Martin Herceg mit den Organisatoren vom Breisgauer Sängerbund, Hans-Peter Hartung und Florian Bischof.

BZ: Was wird die Besucher der Freiburger Innenstadt am Samstag erwarten?
Bischof: Die Besucher können sich auf die unterschiedlichsten Arten von Chorgesang freuen. Vom Landfrauenchor über große Männerchöre, kleine Vocal-Gruppen, Jazzchöre aber auch klassische Chöre wird es von Kirchenmusik bis zu den Toten Hosen alles geben. Insgesamt 30 Chöre aus Freiburg und Umgebung sind im Einsatz – 60 Auftritte sind dabei an sechs zentralen Standorten in der Innenstadt geplant.
BZ: Wie kam es zum Projekt?
Hartung: Zum 150. Geburtstag des Sängerbundes haben wir schon einmal 2012 ein großes Chor-Wochenende in der Fußgängerzone veranstaltet. Das hat unseren Chören und der Stadt so gut gefallen, dass wir beschlossen haben, dieses Event regelmäßig Mitte Oktober, zu wiederholen.
BZ: Was ist die Idee hinter Freiburg singt?
Hartung: Für die Gesangvereine und Chöre ist es wichtig, dass sie sich in der Öffentlichkeit präsentieren. Es nützt nichts, wenn in Hallen oder Kirchen gesungen wird und die breite Öffentlichkeit davon dann gar nichts mitbekommt. Näher dran an die Öffentlichkeit, als bei Freiburg singt – das geht nicht.
BZ: Der Breisgauer Sängerbund kann auf eine 150-jährige Tradition zurückblicken. Doch Chorgesang ist nicht mehr so hipp wie vor 100 Jahren. Wie steht es um den Nachwuchs?
Hartung: Das Singen an sich ist nicht tot. Aber die klassischen Traditionschöre wird es in Zukunft nicht mehr geben. Vielmehr wird und muss es einen Wandel geben. In Zukunft werden Gesangs-Projekte eine Rolle spielen. Denn auch junge Menschen singen gerne. In Pop- und Jazzchören sehen wir das.
Bischof: Meines Erachtens ist der Chorgesang derzeit eigentlich wieder en vogue. Es ist ein Irrglaube, dass Chöre nicht mehr attraktiv für junge Menschen sind. Schon Mozart hat in seinem Lied einer Alten Dame gesagt ’zu meiner Zeit war noch alles Recht uns Seligkeit’. Das Problem ist, dass gegenwärtig eine total junge Chorgeneration einer traditionellen Weinliedgeneration gegenübersteht – ein klassischer Generationskonflikt eben.
BZ: Und doch schrumpfen Chöre und Gesangvereine .
Hartung: Ja das stimmt. Früher waren die Leute eben anders aufgestellt. Da war es gang und gäbe, dass Vater, Sohn und Enkel im selben Chor gesungen haben. Heute ist das eben kein Selbstläufer mehr.
Bischof: Wenn ein Chor überleben will, dann muss er Qualität bieten, den modernen Musikgeschmack aufgreifen und sich anpassen.
BZ: Was kann Jugendliche dazu bewegen, statt Computer, Fußball oder Fernsehen in einen Chor zu gehen?
Hartung: Eben diese Konkurrenz hat uns dazu gebracht, dass wir öffentliche Events wie jetzt in Freiburg machen. Wir müssen aktiv auf das Chorwesen aufmerksam machen – nur so können wir gewinnen.
BZ: Kommt die Erkenntnis nicht zu spät?
Hartung: Die 80er und 90er Jahre waren für uns der halbe Tod. In dieser Zeit hat in den meisten Chören kein Wandel stattgefunden. Erst Ende der 90er Jahre hat man gemerkt, dass sich etwas ändern muss. Seiher wurde viel getan, sei es im Musikunterricht in den Schulen oder bei den Gesangvereinen. Daher glaube ich nicht, dass es zu spät ist.
BZ: Warum ist es eine gute Sache, im Chor zu singen?
Hartung: Für mich ist Singen eine Befreiung. Es hilft beim Loslassen und befreit den Geist und die Seele. Außerdem ist Singen gesund. Die Lunge wird beansprucht und der Geist angeregt.
Bischof: Ich stimme zu. Singen ist einfach natürlich gesund. Gerade im Chor gibt das einen absoluten Wellnesseffekt. Menschen gehen abgemüht vom Alltag in die Probe hinein und kommen mit einer völlig neuen Kraft wieder raus, die sie mit in den Alltag nehmen können.
BZ: Fußballvereine und Yoga-Gruppen öffnen sich für Flüchtlinge. Wie sieht das bei den Sängern aus?
Bischof: Auch wir wollen gerne damit anfangen und mit Flüchtlingen gemeinsam musizieren. Unsere Türen stehen offen, das ist mir eine Herzensangelegenheit. Dabei sind wir auch offen für neue Impulse und Klänge. Nicht zuletzt kann die Wirkung, die gemeinsames Singen hat, für tolle Integrationsmöglichkeiten sorgen. Allerdings wollen wir noch abwarten und die Menschen hier erst einmal ankommen lassen. Wenn sich die Unterbringungssituation eingespielt hat, und ein Alltag entsteht, werden wir Kontakt zu den Behörden aufnehmen.

Die Veranstaltung "Freiburg singt" findet statt am Samstag, 17. Oktober, von 11 bis 16 Uhr an verschiedenen Plätzen in der Freiburger Innenstadt. Alle Plätze im Überblick unter bz-ticket.de/freiburg-singt2015

Anfragen & Informationen unter : Konzertorganisation@gmail.com



von mhg
am Mi, 14. Oktober 2015

ZUR PERSON: Hans-Peter-Hartung

Der 62-jährige gebürtige Freiburger ist Präsident des Breisgauer Sängerbundes. Hans-Peter Hartung singt selbst seit seinem sechsten Lebensjahr im Chor.

Florian Bischof

Der 25-jährige gebürtige Brandenburger ist Chorleiter und seit fünf Jahren für die musikalisch-inhaltliche Ausrichtung des Sängerbundes mitverantwortlich.  

Autor: mhg

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