Getanzte Farben

Das US-amerikanische Ballet Hispánico kommt zu einem seiner bislang raren Deutschland-Gastspiele in den Burghof nach Lörrach.

Das Ballet Hispánico steht für die Integration lateinamerikanischer Kulturen in die USA. Dort hat sich das 1970 gegründete Ensemble mit diesem Ansatz den Ruf einer der erfolgreichsten Tanzkompanien erarbeitet. In Europa war die seit 2009 von dem in Kuba geborenen und in der New Yorker Bronx aufgewachsenen Eduardo Vilaro geleitete Truppe bislang gleichwohl selten zu sehen. Den ersten Auftritt hierzulande hatte sie tatsächlich erst Anfang des Jahres bei den Neusser Tanzwochen. Nun gastiert die Truppe mit zwei Choreografien in der Tanzreihe im Burghof in Lörrach.

Das zweite, längere von Gustavo Ramírez Sansano realisierte Stück "Carmen.Maquia" knüpft dabei an "Carmen" an, Georges Bizets so beliebten wie klischeebehafteten Klassiker. Der 1978 bei Alicante geborene Spanier, der zu den gefragtesten Choreografen gehört, vor allem in den USA arbeitet, aber auch an deutschen Stadttheatern – in Münster, Ulm oder diese Spielzeit in Augsburg – choreografiert, bürstet den Stoff aber gegen den Strich, unterläuft Klischees, auch wenn er diese, "sein spanisches Erbe", als Teil seiner Persönlichkeit sieht. "Alle meine Stücke, reflektieren, wer ich bin. Schließlich choreografiere ich mich", erläutert er am Telefon. Insofern seien alle Choreografien im Endeffekt auch eine Selbsterforschung – auch "Carmen.Maquai".

Den Carmen-Stoff hat er erstmals 2012 in Chicago aufgegriffen mit dem Tanztheater Luna Negra, das er von 2009 bis 2013 leitete und wo er Eduardo Vilaro kennenlernte. Damals ging es um ein größeres Projekt zum Thema Frau. Die mysteriöse Carmen-Figur, die er nie ganz verstanden habe, habe ihn durch das Potenzial, ihren Charakter zu verändern, gefesselt, erzählt er. Er habe Carmen zwar häufig gesehen, aber meist in einer Flamenco-Version, schildert er weiter. Da habe es ihn herausgefordert, das auch einmal anders anzugehen. Für das Ballet Hispánico hat er diesen Impuls mit zwei weiteren Spaniern umgesetzt, mit dem Bühnenbildner Luis Crespo sowie dem in Spanien bekannten Modeschöpfer David Delfin, der die Kostüme kreierte. "Eine spanische Connection", nennt Sansano das.

Wir wollten "Carmen" in der Flut ihrer Verkörperungen unbekannte Seiten abgewinnen, erläutert der Choreograf den Ansatz weiter. Dabei seien sie auf Pablo Picasso gestoßen. Der Maler habe den Stierkampf geliebt, aber auch die Carmen-Figur, habe diese reihenweise gezeichnet. Da knüpft das Stück an. Die Tänzer zeichneten die Geschichte sozusagen. "Wir übersetzen die Farben und Leidenschaft der Carmen in Bewegungen", sagt der 40-Jährige. Aber: Diese Farbe existiere nur im Tanz. Bühnenbild und Kostüme dagegen seien bewusst schwarz-weiß gehalten. Der Titel "Carmen.Maquia" setzt dieses Spiel fort. So heißt der Stierkampf in Spanien auch "Tauromaquia". Picasso wiederum hat die Carmen-Figur häufig mit einem Stier verglichen, der nicht zu domestizieren ist. Diese Assoziation greift der Titel auf und ersetzt das "Tauro" in "Tauromaquia" durch "Carmen".

Es finden sich also diverse Anspielungen auf typisch Spanisches. Aber: " Es war für uns alle drei wichtig, dass es nicht aussieht wie ein Postkarten-Spanien", erläutert Sansano. Wir haben Bezüge zu Spanien gesucht, aber nicht zu den verbreiteten Klischees. Spanien lasse sich auch nicht auf das symbolhaft Rot reduzieren. "Da gibt es alle Farben gleichermaßen", betont Sansano. Spanien, ja die Welt biete so viel Verschiedenes. "Wir sollten diese Vielfalt wahrnehmen und schätzen und uns nicht auf Stereotypen reduzieren lassen". So verbindet Sansano auch den zeitgenössischen Tanz mit spanischen Formen des Paso Doble und Flamenco.

Damit steht das Stück ganz in der Linie des Ballet Hispánico, dessen Botschaften immer wieder die Einbeziehung, Vielfalt und Gleichheit sind. "Auf der Bühne bringen wir die Geschichten der Marginalisierten durch ihre Stimmen und schaffen eine Arbeit, die inklusiv ist und offen ist für alle, um zu schwelgen und zu lernen. Wir geben dem Anderen eine Stimme", beschrieb Eduardo Vilaro das Konzept zum Beispiel in einem Interview mit dem Magazin BWW Dance World. Inzwischen erzähle die Truppe zwar, dass sich das Klima für die Latinos in den USA unter der Trump-Administration verändert hat, weiß Sansano. Um so wichtiger aber sei es, "eine solche Truppe zu haben", findet er. "Bury me standing", das erste von Ramon Oller choreografierte Stück des Abends, reflektiert übrigens die Einflüsse spanischer Roma auf Musik und Tanz der iberischen Halbinsel.

Aufführung: Mittwoch, 24. Oktober, 20 Uhr, Burghof, Lörrach; Vorverkauf beim BZ-Kartenservice unter bz-ticket.de/karten oder Tel. 0761/4968888 und bei allen BZ-Geschäftsstellen
von Michael Baas
am Mo, 22. Oktober 2018

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