Goethes Werther in der Emmendinger Steinhalle als "spoken word performance"

BZ-INTERVIEWmit Schauspieler André Eisermann über Werther.

EMMENDINGEN. "Die Leiden des jungen Werther" lautet der ursprüngliche Titel des von Johann Wolfgang von Goethe verfassten Briefromans, in dem der junge Rechtspraktikant Werther bis zu seinem Suizid über seine unglückliche Liaison zu der mit einem anderen Mann verlobten Lotte berichtet. André Eisermann bringt Goethes Werther am 13. April als "spoken word performance" auf die Bühne der Steinhalle. BZ-Redakteur Gerhard Walser sprach darüber mit dem Schauspieler.

BZ: Herr Eisermann, kennen Sie die Bezüge Emmendingens zu Goethe? Hier hat seine Schwester Cornelia bis zu ihrem Tod gelebt und war ausgesprochen unglücklich in ihrer Ehe mit dem Amtmann Georg Schlosser…
Eisermann: Ob sie unglücklich in Ihrer Ehe war, kann ich nicht sagen – ich habe sie ja nicht persönlich gekannt.

BZ: Sehen Sie da Parallelen zu Werthers Liebesleid?
Eisermann: "Die meisten Menschen sehen das Problem der Liebe in erster Linie als das Problem, selbst geliebt zu werden, statt zu lieben und lieben zu können" schreibt Erich Fromm in "Die Kunst des Liebens". Da ist ein junger Mann der sich in eine schöne Frau verliebt, sich regelrecht danach sehnt von ihr geliebt zu werden und sieht nicht oder will nicht sehen, dass das Mädchen längst einen anderen hat, nämlich Albert. Der junge Werther projiziert all seine Vorstellungen auf Lotte, täuscht sich regelrecht in der Situation die ihn umgibt und wird ent-täuscht. Das heißt: er sieht die Dinge plötzlich wie sie sind und nicht wie er sie haben will. Ab dem Moment wo Albert und Lotte heiraten, wird ihm sein Dasein unerträglich. Er ist nicht mehr Herr seiner Sinne. Da beginnt sein Leiden. Von nun an gibt es nur einen Gedanken, einen einzigen Wunsch, nämlich aus dieser Welt zu gehen. Er plant seinen Selbstmord und er plant ihn minuziös.
BZ: Die Erstausgabe des Werther erschien 1774 zur Leipziger Buchmesse. Das sind jetzt immerhin schon 241 Jahre. Ist der Roman denn überhaupt noch zeitgemäß?
Eisermann: Was für eine Frage. Der ist hochaktuell Der Roman kann nicht altern. Das Gefühl sich derartig in einen Menschen zu verknallen, dass man blind ist vor Liebe, das ist universell, das gibt es heute noch, einfach so, Peng. Goethes Werther war aktuell und ist es immer noch.

BZ: Was erwartet da die Zuschauer, eine ganz neue Version?
Eisermann: Nein – Der Text bleibt ja der selbe, er ändert sich nur durch die Wirklichkeit von der er eingeholt wird. In Zeiten wo noch immer sehr kontrovers über Suizid und Sterbehilfe diskutiert wird und man schon dem jungen Goethe vorwarf, er würde in seinem Roman keine moralische Position zur Selbsttötung einnehmen, haben wir noch mal nachgelesen. Da hat sich was verändert, auch in uns, weshalb nun auch unter dem Titel das Wort "reloaded" steht.

BZ: … und Sie versprechen ihrem Publikum noch ein paar Überraschungen…
Eisermann: Tu ich das? Nein. Unsere Besucher werden auf ihren Plätzen nach wie vor ein "Werthers Original"-Bonbon vorfinden. Die Überraschung ist ja auch ganz auf unserer Seite. Das Publikum als Gesamtes und wie es auf diesen Text reagiert, eröffnet mir und meinem Pianisten Jakob Vinje, der mich am Flügel begleitet, jeden Abend den Roman ganz neu. Es ist wirklich so. Ich werde von meinem Publikum jeden Abend überrascht. Und jeden Abend erfahre ich durch sie über den "Werther" ein Stück weit mehr. Und da schöne dabei ist: es beruht auf Gegenseitigkeit.

BZ: Sie haben als Schauspieler den Kaspar Hauser verkörpert und in Vilsmaiers "Schlafes Bruder" mit Ben Becker gespielt. Was macht eigentlich ihre Kino-Karriere?
Eisermann: Welche Kinokarriere? Ich habe ich nie eine Kinokarriere angestrebt. Ich wollte in erster Linie Schauspieler werden, vor einem Publikum spielen. Dafür habe ich mich auf Schauspielschulen beworben. Ich wurde an der Falckenberg-Schule aufgenommen, hatte dort eine wunderschöne Zeit und viel gelernt. Im letzten Jahr meiner Ausbildung hing dann dieser Zettel am schwarzen Brett auf dem zu lesen war, dass ein Darsteller für die Rolle des Kaspar Hauser gesucht wird. Damals strebte ich nur danach diesem Hauser gerecht zu werden. An Kinokarriere habe ich gar nicht gedacht. Auch nicht in Vilsmaiers Romanverfilmung "Schlafes Bruder". Da fand ich den Stoff so spannend. Inzwischen habe ich sehr oft vor Kamera gestanden. Für Michael Handke, für Percy Adlon, Dieter Wedel. Ich ging ans Thalia-Theater nach Hamburg, arbeitete mit George Tabori. Ich muss gestehen, so ein Theater-Erlebnis, und gerade mit einem Stoff wie es Goethes "Werther" ist – also von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt – das ist für mich als Schauspieler das reinste Vergnügen, weil ich da so richtig die "Sau rauslassen" kann.

André Eisermann (47) kam als Sohn eines Schausteller-Ehepaares zur Welt und zog mit den Eltern von Rummelplatz zu Rummelplatz, bevor er eine Schauspieler- Ausbildung an der Münchner Falckenbergschule absolvierte. Bekannt wurde Eisermann durch seine Hauptrolle in den Kinofilmen Kaspar Hauser und Schlafes Bruder, der für den Golden Globe nominiert wurde.

Goethe.Werther.Eisermann, "spoken word performance" am Montag, 13. April, 20 Uhr in der Steinhalle ; Vorverkauf: Buchhandlung Sillmann und Tourist Information am Bahnhof.

von wal
am Do, 09. April 2015

Badens beste Erlebnisse