Radelnd durch die Region

Gut im Tritt mit Bergblick – unterwegs auf dem Badischen Weinradweg (Teil 2)

Ganze 460 Kilometer führt der Badische Weinradweg in acht Etappen durch neun Weinbaugebiete – drei davon nehmen wir im Selbsttest unter die Räder.

Einfahrt Schallstadt, letzter Markgräflerstandort, 15.30 Uhr. Tachostand: 45 Kilometer inklusive Kurparkabstecher Bad Krozingen und einiger Fahrverwirrungen. Bewältigte Höhenmeter: 430. Gemütszustand: Entspannt dank E-Bike-Rückenwind – und gespannt, was die Fahrt rund um den Tuniberg und durch das Spätburgundergebiet noch alles bringt.

Die Zeit galoppiert weg wie eine Herde Wildpferde

Erst einmal gilt: rollen lassen. Das Gelände gibt es zum Glück her. Denn vor lauter Museumsbesuch, zünftigem Vesper, Guck-mal-hier und Schau-mal-da ist die Zeit weggaloppiert wie eine Herde Wildpferde. Die liebe Zeit und der Dauerbetrieb haben mittlerweile leider auch den Handyakku ausgeknipst, das Navi ist verstummt. Gut, dass uns die analoge Übersichtskarte bleibt.

Wir passieren das Tuniberg-Schild, "Weingarten Freiburgs" ist darauf zu lesen – gerade noch. Denn ein Rosenstrauch verdeckt die Schrift, ein Kirschbaum kitzelt mit seinen Zweigen die Infotafel. Mengen und Munzingen, die Erentrudiskapelle fliegen vorbei, ebenso wie die Bälle auf dem nahegelegenen Golfplatz.

Beharrlich schiebt sich der Tuniberg ins Blickfeld

Beharrlich schiebt sich der 312 Meter hohe Tuniberg mit seinen Weinterrassen ins Blickfeld – und bleibt dort. Burgunderoase wird das mehr als 1000 Hektar große Anbaugebiet auch genannt. Eine Oase für die Augen mit viel Grün, gespickt mit rotem Mohn und Rosenstöcken ist der Tuniberg obendrein.

Weiß-, Grau- und Spätburgunder wachsen dort, machen 70 Prozent am gesamten Rebengut aus, und alleine auf die blaue Spätburgundertraube entfallen 52 Prozent. Grundlage für den fruchtbaren Tuniberger Boden ist eine Kalksteinbank aus der Jurazeit, später umhüllt von einem mächtigen Lössmantel.

Die Kelten kelterten Wein aus wilden Sorten

Zum guten Boden kommt die Weinkenntnis: Die lange Tradition des Weinbaus am Oberrhein datiert laut neuesten Untersuchungen sogar noch vor der Römerzeit. Die Kelten waren es wohl, die zuallererst Reben hatten und aus wilden Sorten Wein herstellten. Professionell wurde der Weinbau jedoch erst nach dem 3. Jahrhundert nach Christus, als römische Legionäre und Siedler ihre Anbaumethoden mit an den Tuniberg brachten.

Ein Aprilscherz und seine Folgen

Einen recht grimmigen Empfang bereitet der Attila-Kopf in Niederrimsingen. Riesig, ganze 2,50 Meter ragt er vor der Mehrzweckhalle aus dem Kopfsteinpflasterboden. Doch wie passt der Betonkopf des kriegerischen Hunnenkönigs aus der ungarischen Tiefebene ins Badische? Kreiert vom einheimischen Bildhauer Rainer Stiefvater erinnert der 25-’Tonner an die Sage, wonach auf dem Tuniberg das Grab von Attila, dem Hunnenkönig, gefunden worden sein soll. Daraus hat der ehemalige Vorstand der Winzergenossenschaft, Otto Fischer, 1955 einen Aprilscherz gemacht, einen gelungenen obendrein – und so wurde ganz nebenbei der Name für den Felsen samt Weinlage, der "Attilafelsen" erfunden.

Nach dem Niederrimsinger Ortsidyll lässt der Weinweg ein Baustoffwerk rechts liegen und eigentlich auch Merdingen. Doch dort machen wir die Biege, fahren ein in weindörfliche Beschaulichkeit, denn natürlich wollen wir nicht nur radeln, sondern das schmecken, was auf dem Tuniberg wächst – auch hier wieder nur ein kleiner Nipp, denn die 0,3-Promillegrenze gilt natürlich auch für Radfahrer.

Eine Flasche Wein für daheim

Ein guter Ort dafür ist das Weinhaus in Merdingen, und praktischerweise hat jede der acht Tuniberger Winzergenossenschaften ihren eigenen Weinhof. "Typisch für den Tuniberg ist sicherlich der Spätburgunder", erklärt Geschäftsführer Bertold Ehret und so wandert eine Flasche Merdinger Bühl Kabinett als Mitbringsel für zu Hause in die Gepäcktasche und ein Schluck ins Probierglas. Rubinfarben und ölig schimmert der Tropfen beim Schwenken, steigt erst beerig-fruchtig in die Nase und rollt schließlich weich, kräftig und vollmundig über den Gaumen: "Süßkirsche, Brombeeren und ein zarter Hauch von Cassis", analysiert Ehret den Geschmack. "Er ist als trockener Wein auch nicht zu herb."

Nach dem Pausenstopp kurbelt es sich entspannt weiter, trotz mittlerweile schon leicht erlahmter Tretmuskeln. Doch die Strecke ist eben, der Eco-Gang läuft mit und ein kurzer, letzter Blick zurück streift ihn noch einmal, den fruchtbaren Tuniberg, der auch noch Obst und Spargel hervorbringt. Und natürlich den Wein, der uns auch weiterhin Beine macht, in Richtung Kaiserstuhl, dem großen Bruder des Tunibergs.
Badischer Weinradweg, Infos und Kartenmaterial, auch digital, im Internet zu finden unter http://www.badische-weinstrasse.de
Den ersten Teil unserer Serie zum Badischen Weinradweg lesen Sie hier
von Anita Fertl
am So, 06. September 2020 um 07:00 Uhr

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