Vortrag

Historiker erzählt vom Aufschwung und Niedergang von vier Höfen im Glottertäler Ortsteil Ohrensbach

Rund 60 Höfe werden in Glottertal größtenteils im Nebenerwerb bewirtschaftet. Das war mal anders. Historiker Hoch spricht von tragischen Schicksalen und erfolgreichen Erfindungen.

Rund 60 Bauernhöfe stehen noch in Glottertal. Die meisten von ihnen werden zwar bewirtschaftet, die wenigsten allerdings im Vollerwerb. Während sie ihre Blütezeit in längst vergangenen Tagen erlebten, reichen ihre Geschichten bis in die Gegenwart. Der Glottertäler Historiker Bernhard Hoch berichtet in einem Vortrag in Denzlingen vom Aufschwung und Niedergang vier besonderer Höfe aus dem Ortsteil Ohrensbach.
Der Vortrag

Der Vortrag über die Geschichte der Höfe im Glottertäler Ortsteil Ohrensbach am Mittwoch, 22. Januar 2020, 9.30 Uhr, in der Denzlinger Rocca, Hauptstraße 134, kostet acht Euro Eintritt.

Der Rotburenhof
Der Rotburenhof ist mittlerweile Geschichte. Doch obwohl er einer Wohnhausbebauung weichen musste, hat er es geschafft, sich im Tal gewissermaßen zu verewigen – als Namensgeber für die Winzergenossenschaft Roter Bur, die seit rund 60 Jahren die Reben des Hofs bestellt. Geschichtsträchtig sei die Geschichte um dem Hof aber vor allem aus einen anderen Grund, sagt Bernhard Hoch: Denn 1933 verkaufte die damals hoch verschuldete Familie Ganter den Hof an eine jüdische Familie. Es war das Jahr, in dem Adolf Hitler an die Macht kam. Der Käufer Paul Geisenheimer floh wenige Jahre später in die Schweiz und schenkte den Hof seiner Frau. Die Nazis beschlagnahmten zwar den Hof, gaben ihn aber kurze Zeit wieder an die Familie zurück, da Geisenheimers Frau – sie war katholisch – ihren Namen mittlerweile abgelegt hatte, wie Hoch erklärt. Im Jahr 1959 verkaufte die Familie den Hof dann an die Gemeinde Ohrensbach. Neun Jahre zuvor hatte der ehemalige NS-Marinerichter und spätere Ministerpräsident Baden-Württembergs, Hans Filbinger, auf dem Hof Ingeborg Breuer geheiratet.
Zur Person

Bernhard Hoch (74) lebt im Glottertal und beschäftigt sich seit seiner Jugend mit der Ortsgeschichte. Er unterrichtete an der Schurhammerschule Geografie und Geschichte. Seine Quellen sind unter anderem das Glottertäler Gemeindearchiv, Interviews mit Zeitzeugen, alte Kirchenbücher und Briefe.


Der Kappmathisenhof
Seit gut 350 Jahren bewohnt und bewirtschaftet die Familie Kapp laut Hoch ununterbrochen den Kappmathisenhof. Vielleicht sogar länger, was aber nicht belegt werden könne, da im Jahr 1714 die Kirchenbücher der Gemeinde verbrannt seien. Dennoch: "Dass eine Familie für so eine lange Zeit ununterbrochen einen Hof bewirtschaftet, ist relativ selten", sagt Hoch. Die Familie habe traditionell viele Kinder gehabt, Anfang des 20. Jahrhunderts seien es 16 gewesen. Doch drei Söhne seien im Ersten Weltkrieg gefallen. Schließlich hat der jüngste Sohn den Hof geerbt, was zu der Zeit nicht ungewöhnlich gewesen sei. "Die Jüngsten wurden traditionell bevorzugt erzogen", sagt Hoch. "Oft haben sie gemeinsam mit dem Bauern und der Bäuerin im Stüble gespeist, während die älteren Kinder zusammen mit dem Mägden und Knechten essen mussten." Um die Erbfolge hinauszuzögern, hätten grundsätzlich die jüngsten Söhne in Glottertal den Hof übernommen haben. So sei der Generationenwechsel im Schnitt alle 40 anstatt alle 25 Jahre erfolgt. Ausnahmen wurden nur bei verschuldeten Höfen gemacht: Dann erbte die Tochter ihn – in der Hoffnung, dass sie einen reichen Mann heiratet, der den Hof wieder auf Vordermann bringt.

Der Wahlenhof
Katharina Rieder, nach der das geplante Pflegehaus in Glottertal benannt werden soll, hatte den Wahlenhof 1896 geerbt, nachdem ihre vier Brüder gestorben waren und sie als einziges Kind übrig blieb. Doch sie entschied sich, den Hof an die Familie Wisser zu verkaufen und ins Kloster zu gehen. Aus dem Erlös für den Hausverkauf stiftete sie 10 000 Mark für den Bau der Glottertäler Kirche. Auch baute sie von dem Geld das Schwesternhaus, in dem sie später als erste Glottertäler Krankenschwester tätig war. Als auch in der Folgezeit der wirtschaftliche Aufschwung des Hofs ausblieb, wanderten zwei Söhne der Familie Wisser nach Brasilien aus, wie Hoch erzählt. "Das war um 1920. Die USA waren aufgrund der Wirtschaftskrise nicht mehr so begehrt, und in Brasilien konnte man billig Land kaufen." Die Verbindungen von Glottertal nach Brasilien hätten noch bis zum heutigen Tag Bestand, so Hoch.

Der Kappenhof
"Der Kappenhof war für sein Obst bekannt", sagt Hoch. Zwischen 1890 und 1905 erlebte der Hof seine Blütezeit – im wahrsten Sinne des Wortes. Christian Kapp fuhr seine Äpfel nach Denzlingen und von dort mit dem Zug nach Karlsruhe, um es auf Messen zu präsentieren. Mehr als Hundert Obstsorten habe er dort ausgestellt. "Doch Kapp war nicht nur ein genialer Obstbauer, sondern auch ein Erfinder", sagt Hoch. Er habe ein Gefällmesser entwickelt, um Gräben anzulegen. Berühmt wurde er aber, weil er eine Lenkvorrichtung für große Holzwagen entworfen hatte. Über einen nach Amerika ausgewanderten Hirtenjungen hatte er sogar versucht, seine Erfindung jenseits des Atlantik zu bewerben. Mit mäßigem Erfolg.

Am Ende sei Kapp völlig verarmt gestorben, sagt Hoch. Der Ehevertrag mit seiner Frau besagte, dass deren Geschwister die Hälfte des Hofs erben, wenn sie kinderlos sterbe. Und so war Kapp nach dem Tod seiner Frau gezwungen, den Hof zu verkaufen. Diese Notsituation habe ein Sektenangehöriger ausgenutzt und Kapp am Ende um den Hof betrogen.

Mehr zum Thema:
von Sebastian Krüger
am Di, 21. Januar 2020 um 12:43 Uhr

Badens beste Erlebnisse