Vortrag in Denzlingen

In 17 Monaten mit dem Motorrad um die Welt

40 Jahre lang hat Rolf Lange nur Pauschalurlaube in Europa gemacht. Dann kündigt er Job und Wohnung und heizt mit seinem Motorrad um die Welt. In Denzlingen erzählt er von den 17 Monaten "on the road".

BZ: Herr Lange, Sie haben 42 Länder auf fünf Kontinenten bereist. Was davon ist am Ende hängen geblieben?

Lange: Erstens habe ich bemerkt, dass in meinem Innersten etwas passiert ist, weil ich meine Komfortzone verlassen und mein Leben radikal geändert habe. Ich war nie ein großer Abenteurer, habe meist Pauschalurlaube in Europa gemacht. Dass ich aus meinem bürgerlichen, gemütlichen Leben in München ausgebrochen bin, ließ mich wachsen und gelassener werden. Zweitens hat sich mein Blick auf die Welt verändert. In den Medien stehen meist nur dramatische Nachrichten. Alles scheint immer schlimmer zu werden. Doch die Reise hat mir das Gegenteil gezeigt. Wir leben in einer schönen Welt.

"Die Welt besteht nicht nur aus negativen Schlagzeilen, aus Klimawandel und dem Unterschied zwischen Arm und Reich."
BZ: Angesichts von Klimawandel, Artensterben, zunehmender Ungleichheit, Flucht und Krieg überrascht Ihr Eindruck, die Welt sei schön.

Lange: Für mich ist die Welt schöner geworden, weil ich gastfreundliche, neugierige und offenherzige Menschen kennengelernt habe. Das steigert meine Lebensqualität. Es ist richtig, dass einiges aus den Fugen geraten ist. Doch die Welt besteht nicht nur aus negativen Schlagzeilen, aus Klimawandel und dem Unterschied zwischen Arm und Reich. Auch arme Länder machen Fortschritte. Die Kindersterblichkeit geht weltweit zurück. In Afrika entsteht langsam, aber stetig eine Mittelschicht. Botswana ist weniger korrupt wie manch europäisches Land und investiert viel Geld in Bildung und Gesundheit.
Der Vortrag

Der Vortrag "Die große Ausfahrt – 17 Monate um die Welt. Acht Geschichten aus der Ferne. Acht Erkenntnisse für Daheim" beginnt am Sonntag, 19. Januar 2020, um 18 Uhr im Kultur- und Bürgerhaus Denzlingen. Er ist Teil der Mundologia-Reihe.

BZ: Was hat Sie dazu bewogen, Job und Wohnung zu kündigen und um die Welt zu reisen?

Lange: Ich habe 2010 meinen Motorrad-Führerschein gemacht und ein Jahr später meinen besten Freund besucht, der zu der Zeit in San Francisco lebte. Zusammen machten wir einen zweiwöchigen Roadtrip durch Kalifornien und Nevada. So habe ich diese Art zu reisen für mich entdeckt: mein Gepäck aufs Minimum reduzieren und morgens nicht wissen, wo ich abends übernachte. Ich habe gemerkt, dass ich mich viel besser erholen kann, wenn ich viel unterwegs bin und Neues erlebe. Allerdings waren zwei Wochen viel zu wenig, um sich auf das Leben ’on the road’ einzulassen. Also entschlossen wir uns, eine Auszeit zu nehmen und das volle Programm durchzuziehen.
Zur Person

Rolf Lange, 43, wohnt in München, wo er auch geboren und aufgewachsen ist. Er ist verheiratet, hat keine Kinder und arbeitet als Geschäftsführer einer Münchener Digitalagentur. Vor seiner Reise war er in der Werbebranche tätig.

BZ: Wie schwer fiel es Ihnen, sich nach der Reise in Ihrem geregelten, bürgerlichen Leben zurechtzufinden?

Lange: Ich hatte mir für meine Reise kein Zeitlimit gesetzt und sie erst beendet, als ich wieder heimkehren wollte. Das war Weihnachten 2015, ich habe zu keiner Zeit damit gehadert, wieder nach Hause zu kommen. Entscheidend war, dass ich vor meiner Reise wusste, dass ich anschließend nicht von Null auf Hundert durchstarte. Das habe ich finanziell eingeplant und erst ein halbes Jahr später wieder eine Arbeit aufgenommen. Bis dahin habe ich an meinen Vorträgen gearbeitet, mich in der Flüchtlingshilfe engagiert und etwas Geld als Freelancer verdient. Nach dieser Zwischenzeit hatte ich mich dann richtig auf meinen neuen Job gefreut.


"Ich hatte mir für meine Reise kein Zeitlimit gesetzt und sie erst beendet, als ich wieder heimkehren wollte."
BZ: Haben Sie vor Ihrer Reise auch Angst verspürt?

Lange: Zu Beginn war ich unerfahren, hatte 30 000 Kilometer Motorradstrecke vor mir und war – mit Ausnahme der USA – noch nie im außereuropäischen Ausland gewesen. Ich hatte keine Angst, aber viel Respekt: Wie funktioniere ich dort? Wie läuft es mit der Sprache? Habe ich genügend Ausdauer? Schließlich wollte ich Pässe im Himalaya in 5000 Metern Höhe überwinden. Auch bin ich kein Mechaniker. Mein Motorrad hätte ich notfalls nicht alleine reparieren können. Doch mit jedem Tag auf der Reise verschwanden die Bedenken.

BZ: Sie wollen in rund hundert Minuten über anderthalb Jahre referieren. Was werden Sie erzählen?

Lange: Ich habe mir acht Geschichten herausgepickt, die bestimmte Eigenschaften in den Mittelpunkt stellen, die für mich auf meiner Reise wichtig waren. Die Titel meiner Kapitel lauten: Mut, Neugier, Zuversicht, Gelassenheit, Vertrauen, Offenheit, Zeit und Lächeln.

"Ich habe alleine reisen als Geschenk empfunden"
BZ: Können Sie mir ein Beispiel nennen?

Lange: Das Kapitel Zuversicht spielt in Kirgistan. Es handelt davon, wie mein Freund und ich nach einer langen Fahrt eine Hochebene erreichten. Wir wussten nicht, was uns erwartet. Plötzlich wurde es dunkel und es begann zu schneien. Alle 300 Meter standen Jurten – umgeben von Schafherden. Wir dachten, wenn wir hier unser Zelt aufschlagen, campen wir quasi im Vorgarten der Menschen – das geht doch nicht. Also ging ich auf einen Hirten zu, war aber nervös, weil es noch der Beginn der Reise und ich noch nicht so kontaktfreudig war. Wenige Minuten später standen wir in seiner Jurte, wurden mit frisch gefangenem Fisch und gegrilltem Yakfleisch verwöhnt. Später haben wir auf enger Fläche mit der gesamten Familie übernachtet und am nächsten Morgen durften wir auf deren Pferden reiten, während ihre Kinder auf unseren Motorrädern kletterten. Verständigt haben wir uns mit Händen und Füßen. Das reicht oft, um mit Menschen in Kontakt zu kommen und gemeinsam zu lachen. Die Geschichte zeigte mir, dass man mit voller Zuversicht Fremde um Hilfe fragen kann und dabei oft mehr bekommt, als man erwartet.



"Verständigt haben wir uns mit Händen und Füßen. Das reicht oft, um mit Menschen in Kontakt zu kommen und gemeinsam zu lachen."
BZ: Sie sind zu zweit gestartet, waren später aber alleine unterwegs. Warum?
Lange: Weil mein bester Kumpel sich nach der Hälfte der Zeit verliebt hat. Seine Reise endete quasi in Malaysia.



BZ: Fühlten Sie sich danach einsam?

Lange: Von Malaysia flog ich nach Südamerika. Weil ich kein Spanisch spreche, konnte ich mich auch dort oft nur mit Händen und Füßen verständigen. Irgendwann fehlten mir die tiefen Dialoge und ich fühlte mich einsam. Ähnlich war es in den dünn besiedelten Savannen- und Wüstenregionen Namibias und Botswanas. Die Einsamkeit dort hat aber auch Vorteile: Man kann überall campen und hat viel Zeit zum Nachdenken. Deswegen habe ich das alleine Reisen irgendwann als Geschenk empfunden. Auch war ich gezwungen, vorsichtiger zu fahren. Schließlich wollte ich nicht irgendwo in der Pampa stürzen. Zu zweit ist man nicht so exponiert, es ist vielleicht lustiger, man fühlt sich sicherer und kann sich immer absprechen – man lernt aber auch weniger Menschen kennen.

BZ: Sie haben oft in der Wildnis gecampt?

Lange: In den Städten habe ich mir meist günstige Mehrbettzimmer gesucht, in den ländlichen Gebieten, vor allem in Afrika, habe ich dann gezeltet und die Atmosphäre genossen, wenn ich abends alleine vor meinem Zelt ein Lagerfeuer gemacht und mir den klaren Sternenhimmel angeschaut habe.



"Während eines Tagesausflugs habe ich Bananen in meinem Zelt liegen lassen. Als ich abends zurück kam, war es eingerissen, die Bananen geklaut. Ein grober Anfängerfehler."
BZ: Hatten Sie keine Angst vor Tieren?
Lange: Anfangs schon, aber ich habe mich in der Regel vorher bei Einheimischen erkundigt. In fünf Monaten Afrika habe ich keinen einzigen Löwen gesehen – leider. Wobei ich abends vor meinem Zelt auch nicht so gerne einem begegnet wäre (lacht). Dafür hatte ich ein nerviges Erlebnis mit Affen. Während eines Tagesausflugs habe ich Bananen in meinem Zelt liegen lassen. Als ich abends zurück kam, war es eingerissen, die Bananen geklaut. Ein grober Anfängerfehler (lacht).

BZ: Was ist das Besondere, wenn man mit dem Motorrad reist?

Lange: Die Etappen fühlen sich nicht an wie ein Pflichtprogramm. Der Weg ist das Ziel. Kommt man schließlich an, erregt man Aufsehen, ist aber sofort unter Menschen, sobald man seinen Helm abzieht. Man ist nicht so anonym wie in einem Auto, aber auch weniger geschützt. Aber manche Etappen über schlammigen oder tiefsandigen Untergrund sind auch verdammt anstrengend.
von Sebastian Krüger
am Mi, 15. Januar 2020 um 07:15 Uhr

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