Kräuterspaziergang

In vielen Wildkräutern steckt mehr, als man denkt

Gänseblümchen, Taubnesseln und Spitzwegerich wachsen meist unbeachtet, dabei haben diese Wildkräuter Superkräfte. Bei einer Kräuterführung kann man mehr über ihre Wirkung erfahren.

Einst wussten nur Kräuterhexen, wie sich Wildpflanzen und Kräuter richtig einsetzen lassen. Heute gibt es viele Möglichkeiten, mehr über ihre Wirkung zu lernen, beispielsweise bei einer geführten Tour. Seit 17 Jahren bietet die Heilpflanzenexpertin Claudia Kutschera aus Amoltern Kräuterspaziergänge an. Ein Besuch am Kaiserstuhl.

"Weiß jemand, was das ist?", fragt Claudia Kutschera und hält eine zarte Pflanze mit kleinen weißen Blüten in die Höhe. Interessiert nimmt eine Kursteilnehmerin neben ihr die Stängel entgegen und betrachtet sie. Viel Zeit, um zu überlegen, bleibt ihr nicht. "Waldmeister", ruft da schon eine Frau mittleren Alters von rechts. Kutschera lächelt und nickt. In einem großen Kreis steht die Gruppe auf dem Friedhofsparkplatz im Endinger Ortsteil Amoltern und hört der Kräuterexpertin mit den kurzen grauen Haaren zu. Kutschera erklärt, dass der Waldmeister nicht nur gut in eine Bowle passt, sondern als Tee auch Migräne und Kopfschmerzen lindert. "Ich habe daraus auch schon Sirup gemacht", sagt eine der Frauen.

Seit 2008 gibt es einen Kräuterpfad in Amoltern

Wie viele der anderen kennt sie Claudia Kutschera schon jahrelang. Regelmäßig seien sie und ihre Tochter bei den Kursen dabei. Beide arbeiten an Schulen und geben ihr erlerntes Kräuterwissen dann an die Schülerinnen und Schüler sowie Kinder und Enkelkinder weiter. "Mein Enkel erzählt immer allen, was man in der Natur essen kann. Er sagt aber auch gerne: Das kannst du essen, aber nur einmal", sagt sie und lacht.

Kutschera sucht immer wieder neue Routen aus. An diesem Dienstag geht es auf die Amolterer Heide. Auf die führt seit 2008 der Kräuterpfad. Unterwegs will sie mit der Gruppe Kräuter für eine Frühlingssuppe sammeln. Mit einer Stofftasche für die Fundstücke machen wir uns auf den Weg. Nach wenigen Schritten legen wir prompt schon den ersten Stopp ein. Ein grüner Teppich bedeckt den Waldboden. Zwischen den kräftigen Blättern führt ein kleiner Trampelpfad den Hang hinauf. Hier wächst etwas, das viele Fans hat: der Bärlauch.

Egal ob als Pesto, im Risotto oder im Salat: Der Waldknoblauch sorgt in Speisen für Würze. Er hat aber auch in der Hausapotheke seinen Platz. "Bärlauch ist entzündungshemmend, reinigt Magen und Darm und ist selbst ein Antibiotikum", erklärt Kutschera. Ihre Tipps: Grundsätzlich ist das Bärlauchsammeln erlaubt, denn er steht nicht unter Naturschutz. Trotzdem sollte nie mehr gesammelt werden, als man an einem Tag verbrauchen könne und auch nur dort, wo besonders viel wachse. "Gibt es da nur ein paar Blättchen, dann lasst sie stehen", sagt die Kaiserstühlerin.

Nicht an Straßen und Wegen sammeln

Wegen Abgasen, Spritzmitteln oder dem Fuchsbandwurm sollte nicht direkt neben Straßen und Wegen gesammelt werden – auch nicht neben Trampelpfaden. "Auch Füchse nehmen sie. Die laufen nicht mitten durch den Bärlauch", erklärt Kutschera. Aber aufgepasst: Bärlauch kann mit den giftigen Maiglöckchen, dem Aronstab oder der Herbstzeitlosen verwechselt werden. Kutschera pflückt eines der Blätter ab und dreht es. "Bärlauch hat eine matte Unterseite und es wächst je nur ein Blatt aus dem Boden", erzählt sie. Sie rät deshalb dazu, die Blätter einzeln zu pflücken und genau anzuschauen.
Weitere Infos: Claudia Kutschera bietet ihre Kurse mit Kräuterspaziergängen immer dienstags und donnerstags um 18 Uhr und mittwochs um 18.30 Uhr an. Es sind noch Plätze frei. Infos und Anmeldung unter 07642/931244.

Wer mit Claudia Kutschera unterwegs ist, der richtet seinen Blick meist nach unten. Bei ihr steht im Fokus, woran andere einfach vorbeigehen würden. Schon wenige Meter, nachdem der Wald mit dem Bärlauchmeer sich lichtet, entdeckt sie die nächsten Wildkräuter: Gänseblümchen, Löwenzahn, Wiesenschaumkraut. Die sorgen für Farbtupfer im Gras zwischen den Rebstöcken und sind vielseitig einsetzbar. Als Tee regen Gänseblümchen die Verdauung an oder unterstützen als Salbe die Wundheilung. Wiesenschaumkraut wiederum stärkt Leber und Nieren. "Und Löwenzahn ist lecker im Salat", sagt eine der jüngsten Frauen in der Runde. Kutschera nickt und ergänzt: "Die Blätter wirken mehr aquaretisch, also regen die Niere dazu an, mehr Wasser auszuscheiden, und die Blüten wirken mehr auf Galle und Leber. Besonders im Blütenboden sind viele Bitterstoffe."

Der Spitzwegerich hilft bei Mückenstichen und Blasen

Rund eine Stunde ist unsere Gruppe bereits unterwegs. Unbemerkt ist die Sonne hinter den Vogesen verschwunden und es wird deutlich kühler. Munter plaudernd gehen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer weiter den Weg bergauf.

Die nächste Heilpflanze, die wir entdecken, ist eher unscheinbar: der Spitzwegerich. "Wie die Schafgarbe gehört er zur Wiesenwundapotheke, aber auch zu den Bronchialpflanzen", erklärt Kutschera. Diese Pflanzenart helfe nicht nur äußerlich bei Mückenstichen oder Blasen, sondern auch bei Husten. "Die Schleimstoffe bilden einen Film, der sich über die Haut oder die Schleimhäute der Atemwege legt", sagt die Pflanzenexpertin.

Nach anderthalb Stunden und gemütlichen 1,5 Kilometern erreichen wir die Heide. Inzwischen ist die Stofftasche, die eine der Teilnehmerinnen über der Schulter trägt, gut gefüllt. "Ich habe euch hier schon alles gerichtet", sagt Kutschera und deutet auf einen Tisch mit Schneidebrettern und Messern. Vorab hat sie alles mit dem Auto hergefahren. Nur die vorbereitete Kartoffel-Lauch-Suppe bringt ihr Mann Marc gerade, als wir eintreffen. Nach und nach bedienen sich alle aus dem großen Topf und streuen die zerkleinerten frischen Kräuter über ihre Suppe. So sieht sie hübsch aus und schmeckt würzig. Der Bärlauch und das Wiesenschaumkraut geben ihr eine angenehme Schärfe. "Das ist eine typische Grüne Neune Suppe", sagt Kutschera und nimmt sich selbst eine der Suppenschüsseln.
Kräuterführungen in der Region

  • S’ Kräuterwieble: Kräuterwanderungen mit anschließendem Wildkräuter-Menü in St. Märgen, Infos unter: http://www.krauterwieble.de
von Annika Sindlinger
am So, 24. April 2022 um 10:00 Uhr

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