Interview
Jochen Malmsheimer über mentale Frische und Lachen im Alltag
Eine "gewisse Grundfröhlichkeit" bringe er mit, sagt der Bochumer Kabarettist Jochen Malmsheimer. Und das sei in seinem Metier auch gut so. Von sinnfrei bis poetisch sind die Geschichten, die der 53-Jährige auf der Bühne zum Besten gibt – am 14. April will er das Publikum auf Einladung des Vorderhauses sogar im Freiburger Konzerthaus unterhalten. Heidi Ossenberg sprach mit ihm.
Ticket: Herr Malmsheimer, das was wir hier
gerade tun, ist ein Phoner – früher sagte man Telefoninterview dazu. Würde das Wort Phoner Platz in einem Ihrer Programme finden?
Malmsheimer: Ich glaube, ich würde Ausschlag bekommen, bevor ich das überhaupt sagen könnte. Aber okay, Phoner ist ja nichts anderes als Töner, damit lassen sich auch Körpergeräusche gut umschreiben... Ich finde das ganz furchtbar.
Ticket: Georg Schramm hat Sie mal Wort-Titan genannt. Woher nehmen Sie die Ideen für Ihre Wortschöpfungen?
Malmsheimer: Halten Sie sich fest: Ich lese viel und gehe mit offenen Augen und Ohren durch die Welt. Zuhören und Angucken – das hilft sehr.
Ticket: Was lesen Sie denn?
Malmsheimer: Alles. Ich bin zudem gelernter Buchhändler, was die Sache erschwert. Aber schon meine Eltern haben dafür gesorgt, dass wir Kinder Zugang zu Büchern hatten. Dafür bin ich ihnen bis heute sehr dankbar.
Ticket: Sie spielen nicht, wie viele Ihrer Kollegen, ein Soloprogramm ab und schreiben dann das nächste, sondern behalten sie im Repertoire. Warum?
Malmsheimer: Damit man nicht blöd wird. Wenn ich jeden Abend dasselbe sagen müsste, wäre das unerträglich. So erhält sich mir hoffentlich eine gewisse mentale Frische. Es macht mir auch Spaß – und Altes ist nicht schlecht, nur weil es alt ist.
Ticket: Sie sagen mentale Frische – das finde ich sehr untertrieben: Wie können Sie sich die Texte alle merken?
Malmsheimer: Ha! Ich merke mir das nicht alles, ich habe viel aufgeschrieben und lese dann ab und außerdem: Es übt! Es übt! Darum habe wir ja in der Schule auch die furchtbaren Gedichte auswendig lernen müssen, weil das übt!
Ticket: Wann gehen Sie ein neues Programm an?
Malmsheimer: Das aktuelle muss noch so eineinhalb Jahre halten.
Ticket: Ich habe gelesen, dass es für Sie eher eine Qual ist, so ein neues Programm zu schreiben.
Malmsheimer: Ja natürlich. Für jeden, der kreativ sein muss, ist der Schaffensprozess alles andere als glücklich, glaube ich. Das Ergebnis ist dann toll, da freut man sich, ist erleichtert. Aber die Geburt ist – ha! schmerzhaft!
Ticket: Vor vielen Jahren, als Sie zuerst in Freiburg im Vorderhaus auftraten, geschah das vor sehr wenig Publikum. Nun treten Sie an, auf Einladung des Vorderhauses das Freiburger Konzerthaus zu füllen. Was ist passiert?
Malmsheimer: Die haben gesagt, ich soll dahin! Ähnlich wie Sie bin ich da sehr unzuversichtlich... Aber da ich es gewöhnt bin, vor Möbeln zu spielen, kann mich das nicht schrecken: Ich nehme es als Herausforderung (kichert).
Ticket: Ach, so skeptisch bin ich gar nicht. Ihre Bekanntheit ist ja durch das Fernsehen sehr gewachsen. Auf Ihrer Homepage schreiben Sie jedoch, dass sie "bewusst selten" im Fernsehen zu sehen sind. Sie treten also immer noch lieber direkt vor Publikum auf als im Fernsehstudio?
Malmsheimer: Das sowieso. Das Entscheidende aber ist, dass das Fernsehen ein optisches Medium ist, ich aber eher ein akustisches Phänomen bin. Im Fernsehen gibt es zudem immer nur wenig Zeit. Ich nenne mein eigenes Schaffen "episches Kabarett"; da steht Epos drin, Sage, Erzählung, und ich sage und erzähle viel! Und das braucht seine Zeit. Ich schätze das auch sehr und habe keinen Bock, ständig mit der Schere im Kopf Striche machen zu müssen; jedes Wort was ich rausdrücke, das liebe ich, das gehört da hin, das muss auch gesagt werden. Und das ist beim Fernsehen eben extrem schwierig. Natürlich habe ich mich sehr gefreut, in der "Anstalt" mit den großartigen Menschen zusammen zu arbeiten. Das hat viel Spaß gemacht, und da habe ich viel gelernt. Aber meine Liebe gehört der Bühne, die ich so gestalten kann, wie ich das möchte.
Ticket: Auf der Bühne erzählen Sie irre Alltagsgeschichten. Können Sie auch persönlich über Alltägliches lachen?
Malmsheimer: Ich habe einen wohl etwas verschrobenen Humor – und ich erzähle grundsätzlich Dinge, die ich selber lustig finde. In der Hoffnung, dass andere das auch komisch finden. Was oft klappt, wenn auch nicht immer. Ich merke, ich werde immer noch ein bisschen schräger (kichert). Ich ziehe da sehr viel gute Stimmung für mich persönlich raus.
Ticket: Sie klingen wie ein richtig fröhlicher Mensch!
Malmsheimer: Ich glaube, das ist nicht verkehrt, wenn man Komiker sein will, dass man eine gewisse Grundfröhlichkeit mitbringt.
Ticket: Gibt es auch Dinge, über die Sie sich Sorgen machen?
Malmsheimer: Ja natürlich, ich mache mir unglaubliche Sorgen: über die vielen Nazis in diesem Land, die vielen Idioten, Ferngesteuerten und Schwachmaten, denen ich tagtäglich begegnen muss und die die Zukunft meiner Kinder bedrohen. Ich mache mir Sorgen, dass Leute, die woanders herkommen, hier stigmatisiert und verprügelt werden. Das treibt mich unheimlich um. Die Frage ist, wie man dem begegnet mit den Mitteln, die man zu Gebote hat. Deshalb habe ich mich in dem neuen Programm sehr mit dem Begriff Toleranz auseinander gesetzt.
Termin: Freiburg, Jochen Malmsheimer: "Flieg Fisch, lies und gesunde", Konzerthaus, Di, 14. April, 20 Uhr; Info: BZ-Kartenservice: Tel. 0761/4968888 von hoss
Malmsheimer: Ich glaube, ich würde Ausschlag bekommen, bevor ich das überhaupt sagen könnte. Aber okay, Phoner ist ja nichts anderes als Töner, damit lassen sich auch Körpergeräusche gut umschreiben... Ich finde das ganz furchtbar.
Ticket: Georg Schramm hat Sie mal Wort-Titan genannt. Woher nehmen Sie die Ideen für Ihre Wortschöpfungen?
Malmsheimer: Halten Sie sich fest: Ich lese viel und gehe mit offenen Augen und Ohren durch die Welt. Zuhören und Angucken – das hilft sehr.
Ticket: Was lesen Sie denn?
Malmsheimer: Alles. Ich bin zudem gelernter Buchhändler, was die Sache erschwert. Aber schon meine Eltern haben dafür gesorgt, dass wir Kinder Zugang zu Büchern hatten. Dafür bin ich ihnen bis heute sehr dankbar.
Ticket: Sie spielen nicht, wie viele Ihrer Kollegen, ein Soloprogramm ab und schreiben dann das nächste, sondern behalten sie im Repertoire. Warum?
Malmsheimer: Damit man nicht blöd wird. Wenn ich jeden Abend dasselbe sagen müsste, wäre das unerträglich. So erhält sich mir hoffentlich eine gewisse mentale Frische. Es macht mir auch Spaß – und Altes ist nicht schlecht, nur weil es alt ist.
Ticket: Sie sagen mentale Frische – das finde ich sehr untertrieben: Wie können Sie sich die Texte alle merken?
Malmsheimer: Ha! Ich merke mir das nicht alles, ich habe viel aufgeschrieben und lese dann ab und außerdem: Es übt! Es übt! Darum habe wir ja in der Schule auch die furchtbaren Gedichte auswendig lernen müssen, weil das übt!
Ticket: Wann gehen Sie ein neues Programm an?
Malmsheimer: Das aktuelle muss noch so eineinhalb Jahre halten.
Ticket: Ich habe gelesen, dass es für Sie eher eine Qual ist, so ein neues Programm zu schreiben.
Malmsheimer: Ja natürlich. Für jeden, der kreativ sein muss, ist der Schaffensprozess alles andere als glücklich, glaube ich. Das Ergebnis ist dann toll, da freut man sich, ist erleichtert. Aber die Geburt ist – ha! schmerzhaft!
Ticket: Vor vielen Jahren, als Sie zuerst in Freiburg im Vorderhaus auftraten, geschah das vor sehr wenig Publikum. Nun treten Sie an, auf Einladung des Vorderhauses das Freiburger Konzerthaus zu füllen. Was ist passiert?
Malmsheimer: Die haben gesagt, ich soll dahin! Ähnlich wie Sie bin ich da sehr unzuversichtlich... Aber da ich es gewöhnt bin, vor Möbeln zu spielen, kann mich das nicht schrecken: Ich nehme es als Herausforderung (kichert).
Ticket: Ach, so skeptisch bin ich gar nicht. Ihre Bekanntheit ist ja durch das Fernsehen sehr gewachsen. Auf Ihrer Homepage schreiben Sie jedoch, dass sie "bewusst selten" im Fernsehen zu sehen sind. Sie treten also immer noch lieber direkt vor Publikum auf als im Fernsehstudio?
Malmsheimer: Das sowieso. Das Entscheidende aber ist, dass das Fernsehen ein optisches Medium ist, ich aber eher ein akustisches Phänomen bin. Im Fernsehen gibt es zudem immer nur wenig Zeit. Ich nenne mein eigenes Schaffen "episches Kabarett"; da steht Epos drin, Sage, Erzählung, und ich sage und erzähle viel! Und das braucht seine Zeit. Ich schätze das auch sehr und habe keinen Bock, ständig mit der Schere im Kopf Striche machen zu müssen; jedes Wort was ich rausdrücke, das liebe ich, das gehört da hin, das muss auch gesagt werden. Und das ist beim Fernsehen eben extrem schwierig. Natürlich habe ich mich sehr gefreut, in der "Anstalt" mit den großartigen Menschen zusammen zu arbeiten. Das hat viel Spaß gemacht, und da habe ich viel gelernt. Aber meine Liebe gehört der Bühne, die ich so gestalten kann, wie ich das möchte.
Ticket: Auf der Bühne erzählen Sie irre Alltagsgeschichten. Können Sie auch persönlich über Alltägliches lachen?
Malmsheimer: Ich habe einen wohl etwas verschrobenen Humor – und ich erzähle grundsätzlich Dinge, die ich selber lustig finde. In der Hoffnung, dass andere das auch komisch finden. Was oft klappt, wenn auch nicht immer. Ich merke, ich werde immer noch ein bisschen schräger (kichert). Ich ziehe da sehr viel gute Stimmung für mich persönlich raus.
Ticket: Sie klingen wie ein richtig fröhlicher Mensch!
Malmsheimer: Ich glaube, das ist nicht verkehrt, wenn man Komiker sein will, dass man eine gewisse Grundfröhlichkeit mitbringt.
Ticket: Gibt es auch Dinge, über die Sie sich Sorgen machen?
Malmsheimer: Ja natürlich, ich mache mir unglaubliche Sorgen: über die vielen Nazis in diesem Land, die vielen Idioten, Ferngesteuerten und Schwachmaten, denen ich tagtäglich begegnen muss und die die Zukunft meiner Kinder bedrohen. Ich mache mir Sorgen, dass Leute, die woanders herkommen, hier stigmatisiert und verprügelt werden. Das treibt mich unheimlich um. Die Frage ist, wie man dem begegnet mit den Mitteln, die man zu Gebote hat. Deshalb habe ich mich in dem neuen Programm sehr mit dem Begriff Toleranz auseinander gesetzt.
Termin: Freiburg, Jochen Malmsheimer: "Flieg Fisch, lies und gesunde", Konzerthaus, Di, 14. April, 20 Uhr; Info: BZ-Kartenservice: Tel. 0761/4968888 von hoss
am
So, 12. April 2015
JOCHEN MALSHEIMER
Jochen Malmsheimer (Jahrgang 1961) wuchs in Bochum auf. Er brach sein Studium der Germanistik und Geschichte ab und machte eine Buchhändlerlehre. In den 90er Jahren machte er gemeinsam mit Frank Goosen Kabarett, seit 2000 tritt er mit Soloprogrammen auf.
Autor: Hoss