Kino-Interview
Jörg Schüttauf über seine Rolle als Honecker-Double in "Vorwärts immer"
Als "Der Fahnder" wurde Jörg Schüttauf (55) in den 90er Jahren einem größeren Fernsehpublikum bekannt, danach erlebte man ihn als "Tatort"-Kommissar Fritz Dellwo. Im Kino fiel Schüttauf 2001 in dem Drama "Berlin is in Germany" auf. Seine Schauspielausbildung absolvierte er noch in der DDR, die 18 Jahre lang von Erich Honecker (1912–1994) geführt wurde. Damals hätte sich Schüttauf gewiss nicht träumen lassen, dass er eines Tages zu Honeckers Double wird – in der Kinokomödie "Vorwärts immer!", die kurz vor der Wende spielt. Markus Tschiedert traf Jörg Schüttauf zum Interview.
Ticket: Was war Ihr erster Gedanke, als man ihnen anbot, Erich Honecker zu spielen?
Jörg Schüttauf: Als ich zum Casting eingeladen wurde und das Drehbuch las, dachte ich: Mein Gott, wie kommen die denn auf mich – aber gut, ich probier’s! Also ging ich hin, und 14 Tage später hörte ich zu meiner Überraschung, dass ich es bin. Das war die gute Nachricht. Die schlechte: Du musst dir eine Glatze schneiden lassen. Das war aber erfreulich für mich, denn ich wollte auch mal anders aussehen.
Ticket: Konnten Sie denn gleich eine äußere Ähnlichkeit zwischen Honecker und Ihnen entdecken?
Schüttauf: Das war schon beim Casting, als man mir eine fremde Nase aufsetzte, eine schwarze Brille, Haarkranz und Hut. Damit habe ich mich dann auf dem Klo fotografiert und dachte: Das kann nicht wahr sein, das ist er! Und schon war auch die typische Honecker-Stimme da. Ich wusste gar nicht, dass ich das kann, weil ich es auch nie als Kind oder Jugendlicher versucht hatte, Honecker nachzumachen.
Ticket: Sie spielen in "Vorwärts immer!" einen Schauspieler, der nach der Wende sagt, dass er zu Ostzeiten doch privilegiert war, nun aber kein Engagement mehr bekäme. Konnten Sie sich da wiederfinden?
Schüttauf: Viele Schauspieler waren zu Ostzeiten in einer Theaterfamilie, und das hatte sich über Nacht verändert. Es kamen fremde Intendanten mit neuen Strukturen, Spielplänen und Vorstellungen von einem Theaterensemble. Ich kann aber sagen, dass ich davon überhaupt nichts mitbekommen hatte, weil ich schon ein halbes Jahr nach Mauerfall tatsächlich keinen Arbeitgeber mehr hatte. Ich sollte 1990 im Deutschen Theater in Berlin anfangen und hatte schon einen Vorvertrag. Aber durch den ganzen Wandel wurde ich irgendwie vergessen. Im Nachhinein betrachtet war das aber ein ganz großes Glück.
Ticket: Warum?
Schüttauf: Na, ich war plötzlich frei und noch jung und schön und ich sag mal so, nicht der Unbegabteste. Plötzlich hatte ich die Möglichkeit, für eine Vorabendserie in München zum Casting zu gehen. So bekam ich die Rolle für "Der Fahnder" und blieb fünf oder sechs Jahre in München.
Ticket: Sie sind mit Erich Honecker als Staatsführer der DDR quasi großgeworden. Wie haben Sie ihn wahrgenommen und erlebt?
Schüttauf: Man wusste ja nicht viel von ihm und hatte das auch gar nicht in Frage gestellt. Man kannte ihn ja nur mit seinen Anzügen und den Hut schwenkend zum 1. Mai-Feiertag, ein Mann, der immer das Gleiche sagte. Mir ging das auf gut Deutsch gesagt am Arsch vorbei wie die alten Leute im Zentralkomitee irgendwas beschlossen haben. Weder als Schüler noch als Lehrling tangierte mich das, und schon gar nicht als Student der Schauspielschule. Da interessierten mich die Theateraufführungen eher. Das war dann ein bisschen mein Biokosmos, den ich in der DDR hatte. Damit ging es mir in diesem Land gut, und ehrlich gesagt, bin ich nie auf die Idee gekommen, über den Zaun zu hüpfen.
Ticket: Hättest es in der DDR die Möglichkeit gegeben, wie im Film ein satirisches Theaterstück über Honecker aufführen zu können?
Schüttauf: So wie im Film wahrscheinlich nicht. Aber wir haben tatsächlich etwas Ähnliches gemacht. Das Stück hieß "Revisor oder Katze aus dem Sack" von Jürgen Groß, basierend auf das russische Stück "Der Revisor" von Nikolai Gogol über einen angeblichen Revisor, der die Funktionäre eines Dorfes aufschreckt, weil alle Dreck am Stecken haben. Groß übertrug das auf die Verhältnisse in der DDR. Wir kamen im Herbst 1988 bis zur Premiere. Danach wurde das Stück abgesetzt.
von tsc
Jörg Schüttauf: Als ich zum Casting eingeladen wurde und das Drehbuch las, dachte ich: Mein Gott, wie kommen die denn auf mich – aber gut, ich probier’s! Also ging ich hin, und 14 Tage später hörte ich zu meiner Überraschung, dass ich es bin. Das war die gute Nachricht. Die schlechte: Du musst dir eine Glatze schneiden lassen. Das war aber erfreulich für mich, denn ich wollte auch mal anders aussehen.
Ticket: Konnten Sie denn gleich eine äußere Ähnlichkeit zwischen Honecker und Ihnen entdecken?
Schüttauf: Das war schon beim Casting, als man mir eine fremde Nase aufsetzte, eine schwarze Brille, Haarkranz und Hut. Damit habe ich mich dann auf dem Klo fotografiert und dachte: Das kann nicht wahr sein, das ist er! Und schon war auch die typische Honecker-Stimme da. Ich wusste gar nicht, dass ich das kann, weil ich es auch nie als Kind oder Jugendlicher versucht hatte, Honecker nachzumachen.
Ticket: Sie spielen in "Vorwärts immer!" einen Schauspieler, der nach der Wende sagt, dass er zu Ostzeiten doch privilegiert war, nun aber kein Engagement mehr bekäme. Konnten Sie sich da wiederfinden?
Schüttauf: Viele Schauspieler waren zu Ostzeiten in einer Theaterfamilie, und das hatte sich über Nacht verändert. Es kamen fremde Intendanten mit neuen Strukturen, Spielplänen und Vorstellungen von einem Theaterensemble. Ich kann aber sagen, dass ich davon überhaupt nichts mitbekommen hatte, weil ich schon ein halbes Jahr nach Mauerfall tatsächlich keinen Arbeitgeber mehr hatte. Ich sollte 1990 im Deutschen Theater in Berlin anfangen und hatte schon einen Vorvertrag. Aber durch den ganzen Wandel wurde ich irgendwie vergessen. Im Nachhinein betrachtet war das aber ein ganz großes Glück.
Ticket: Warum?
Schüttauf: Na, ich war plötzlich frei und noch jung und schön und ich sag mal so, nicht der Unbegabteste. Plötzlich hatte ich die Möglichkeit, für eine Vorabendserie in München zum Casting zu gehen. So bekam ich die Rolle für "Der Fahnder" und blieb fünf oder sechs Jahre in München.
Ticket: Sie sind mit Erich Honecker als Staatsführer der DDR quasi großgeworden. Wie haben Sie ihn wahrgenommen und erlebt?
Schüttauf: Man wusste ja nicht viel von ihm und hatte das auch gar nicht in Frage gestellt. Man kannte ihn ja nur mit seinen Anzügen und den Hut schwenkend zum 1. Mai-Feiertag, ein Mann, der immer das Gleiche sagte. Mir ging das auf gut Deutsch gesagt am Arsch vorbei wie die alten Leute im Zentralkomitee irgendwas beschlossen haben. Weder als Schüler noch als Lehrling tangierte mich das, und schon gar nicht als Student der Schauspielschule. Da interessierten mich die Theateraufführungen eher. Das war dann ein bisschen mein Biokosmos, den ich in der DDR hatte. Damit ging es mir in diesem Land gut, und ehrlich gesagt, bin ich nie auf die Idee gekommen, über den Zaun zu hüpfen.
Ticket: Hättest es in der DDR die Möglichkeit gegeben, wie im Film ein satirisches Theaterstück über Honecker aufführen zu können?
Schüttauf: So wie im Film wahrscheinlich nicht. Aber wir haben tatsächlich etwas Ähnliches gemacht. Das Stück hieß "Revisor oder Katze aus dem Sack" von Jürgen Groß, basierend auf das russische Stück "Der Revisor" von Nikolai Gogol über einen angeblichen Revisor, der die Funktionäre eines Dorfes aufschreckt, weil alle Dreck am Stecken haben. Groß übertrug das auf die Verhältnisse in der DDR. Wir kamen im Herbst 1988 bis zur Premiere. Danach wurde das Stück abgesetzt.
von tsc
am
Fr, 13. Oktober 2017
Info
VORWÄRTS IMMER!
Regie: Franziska Meletzky
Mit Jörg Schüttauf, Josefine Preuß, Devid Striesow und anderen
98 Minuten, frei ab 12 Jahren
Die Story
Schauspieler Otto Wolf (Schüttauf) ist ein begnadeter Honecker-Imitator. Als seine Tochter (Preuß) im Herbst 1989 nach Leipzig zur Montagsdemo will und er erfährt, dass Honecker dort einen Panzeraufmarsch plant, schmuggelt er sich als Honecker verkleidet in Zentralkomitee ein.
Autor: bz