Wild werden

Höflicher Waschbär, verrücktes Schaf, betagter Dachs: Drei Kinderbücher mit tierischen Helden.

Ein sehr höflicher Waschbär, ein verrücktes Punk-Schaf und ein betagter Dachs – diese Kinderromane erzählen Abenteuer mit tierischen Helden.

Hieronymus
Abenteuer? Luki ist eher der Denkertyp: Super gut in der Schule und dank seiner überengagierten Mutter so durchstrukturiert, dass er gar keine Zeit für Freunde hätte, wenn es sie denn gäbe. Das ändert sich eines Nachmittags, als es an seiner Fensterscheibe scharrt: "Glitzernd schwarze Augen, dicke schwarze Brille, schmutzig weißer Pelz". Ein Waschbär. Noch dazu ein sprechender!

Die beiden sind Seelenverwandte: Wie Luki ist auch Hieronymus für andere ein Langweiler: zu brav, zu wissbegierig, zu vernünftig, völlig aus der Art geschlagen. "Haustier!", schimpfen ihn seine Geschwister. Sein Rudel will nichts von ihm wissen. Zwei Anti-Helden auf "Wie werde ich wild"-Mission? Zum Glück finden sie tatkräftige Unterstützer! Die vielfach ausgezeichnete Freiburger Autorin Annette Pehnt erzählt ihre turbulente Freundschaftsgeschichte vielschichtig, mit Witz und Feingefühl. Dabei geht es um nichts weniger als die Freiheit: Denn nur, wenn jeder er oder sie selbst sein darf, kann man zusammen über sich hinauswachsen.
Sofabanditen
In ihrem Debüt "Sofabanditen" lässt die Berlinerin Judith Kleinschmidt ihre ebenso widerborstige wie sensible Heldin Ada selbst erzählen: Die brütet gerade stinksauer im Möbelwagen vor der alten Wohnung, als die Fahrertür auffliegt, ein Schaf hinters Lenkrad springt und hektisch am Zündschloss fummelt. "Ist das eine Entführung?", will Ada wissen – und lässt sich entführen, weil sie auf Umzug und ihre Bestimmer-Eltern Null Komma Null Bock mehr hat. Diese Lilli ist aber auch ein Tausendsassa: Mit Nasenring, Zigarre zwischen den gelben Zähnen, ins mollige Fell ein Leopardenmuster rasiert – so rast diese liebenswert durchgeknallte Freiheitskämpferin mit Karacho zur Hühnerfabrik.

Wie Ada und Lilli in einer Kamikaze-Aktion die Hühner befreien, sich zoffen und wieder vertragen, aneinander gekuschelt auf der Laderampe schlafen, sich wilde Verfolgungsjagden leisten, Unterschlupf beim blassen Pepper in der alten Sternwarte finden und als beste Freundinnen ein unglaubliches Happy End erleben – das ist ein herzerwärmendes und sehr komisches Roadmovie.

Dachs im Dickicht

Mit vielen Zickzackwendungen, schrulligen Protagonisten und versponnenen Details erzählt die Moskauer Schriftstellerin Anna Starobinets ihren Tierkrimi "Dachs im Dickicht". Es beginnt in der Taverne Hohler Baum: Eben freut sich Kommissar Dachs bei Fliegenfliptail und gespicktem Rindenrücken auf den Winterschlaf, da erschüttert die Schreckensmeldung: "Hase ermordet!" die Waldgemeinschaft. Alle Indizien deuten auf Wolf. Zu einfach, sagen dem erfahrenen Kriminaler seine Schnurrhaare. Warum renoviert Witwe Hase schon Wolfs Höhle? Was hatte der hysterische Kojote zur Tatzeit auf der Lichtung zu suchen? Stimmt Käfer Karls Zeugenaussage? Dachs ermittelt im Team mit Pathologe Geier und Polizeipsychologin Maus. Sehr spannend und lustig! Band zwei erscheint im August.

Annette Pehnt: Hieronymus oder Wie man wild wird. Roman. Illustriert von Henrike Wilson. Hanser Verlag, München 2021. 128 Seiten, 13 Euro. Ab 8.
Judith Kleinschmidt: Sofabanditen oder Die verrückte Befreiung der Hühner. Roman. Illustriert von Barbara Jung. Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim Basel 2021. 170 Seiten, 12,95 Euro. Ab 7.
Anna Starobinets: Dachs im Dickicht – Ein Waldkrimi. Illustriert von Stefanie Jeschke. Aus dem Russischen von Christiane Pöhlmann. Fischer KJB Verlag, Frankfurt am Main 2021. 144 Seiten, 9 Euro. Ab 9.
von Marion Klötzer
am Di, 11. Mai 2021

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