Kurzweilige Stadtführung
Mephisto-Tour durch Staufen
Langsam und gebückt, etwas vor sich hinbrabbelnd, schlurft der alte Herr in den Innenhof. Dann bleibt er stocksteif stehen. Er stutzt und schaut uns argwöhnisch an, uns, die wir eine Stadtführung der besonderen Art gebucht haben, eine, die uns zurückführt ins tiefste Mittelalter und in eine Zeit, als Staufen noch keine Risse hatte – aber in der es nichtsdestotrotz doch mächtig brodelte hinter den Altstadtfassaden.
Und wer könnte davon besser erzählen als die Protagonisten selbst? Denn der gebückte Alte ist kein geringerer als der gescheiterte und vielstudierte Doctor Faust, ein Mann gewordenes Stück Weltliteratur sozusagen: "Da steh’ ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor", gibt er sich per Goethe-Zitat zu erkennen.
Leben kommt in das alte, gebückte Männlein, das mit dem Stock fuchtelnd auf Doctoren, Magister, Schreiber und Pfaffen schimpft, und: "Ich kenne weder Skrupel noch Zweifel, ich fürchte weder Hölle noch Teufel!" Bei letztgenanntem fällt Doctor Faust aber mit einem Mal wieder in sich zusammen, schleicht eingeschüchtert davon – und explodiert: Der verängstigte Alte macht wie vom wilden Affen gebissen einen Satz, verwandelt sich, enthüllt seinen feuerroten Mantel vor den verdutzten Gästen: Gestatten, Mephisto, der Teufel persönlich. Wir schrecken zurück. Was hat der Leibhaftige vor?
Zunächst lässt er sich diabolisch grinsend von einer Dame den roten Kragen richten, verspricht uns, manches über Staufen und seine Lieblingsseele Doctor Faust zu erzählen. "Wäre das ein Angebot?", fragt der charmante Ränkeschmied, der sich aufs Offertenmachen versteht und einst – nach Goethe – auch mit Doctor Faust einen Pakt schloss. Vor allem, wie der Handel damals tatsächlich geendet hat, will er uns erzählen.
Neugierig geworden, lassen wir uns mitnehmen auf die Reise in die Vergangenheit. Der Mann hinter den Masken ist der Theaterschauspieler Rainer G. Mannich, der sich nachfolgend gekonnt in die zweifache Schale wirft: Als Mephisto tänzelt er durch die Straßen, füttert sein Publikum mit Stadtgeschichte und diabolischem Grinsen, lockt, säuselt, zeigt sich – besonders rothaarigen Damen gegenüber – charmant ("meine Liebe, haben wir uns nicht in der Walburgisnacht gesehen?) oder grollt "über den Herren da oben". Als grüblerischer Faust erzählt er von seiner Karriere als Alchemist, die mit der Herstellung von Gold für die Herren Staufen gekrönt werden sollte. Schon einen Hut- und Manteldreh später wird er wieder zu Mephisto, der Teufel als Verwandlungskünstler.
Im Teufelsgalopp saust er durch die Gassen und die Jahrhunderte, offeriert erst Sekt, zwischendurch Kaffee, dort "wo ein höllisches Maschinchen am Werke ist und schwarzes Gold ausschenkt". Er wettert über die Kirche St. Martin und freut sich teuflisch, dass es den Pranger vor dem Rathaus immer noch gibt.
Vor dem Gasthaus Zum Löwen kommen wir ein weiteres Mal zu stehen. Dort soll, so sagen es selbst geschichtliche Fakten außerhalb des Romans, der historisch "echte" Doctor Faustus nach einer schrecklichen Explosion und mit verdrehtem Genick tot aufgefunden worden sein. Dabei habe ein mephistischer Gestank den Raum durchzogen. Ehrensache also, dass Doctor Faustus und der Teufel persönlich uns ihre Version der Geschichte erzählen.
Vor der Kulisse des Stubenhauses von 1429 darf dann – so viel Goethe kann jeder – ein Doctor Faust aus den Reihen der Teilnehmer als Schauspieler agieren: "Schönes Fräulein darf ich’s wagen, meinen Arm und Geleit ihr anzutragen?", während Gast-Gretchen mit scheuem Augenklimpern haucht: "Bin weder Fräulein, weder schön, kann ungeleitet nach Hause gehen." Das Publikum klatscht, alle sind begeistert.
Was, schon vorbei? Mephisto verschwindet zusammen mit Doktorchen wieder in der Versenkung der Geschichte und wir staunen, wie kurzweilig eine Stadtführung sein kann: Das muss wohl mit dem Teufel zugegangen sein... von anfe
Und wer könnte davon besser erzählen als die Protagonisten selbst? Denn der gebückte Alte ist kein geringerer als der gescheiterte und vielstudierte Doctor Faust, ein Mann gewordenes Stück Weltliteratur sozusagen: "Da steh’ ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor", gibt er sich per Goethe-Zitat zu erkennen.
Leben kommt in das alte, gebückte Männlein, das mit dem Stock fuchtelnd auf Doctoren, Magister, Schreiber und Pfaffen schimpft, und: "Ich kenne weder Skrupel noch Zweifel, ich fürchte weder Hölle noch Teufel!" Bei letztgenanntem fällt Doctor Faust aber mit einem Mal wieder in sich zusammen, schleicht eingeschüchtert davon – und explodiert: Der verängstigte Alte macht wie vom wilden Affen gebissen einen Satz, verwandelt sich, enthüllt seinen feuerroten Mantel vor den verdutzten Gästen: Gestatten, Mephisto, der Teufel persönlich. Wir schrecken zurück. Was hat der Leibhaftige vor?
Zunächst lässt er sich diabolisch grinsend von einer Dame den roten Kragen richten, verspricht uns, manches über Staufen und seine Lieblingsseele Doctor Faust zu erzählen. "Wäre das ein Angebot?", fragt der charmante Ränkeschmied, der sich aufs Offertenmachen versteht und einst – nach Goethe – auch mit Doctor Faust einen Pakt schloss. Vor allem, wie der Handel damals tatsächlich geendet hat, will er uns erzählen.
Neugierig geworden, lassen wir uns mitnehmen auf die Reise in die Vergangenheit. Der Mann hinter den Masken ist der Theaterschauspieler Rainer G. Mannich, der sich nachfolgend gekonnt in die zweifache Schale wirft: Als Mephisto tänzelt er durch die Straßen, füttert sein Publikum mit Stadtgeschichte und diabolischem Grinsen, lockt, säuselt, zeigt sich – besonders rothaarigen Damen gegenüber – charmant ("meine Liebe, haben wir uns nicht in der Walburgisnacht gesehen?) oder grollt "über den Herren da oben". Als grüblerischer Faust erzählt er von seiner Karriere als Alchemist, die mit der Herstellung von Gold für die Herren Staufen gekrönt werden sollte. Schon einen Hut- und Manteldreh später wird er wieder zu Mephisto, der Teufel als Verwandlungskünstler.
Im Teufelsgalopp saust er durch die Gassen und die Jahrhunderte, offeriert erst Sekt, zwischendurch Kaffee, dort "wo ein höllisches Maschinchen am Werke ist und schwarzes Gold ausschenkt". Er wettert über die Kirche St. Martin und freut sich teuflisch, dass es den Pranger vor dem Rathaus immer noch gibt.
Vor dem Gasthaus Zum Löwen kommen wir ein weiteres Mal zu stehen. Dort soll, so sagen es selbst geschichtliche Fakten außerhalb des Romans, der historisch "echte" Doctor Faustus nach einer schrecklichen Explosion und mit verdrehtem Genick tot aufgefunden worden sein. Dabei habe ein mephistischer Gestank den Raum durchzogen. Ehrensache also, dass Doctor Faustus und der Teufel persönlich uns ihre Version der Geschichte erzählen.
Vor der Kulisse des Stubenhauses von 1429 darf dann – so viel Goethe kann jeder – ein Doctor Faust aus den Reihen der Teilnehmer als Schauspieler agieren: "Schönes Fräulein darf ich’s wagen, meinen Arm und Geleit ihr anzutragen?", während Gast-Gretchen mit scheuem Augenklimpern haucht: "Bin weder Fräulein, weder schön, kann ungeleitet nach Hause gehen." Das Publikum klatscht, alle sind begeistert.
Was, schon vorbei? Mephisto verschwindet zusammen mit Doktorchen wieder in der Versenkung der Geschichte und wir staunen, wie kurzweilig eine Stadtführung sein kann: Das muss wohl mit dem Teufel zugegangen sein... von anfe
am
Mi, 16. Mai 2018