Begegnungen auf der Bühne des Lebens

Baal novo präsentiert mit "Afrika!" Theater "für Flüchtlinge, Migranten und Deutschländer".

OFFENBURG. Was wäre wenn wir Europäer in wirtschaftlicher Not wären, geplagt von Arbeitslosigkeit, Hunger und Umweltkatastrophen, von Kriegen und sich auflösenden Staatsgebilden? Wenn wir uns in marode Boote setzen müssten, um nach Afrika zu fliehen, einem reichen Kontinent, wo wir hoffen, Arbeit zu finden, vielleicht eine Perspektive für ein menschenwürdiges Leben, auf alle Fälle unsere Haut zu retten?

" In ’Afrika!’ wird die Flüchtlingsproblematik aufgegriffen und auf den Kopf gestellt, die Rollen werden verdreht, so wird ein neues Denken über uns und unseren Umgang mit Flüchtlingen provoziert", erläutert Regisseur und Baal-novo-Intendant Edzard Schoppmann. Auch die Deutschen hätten ihre Fluchtgeschichte. Niemand sei davor gefeit, auch einmal in eine Situation zu geraten, wo er fliehen müsse, das wolle er bewusst machen.

Was im Proberaum zuerst auffällt sind viele bunte Reisetaschen, die auf der Bühne verstreut liegen und an der Wand aufgehängt sind. Sie repräsentieren persönliche Utensilien, die an Land geschwemmt worden sind, erklärt der Regisseur das Bühnenbild. Die 16 Schauspieler, Einheimische und junge Männer aus der Flüchtlingsunterkunft in der Lise-Meitner-Straße, deklamieren ihren teils fiktiven, teils eigenen Text von Flucht und Angst, von Dunkelheit und Gefahr und von Gewehrkugeln, die ihnen um die Ohren fliegen und das Schlauchboot treffen. Texte aber auch von Hoffnungen, Träumen und Neuanfang. Es sind persönliche Geschichten, die die Männer aus dem Irak, Tibet, Gambia, Tunesien, Afghanistan und Syrien erzählen. "Mir geht es bei diesem Stück auch um die Biografien dieser Menschen", betont Schoppmann. "Ich möchte wissen, was sie bewegt, und ich glaube, dass die Geschichten von Migranten unsere Gesellschaft bereichern können." Schmerzhafte Gefühle lebten bei dem Stück wieder auf, aber die Menschen seien auch voller Hoffnung und Kraft.
"Es ist wie in einer

großen Familie"

Amine aus Tunesien
Was ihnen in ihrer Situation hilft, ist nicht zuletzt das Theaterprojekt, das aus den Erfahrungen der Amateurschauspieler entwickelt wurde. Die Idee entstand schon im Herbst 2014, im Januar begannen die Proben. Am Anfang habe man sich sprachlich "durchgewurstelt", erinnert sich der Regisseur. Inzwischen sei es in der Gruppe "wie in einer großen Familie", findet Amine aus Tunesien.

Anteil daran haben auch die Einheimischen in der Runde. Renate Stolz aus Rheinau beispielsweise ist über die Flüchtlingsarbeit zum Theater gekommen. "Ich mache auch in meiner Freizeit was mit den Flüchtlingen, das macht total Spaß", erklärt sie. Auch Beata Peplinski fühlt sich in der internationalen Truppe wohl. "Das Thema berührt mich", sagt sie, "ich erfahre ihre Geschichten, das sind Menschen, die sich ausdrücken wollen, nicht nur in einer Unterkunft sitzen und warten." Tezin aus Tibet ist sehr beeindruckt von der Freundlichkeit und Zuneigung, die ihm in der Gruppe entgegengebracht wird. Auch Waleed aus Irak mag neben dem Theater spielen den Kontakte mit den anderen.

BAAL novo feiert sein zehnjähriges Bestehen und hat seine Jubiläumsspielzeit 2015/16 unter das Motto "Aufbruch" gestellt. Aufbruch stecke voll Hoffnung und Begeisterung, aber im Aufbruch liege auch Verzweiflung, so Schoppmann: "Ganz am Schluss des Stückes will ich eigentlich, dass die Weißen sich schwarz schminken und die Schwarzen weiß, damit deutlich wird, wir sind nicht so unterschiedlich, wie man manchmal denkt."

Afrika! wird gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, den Fonds Soziokultur e.V., sowie durch die Aktion Mensch.

Die Termine:

Dienstag, 8. Dezember, 20 Uhr, Afrika! - Uraufführung, Reithalle Offenburg

Samstag, 12. Dezember, 19.30 Uhr, Afrika! Babel – Junges Theater BAAL novo im zeit.areal Lahr
Dienstag, 15. Dezember, 19.30 Uhr, Afrika! Babel – Junges Theater BAAL novo im zeit.areal Lahr
von Barbara Puppe
am Sa, 05. Dezember 2015

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