RAF-Drama

"Patentöchter" mit Claudia Wiedemer und Silke Buchholz in Offenburg

Die aus Offenburg stammende Schauspielerin Claudia Wiedemer gastiert in ihrer Heimatstadt mit dem RAF-Drama "Patentöchter".

OFFENBURG. Vier Jahre alt war die Offenburger Schauspielerin
Claudia Wiedemer, als der Bankmanager Jürgen Ponto ermordet wurde, wenige Wochen nach dem Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback und wenige Monate vor dem an Arbeitgeberpräsident Hans-Martin Schleyer. Das war im Jahr 1977, die Mörder waren Mitglieder der Roten Armee Fraktion, kurz RAF.

"Ich war noch klein, aber ich habe Erinnerungen daran", erzählt Claudia Wiedermer. Ihr Vater, Gottfried Wiedemer, war damals Lehrer an der deutschen Schule in Lissabon, Portugal. "Wenn wir zur Post gingen, sah ich diese Fahndungsplakate und wollte wissen, wer das ist. Böse Menschen, erklärte mein Vater. Ich fand nicht, dass sie böse aussahen und habe lange herauszufinden versucht, woran man böse Menschen erkennt."

Am Mittwoch, 23. März, spielt Claudia Wiedemer im Offenburger Salmensaal eine Frau, deren Leben durch jene "bösen Menschen" auf dem Plakat radikal verändert wurde: Julia Albrecht, Patentochter von Jürgen Ponto und die jüngere Schwester von Susanne Albrecht, die damals zum Quartett der Ponto-Mörder gehörte.

Erst 30 Jahre später sprachen zwei Mitglieder der einst eng befreundeten Familien wieder miteinander, Julia Albrecht und Corinna Ponto, Tochter von Jürgen Ponto und Patentochter von Julias Vater. Ihr sehr persönlicher Dialog darüber, wie sie jene Tage, die Monate und Jahre danach erlebten, erschien zunächst als Buch und ist Grundlage für das Stück "Patentöchter", das nun im Salmen gezeigt wird.

Julia Albrecht schildert unter anderem darin, wie sie überall die Plakate mit dem Fahndungsbild ihrer Schwester sah, ihre einzige Verbindung zu der von ihr geliebten Susanne. Und sie schildert, wie sie diese Fahndungsplakate stets mit "Hallo, Schwesterchen" begrüßte. Die Szene habe sie aufgrund ihrer eigenen Erinnerung umso tiefer berührt, erzählt Claudia Wiedemer. Die beiden Patentöchter fahren in ihrem Dialog keinen Kuschelkurs – aber stets ist da gegenseitiger Respekt. 1990 taucht Susanne Albrecht plötzlich wieder auf. "Ich war glücklich", sagt Claudia Wiedemer in der Julia-Rolle. Ihre Bühnenpartnerin Silke Buchholz in der Rolle der Corinna Ponto kontert: "Ich musste kotzen."

Es sei sehr schwierig gewesen, eine Person zu spielen, die es in der Realität gibt, die lebt – und die sogar eine Aufführung besuchte. Dass die echte Julia Albrecht ihre Darstellung akzeptiert und gelobt habe, empfinde sie als Auszeichnung. Bei dem 2015 gedrehten Film "Die Folgen der Tat" sprach sie dann sogar die Synchronstimme von Julia Albrecht. Der Film erhielt den Grimme-Preis.

Der Mord war ein Wendepunkt im Leben der Übriggebliebenen, sowohl der Familie Ponto wie der Familie Albrecht. Dass Susanne unter dem Deckmantel der Freundschaft die Mörder ins Haus des Opfers lotste, war für keine Seite zu verkraften. "Patentöchter" wird aber nicht zur Abrechnung mit der RAF oder dem Terror. Der Dialog beleuchtet den Versuch, das Ungeheuerliche zu bewältigen, den Verlust, die Wut, den Schmerz, die Enttäuschung. Und er zeigt, im Rahmen des Angemessenen, das es eine Zeit des Schweigens geben mag und eine, in der es gut ist, miteinander zu sprechen.

Mittwoch, 23. März, 20 Uhr, Salmen, Lange Straße 52: "Patentöchter" – ein Stück von Mirko Böttcher nach dem gleichnamigen Buch von Corinna Ponto und Julia Albrecht. Darstellerinnen Claudia Wiedemer aus Offenburh und Silke Buchholz. Vorverkauf: Bürgerbüro Offenburg, Tel. 0781-82 20 00 oder Internet: ortenaukultur.de
von Robert Ullmann
am Fr, 18. März 2016

Die Raf in der Ortenau

OFFENBURG. Der "Deutsche Herbst" und die RAF haben ihre Spuren auch in der Ortenau hinterlassen. Hans-Martin Schleyer, nach Jürgen Ponto das nächste prominente Opfer des linken Terrors, ist in Offenburg geboren. Am 20. Oktober 1977, dem Tag nach der Auffindung der Leiche des von RAF-Mitgliedern ermordeten Arbeitgeberpräsidenten im elsässischen Mulhouse, gab es einen Großeinsatz in Kehl, bei dem eine Sondereinsatzkommando mit Maschinenpistolen das Hochhaus an der Europabrücke stürmte. Dort wurde eine konspirative Wohnung vermutet, doch handelte es sich um eine Falschinformation. Der Schleyer-Mord wurde von der linken Szene in der Ortenau und in Offenburg nicht verurteilt, im Gegenteil. Schleyer war im Dritten Reich HJ-Führer und SS-Mitglied gewesen. Der Hinweis auf das "Nazi-Schwein" brachte die wenigen Kritiker in der linken Szene in der Regel zum Schweigen. Auch dass im Industriegebiet Waltersweier eine Straße nach Schleyer benannt wurde, stieß in der Szene auf Kritik. Am 28. Juli 1985 versuchten Terroristen der RAF, aus einem Steinbruch bei Ottenhöfen Sprengstoff zu entwenden. Sie hatten jedoch keinen Erfolg – es war keiner vorrätig.  

Autor: rob

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