"Pausen geben den Rhythmus"

BZ-INTERVIEW: Der italienisch-schweizerische Liedermacher Pippo Pollina über seine Auszeit.

Der italienisch-schweizerische Cantautore Pippo Pollina gibt am 22. August sein für längere Zeit letztes Konzert vor großem Publikum im Zürcher Hallenstadion. Zuvor tritt er am 9. August bei den Laufenburger Kulturtagen auf. Mit seinem Palermo Acoustic Quintett präsentiert er hier sein aktuelles Album "L’Appartenenza – Die Zugehörigkeit". Der in Palermo geborene Liedermacher beeindruckt mit musikalischer Vielfalt, seiner ausdrucksstarken Stimme und intelligenten, poetischen Liedtexten. Lucie Peetz hatte Gelegenheit zum Gespräch mit ihm.

BZ: Herr Pollina, nach Ihrem "Grande Finale"-Konzert am 22. August im Hallenstadion Zürich wollen Sie nach 30-jähriger Bühnenpräsenz eine fast zweijährige Pause machen. Warum?
Pollina: In der Musik sind Pausen sehr wichtig. In Partituren gibt es häufig Pausen: Sie geben jedem Stück den richtigen Rhythmus, den richtigen Atem. Genauso ist es in unserem Leben. Von meinem Leben habe ich viel zu wenig gehabt, ich war viel auf Tour. Nun möchte ich mehr freie Zeit genießen, wenig planen und viel improvisieren. Ich werde viel Zeit mit meiner Familie und Freunden verbringen und für meinen ersten Marathonlauf trainieren: Ende 2016 will ich den New York Marathon absolvieren.

BZ: Werden Sie sich gar nicht mit Musik beschäftigen?
Pollina: Doch, natürlich! Es ist ja nur eine Konzertpause. Ich werde Lieder komponieren und texten und eine neue CD produzieren. Außerdem schreibe ich ein Buch: Darin möchte ich erzählen, wie meine Alben entstanden sind, von dem ersten, "Aspettando Che Sia Mattino" in den 1980er-Jahren, bis zum 20. Album, der Doppel-CD "Grande Finale – Live in der Arena di Verona" von 2014. Meine deutschsprachigen Fans freuen sich vor allem darauf, dass das Buch alle Liedtexte enthalten wird, mitsamt ihren deutschen Übersetzungen.

BZ: In der Schweiz wurden Sie bekannt durch Ihre Auftritte mit Linard Bardill, in Deutschland durch Ihre Auftritte mit Konstantin Wecker. Hat sich Ihr Publikum im Laufe der Zeit verändert?
Pollina: Ein Teil des Publikums hat sich verabschiedet, ein Teil ist neu dazugekommen. Das ist normal. Grundsätzlich ist mein Publikum sehr treu und folgt mir seit Jahrzehnten. Wir werden zusammen reif. Aber ich spiele gerne zusammen mit Freunden, dann ändert sich auch teilweise das Publikum. Mit Werner Schmidbauer und Martin Kälberer gab ich 100 Konzerte in vier Ländern, zum Finale haben wir vor zwei Jahren vor gut 10 000 Zuhörern in der Arena di Verona gespielt. Dieser fantastische Erfolg hat uns künstlerisch gefestigt.

BZ: Ihre Duette mit Linard Bardill sind genauso legendär wie Ihre deutsch-italienischen Duette mit Konstantin Wecker oder Werner Schmidbauer. Sie arbeiten aber auch mit vielen weiteren Künstlern zusammen?
Pollina: Natürlich werden Linard Bardill, Schmidbauer und Kälberer auch als Gäste bei meinem großen Abschlusskonzert am 22. August in Zürich mitwirken. Im Hallenstadion erwarte ich viele Gäste, mit denen ich zusammen musizieren werde: Stoppok, Giorgio Conte, Etta Scollo, Büne Huber, Franco Battiato, Eugenio Finardi, Gigi Moto und Stefania Verità. Auch meine beiden Kinder, Madlaina und Julian alias "Faber", werden mit mir auf der Bühne stehen.

BZ: Was halten Sie davon, dass Ihre Kinder ebenfalls eine musikalische Karriere einschlagen? Faber hat gerade seine erste EP produziert und gibt Konzerte in der Schweiz und Deutschland. Im Vorprogramm von Sophie Hunger stand er vor großem Publikum auf der Bühne. Madlaina tritt mit ihrer Freundin Nora Steiner als "Steiner und Madlaina" auf.
Pollina: Der Weg ist nie einfach. Natürlich hat sich die Branche sehr gewandelt. Die technologischen Mittel erleichtern vieles. Außerdem kommen sie aus einer musikalischen Familie. Ich musste alles alleine machen, sie haben mit 100 Metern Vorsprung angefangen. Es liegt an ihnen, was sie aus ihren Vorteilen machen. Ich vertraue, dass der Weg, für den sie sich entscheiden, der richtige sein wird. Ich bin glücklich, wenn meine Kinder glücklich sind.

BZ: Sie sind Italiener, wohnen seit über 20 Jahren in der Schweiz und haben seit wenigen Jahren beide Staatsbürgerschaften. In Deutschland werden Sie als italienischer Liedermacher wahrgenommen. Wie empfinden Sie sich selbst?
Pollina: Ich verstehe mich als europäischen Singer-Songwriter, der auf Italienisch singt. Mit der Zeit wurde diese Beschreibung immer veritabler. Ich toure auch gerne in wechselnden Besetzungen, zurzeit meist im Quintett mit Roberto Petroli an Klarinette und Saxofon, Gitarrist Max Kämmerling, Bassist Filippo Pedol, Schlagzeuger Fabrizio Giambanco und Keyboarder Tino Horat. Alle werden mit mir auch in der Stadthalle in Laufenburg und im Hallenstadion Zürich auf der Bühne stehen. Aber ich spiele auch solo, im Quartett oder sogar mit Symphonieorchestern. Es sind völlig unterschiedliche Erfahrungen und musikalische Ausdrucksformen. Alle repräsentieren eine Facette von mir und meinem musikalischen Schaffen.
"Die Musik hat

mein Leben gerettet."

BZ: Welche Bedeutung hat Musik in Ihrem Leben? Was bedeutet es Ihnen, auf der Bühne zu stehen?
Pollina: Die Musik hat mein Leben gerettet und wird dies weiter tun. Sie macht mich glücklicher als alles andere und hat meinem Leben erst einen Sinn gegeben. Mit Musik bewegt man sich in einer Dimension, in der Emotionen, Gedanken und Körper sich treffen. Man kann in Einklang kommen. Das schafft nicht jede Kunstform. Die Musik ermöglicht vieles, das macht sie außergewöhnlich. Durch meine Musik und auf der Bühne kann ich mit den Menschen kommunizieren. Vielleicht wäre ich Politiker geworden, wenn ich nicht Musik gemacht hätte.

BZ: Sie touren sehr viel, stehen täglich auf einer anderen Bühne. Was ist Ihr Ausgleich?
Pollina: Der Stress macht mir nichts aus! Ich schlafe gerne möglichst lange. Außerdem höre ich in meiner Freizeit keine Musik. Ich liebe die Stille.

Pippo Pollina und sein Palermo Acoustic Quintett treten am 9. August bei den Kulturtagen Laufenburg mit ihrem Programm "L’Appartenenza" auf, um 20 Uhr, Stadthalle/CH, Spitalstrasse. Pippo Pollina gibt sein Abschluss-Konzert mit Gästen am Samstag, den 22. August um 20 Uhr im Hallenstadion Zürich.
von xnhl
am Fr, 07. August 2015

Pippo Pollina

Geboren am 18. Mai 1963 in Palermo;
Studium der Rechtswissenschaften, der klassischen Gitarre und der Musiktheorie. Arbeit als Journalist für "I Siciliani" unter der Leitung von Giuseppe Fava, der 1984 von der Mafia ermordet wird. 1985 verlässt Pollina Italien und reist drei Jahre lang als Straßenmusiker durch Europa;
Begegnung mit Linard Bardill, erste gemeinsame Tournee 1987;
Begegnung mit Konstantin Wecker, Teilnahme an der "Uferlos"-Tour 1993;
gemeinsame CD und Tour "Süden" mit Werner Schmidbauer und Martin Kälberer 2013. Zahlreiche weitere Kooperationen und Preise, darunter Preis für den Stadtfrieden der Stadt Stuttgart für das Werk "Ultimo Volo" über die Tragödie von Ustica und die "Freiburger Leiter" der Freiburger Kulturbörse. Er lebt heute mit seiner Familie in Zürich.  

Autor: xnhl

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