Kino-Interview

Regisseurin Sandra Nettelbeck über ihren Film „Was uns nicht umbringt“

TICKET-INTERVIEW: Die Regisseurin Sandra Nettelbeck über ihren neuen Film "Was uns nicht umbringt".

Sandra Nettelbeck gehört zu den renommiertesten Regisseurinnen des Deutschen Films. Die gebürtige Hamburgerin mit Wohnsitz Berlin erlernte ihr Handwerk an der San Francisco State University. Mit "Was uns nicht umbringt" bringt die 52-Jährige einen eleganten Episodenfilm ins Kino, in dem der von August Zirner gespielte Therapeut selbst in eine Krise gerät. Markus Tschiedert traf die Filmemacherin zum Interview.

Ticket: Bereits in Ihrer Erfolgskomödie "Bella Martha" von 2002 war August Zirner als Psychotherapeut dabei. Wieso lassen Sie ihn 16 Jahre später wieder auftauchen?
Nettelbeck: Also in meinem Film "Sergeant Pepper" von 2004 ist der Therapeut ja auch mit von der Partie. Es war aber für August nun schon zum zweiten Mal eine Nebenrolle, weshalb ich ihm damals versprach, irgendwann dem Therapeuten sein eigenes Drehbuch zu schreiben, in dem er dann die Hauptrolle spielt. Das hat dann noch mal zehn Jahre gedauert. Und zuerst ist mir der Titel eingefallen.
Ticket: Was uns nicht umbringt?
Nettelbeck: Ja, ich dachte, das ist so ein toller Titel, dass man sich dazu unbedingt einen Film ausdenken muss (lacht). Und dann habe ich mein Versprechen an August wahr gemacht. Es war nach zehn Jahren mein erster Film in Deutschland, und ich wollte gern mit Leuten arbeiten, die ich kenne und mag.
Ticket: Wie ist aus dem Titel ein Drehbuch geworden?
Nettelbeck: Primär ist es die Geschichte des Therapeuten Max, und um ihn ranken sich die anderen Figuren, seine Patienten, seine Familie. Ich merkte allerdings schnell, dass ich nicht alle Geschichten gleichzeitig schreiben konnte. Dazu sind es zu viele. Ich habe die einzelnen Erzählstränge also zunächst separat verfasst und mich dabei von außen nach innen vorgearbeitet: zuerst die Geschichten, die am wenigsten mit Max zu tun haben, dann die, die näher an ihm dran sind, und schließlich die von Max selbst. In diesen Hauptstrang habe ich wiederum alle anderen Geschichten eingebaut.
Ticket: Wenn Sie sich schon so oft mit Psychotherapeuten auseinandergesetzt haben, müssten Sie große Stücke auf sie halten...
Nettelbeck: Ich schätze die Therapeuten, denen ich das Glück hatte zu begegnen, sehr und habe ihnen viel zu verdanken. Aber ich habe schon gedacht, mal gucken wie sie das am Ende finden, was ich so über ihren Berufszweig erzähle. Allerdings ist Max natürlich eher eine Fantasiegeburt, also ein Therapeut, wie man ihn sich vielleicht wünscht oder herbeisehnt – wie einen großen Bruder oder eine Schwester. Denn im Ernst, wer bekocht schon seinen Therapeuten?
Ticket: Inwieweit fühlen Sie sich wie ein Psychologe, wenn Sie Figuren entwickeln und sich damit irgendwie auch mit ihren Seelenleben befassen?
Nettelbeck: Psychologie ist ein wichtiger Aspekt beim Geschichtenerzählen, wenn man Figuren entwickelt, natürlich. Wie sie mit ihren Konflikten umgehen, ob und wie sie sie bewältigen. Und das Publikum will sich in diesen Mustern wiedererkennen, wenn es das nicht tut, dann weil es unglaubwürdig ist oder die Psychologie der Figuren nicht nachvollziehbar scheint. Und natürlich schreibe ich für das Publikum und freue mich, wenn die Geschichten berühren oder sich Menschen mit meinen Figuren identifizieren. Das empfand ich besonders bei meinem Film "Helen" über eine Frau, die an Depressionen leidet. Da dachte ich, wenn sich auch nur einer nach diesem Film selbst Hilfe sucht, hat es sich gelohnt, ihn gedreht zu haben. Das war für mich ein extrem persönlicher Film, mit dem ich nicht unbedingt das Anliegen hatte, ein Publikum unterhalten zu wollen.
Ticket: Wie ist das jetzt bei "Was uns nicht umbringt"?
Nettelbeck: Der wiederum soll unterhalten. Ich hatte mal wieder Lust, einen Film zu machen, in dem nicht alles so wahnsinnig schwermütig ist. "Mr. Morgans letzte Liebe" war ja auch schon etwas lichter, aber trotzdem immer noch heftig, wenn man Themen wie Älterwerden und Tod behandelt. Und dieser Film war natürlich sehr geprägt vom Tod meines Vaters.













von tsc
am Fr, 16. November 2018

Info

Was uns nicht umbringt

Regie: Sandra Nettelbeck.
Mit August Zirner, Barbara Auer, Johanna ter Steege, Bjarne Mädel, Christian Berkel und anderen
129 Minuten, ab 6

Die Story
Als gefragter Psychotherapeut muss sich Max (August Zirner) stets mit den Problemen anderer herumschlagen. Selbst sein Hund ist depressiv, und das färbt ab. Nur seine Patientin Sophie (Johanna ter Steege) kann ihn noch aufmuntern. Hat sich Max in sie verliebt?  

Autor: bz

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