Festival am Tunisee

So buchen die Macher die mehr als 100 Künstler für das Sea-You-Festival

Wie stellt man das Line-Up eines Festivals zusammen? Haben Weltstars viele Sonderwünsche? Die Sea-You-Macher Bela Gurath und Daniel Schmidt haben es fudder erklärt.

Mehr als 100 Künstler und Livemusiker treten an diesem Wochenende beim Sea-You-Festival in Freiburg auf. Mit dabei: Paul Kalkbrenner und Solomun, zwei Weltstars der Techno-Szene.

Auf der Sea You treten in diesem Jahr mehr als 100 Künstlerinnen und Künstler auf. Nach welchen Kriterien stellen Sie das Programm zusammen?

Gurath: Wir haben den Anspruch, dass zwischen 30 und 50 Prozent der Künstler stets neu sind oder nur selten in Südbaden auftreten. Dazu kommen bekannte Künstler, die ein breites Publikum erleben will. Wir verkaufen sonst keine Tickets. Nur unbekannte Namen zu buchen und in Schönheit sterben, können wir uns nicht leisten. Wir sind auch Kaufmänner.

Headliner wie Paul Kalkbrenner verlangen mehr als 100 000 Euro Gage. Lohnt sich diese Summe überhaupt?

Gurath: Wir berechnen die Rendite eines einzelnen Künstlers nicht.

Lässt sich für einen einzelnen Künstler überhaupt eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufstellen?

Gurath: Jeder Künstler sollte auch für eine Einzelshow Tickets verkaufen. Wer nur Künstler bucht, die sich einzeln nicht verkaufen lassen, verkauft am Ende auch keine Festivaltickets.
Schmidt: Zugkräftige Namen erlauben uns, auch unbekannte Künstler wie Thylacin und Strôme nach Freiburg zu holen. Diese machen das Festivalprogramm interessant.
Gurath: Wir haben den Anspruch, ein internationales Festival zu veranstalten und uns stets weiter zu entwickeln. Wenn wir uns klein ausrichten, kommen keine Gäste aus ganz Europa zu uns nach Freiburg.



Wie beurteilen Sie die Wettbewerbssituation für die Sea You? Ist sie europäisch oder global?

Gurath: Im Sommer sind fast alle Künstler in Europa stationiert. Da stehen wir mit zahlreichen europäischen Festivals im Wettbewerb.



Wie groß ist die Konkurrenz um den Künstler? Wie holt man Künstler vom Format Paul Kalkbrenner, Solomun oder Maceo Plex für ein Festival nach Freiburg?

Gurath:
Paul Kalkbrenner und Solomun waren schon immer mein Thema. Künstler in dieser Liga bekommen für jedes Datum mindestens zehn Anfragen. Man kämpft also mit mindestens zehn Konkurrenten um den Terminzuschlag. Da werden das Setup des Festivals und ein persönliches Vertrauensverhältnis zu den Künstleragenturen wichtig.
Schmidt: Künstleragenten schauen sich das Programm vergangener Ausgaben an. Sie wollen wissen, wer in den Jahren zuvor gespielt hat, wie die Ortsverhältnisse sind, was sonst geboten wird. Außerdem muss der Termin auch in die Reiseplanung passen, um die Reisezeiten zwischen den einzelnen Orten so kurz wie möglich zu halten.
Mehr als hundert Discjockeys und Livemusiker treten bei der Sea You 2017 auf. Das Programm des Techno-Festivals, das am Samstag, 15. Juli, und Sonntag, 16. Juli 2017, am Tunisee bei Freiburg stattfindet, führt der Berliner Elektronikmusiker Paul Kalkbrenner an. Mit ihm reisen die DJs Solomun, Loco Dice, Marco Carola und Adam Beyer an den Tunisee. Neu in diesem Jahr ist eine Bühne, auf der Goa-Künstler wie Hatikwa und Neelix spielen. Tickets gibt’s nicht mehr – das Festival ist ausverkauft.

Welchen Trumpf haben Sie in der Hand, damit sich ein Künstler für die Sea You entscheidet?

Gurath: Persönliche Kontakte zur Agentur und zum Künstler, die Schönheit des Tunisees und wie wir den Ort zur "Beach Republic" umgestalten. Das sind unsere Alleinstellungsmerkmale. Wir müssen die beste Option für den Künstler sein.

Inwieweit geht es bei den Verhandlungen auch um Gagenforderungen und Sonderwünsche?

Gurath: Die Künstler rufen eine Gage auf. Sonderwünsche sind Standard.

Was heißt das?

Gurath: Wir feilschen nicht. Sonderwünsche erfüllen wir. Standard bedeutet, dass die großen Künstler mit einem Privatjet kommen und in einer Hotelsuite übernachten, sofern sie in Freiburg bleiben.
Schmidt: Und für die Transfers sind Limousinen der obersten Luxuskategorie absoluter Standard.

Was war der skurrilste Künstlerwunsch?

Gurath: Ein Künstler verlangte einmal eine 200-Quadratmeter-Suite als Garderobe. Die kostet 2000 Euro. Wir haben geliefert.

Wie oft kommen Sie dabei an Ihre Schmerzgrenze?

Gurath: Wir akzeptieren Sonderwünsche und diskutieren nicht. Diskutieren ist Zeitverschwendung. Wenn man das einmal verstanden hat, hat man seinen Frieden. Wäre ich ein Künstler, der die ganze Zeit unterwegs ist, würde ich auch im Privatjet fliegen und meine Lieblingssorte Champagner trinken wollen.

Ein Festivalprogramm soll den Geschmack der Besucher treffen und gleichzeitig Trends rechtzeitig abbilden. Wie gelingt Ihnen dieser Spagat bei der Sea You?

Gurath: Wir machen kein Schlagerfestival, für das wir Know-How einkaufen müssen. Wir hören diese Musik, besuchen Festivals, sehen uns um und hoffen, dass wir mit unserer Auswahl ein glückliches Händchen haben. Daniels Vorteil ist, dass er als DJ und Produzent aktiv im Musikbusiness tätig ist. Er kommt viel rum.
Schmidt: Das Duo "Me & Her" habe ich letztes Jahr zufällig auf dem Electric City-Festival in Zürich gehört. Die zwei Frauen haben mich überzeugt, ich habe sie direkt gebucht.
Gurath: Oder Strôme. Das Duo spielt auf analogen Synthesizern. Das ist etwas, was viele Gäste zuvor noch nicht gesehen haben.

Welche Rolle spielt dabei Social Media?

Schmidt: Wir beobachten Künstler in Netzwerken wie Facebook und Instagram, ziehen aber keine unmittelbaren Schlüsse daraus.

Warum buchen sie keine EDM-Künstler wie Calvin Harris oder Steve Aoki?

Gurath: Künstler wie Aoki haben null Ausschlag bei mir. Er bewirft sein Publikum mit Torten. Das passt nicht zu einem Techno-Festival.

Ein Veranstalter muss auch in die Zukunft denken. Wovon lassen Sie sich inspirieren?

Schmidt: Die Festivals Awakenings in den Niederlanden und Hideout in Kroatien finde ich stark. Letzteres ist ein Strandfestival. Die Veranstalter spielen das Thema "Beach Republic" ähnlich wie wir.
Gurath: Mich beeindrucken Festivals wie das Tomorrowland in Belgien und Burning Man in Nevada. Die Veranstalter bauen Erlebniswelten auf. So etwas muss man seinem Publikum bieten. Eine Bühne auf einer Wiese und ein paar DJs genügen heute nicht mehr. Dazu ist inzwischen auch die Festivaldichte zu groß.
Bela Gurath, 48, und Daniel Schmidt, 40, sind die Geschäftsführer der Sea You GmbH. Seit 2015 ist die Firma mit der Durchführung des Sea-You-Festivals am Tunisee betraut.

Bela Gurath, gebürtiger Berliner, lebt seit 1991 in Freiburg und hat Kult-Clubs wie den F-Club betrieben. Außerdem ist er Mitveranstalter des Schlossbergfests in Freiburg, das in diesem Jahr von Donnerstag, 27. Juli, bis Montag, 31. Juli, stattfindet.

Daniel Schmidt, in Freiburg geboren, arbeitet seit Mitte der Neunzigerjahre in Südbaden als Veranstalter, unter anderem im Hans Bunte-Club in Freiburg. Unter dem Alias "Phuture Traxx" legt er selbst auf und veröffentlicht Techno auf Labels wie Neverending Records.

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von Bernhard Amelung und Markus Hofmann
am Do, 13. Juli 2017 um 10:45 Uhr

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