Keller - Küche - Heimatkunde

Themenabend bei Rothaus

Themenabend "Keller – Küche – Heimatkunde" bei Rothaus.

Was wänn Ihr doooo? Schreit es uns entgegen. Freundlich klingt anders. Bevor die Knie anfangen zu zittern, erst mal ein Schluck Bier. Davon ist reichlich da. Wir befinden uns im Keller der Rothaus-Brauerei in Grafenhausen, wo uns gerade der Biergeist entdeckt hat. Aber keine Angst, böse ist er nicht – nur bierernst.

Aber beginnen wir von vorn. 18.30 Uhr: In der Zäpflebar stimmt sich unsere etwa 60-köpfige Gruppe mit badischen Tapas und Bier (was sonst?) auf den Themenabend "Keller – Küche – Heimatkunde" ein. Ein Werbefilm klärt noch über die Geschichte der Staatsbrauerei auf. Dann geht’s los: Jacke überziehen – wir starten zum Erlebnisrundgang. Dass dieser nicht ganz der üblichen Brauereibesichtigungstour entspricht, wird klar, als wir im Sudhaus ankommen. Aus der Luke eines kupfernen Kessels strahlt grünes Licht. Ein Blick ins Innere – da ist er: der Biergeist. Noch erkennen wir ihn nicht richtig. Zu dicht ist der Biernebel mit malzig-süßem Geruch. Dafür hören wir ihn umso deutlicher: Er bläst wild und schräg in eine Tuba. Die ganze Halle dröhnt. Er scheint nicht erfreut zu sein, uns zu sehen. Wir machen lieber Schritte.

Über einen geheimnisvollen Klostergang erreichen wir den riesigen Gär- und Lagerkeller. Während uns ein Braumeister die Brauvorgänge erklärt und wir an Kostproben nippen, grollt es plötzlich: "Was störe Ihr mich? ’s isch Wucheend, ’s Bier brucht si Ruh!" Gespannt blicken alle auf eine bunt-illuminierte Öffnung in der Decke, aus der er schwebt: der Biergeist. Eine Gestalt mit Holzschuhen, behaarten Händen, einem Trinkhorn, Dreispitzhut und einem zotteligen Gehrock. Eine Holzmaske verdeckt sein Gesicht. Er erinnert an eine Mischung aus Falco im "Rock me Amadeus"-Video und Johnny Depp als Captain Jack Sparrow.

Der Geist ist erst mal sauer. Wir haben die Bierruhe gestört. Verständlich, es ist Freitagabend. Aber wenn schon mal jemand da ist, dann muss man nach alter Schwarzwälder Sitte das Beste draus machen, und zusammen einen heben. Der Geist beschwört die guten Rothaus-Tropfen, und der ein oder andere Besucher muss zur Bestätigung einen großen Schluck aus dem Trinkhorn nehmen. "Trink, trink!", raunt der Geist. Widerstand zwecklos. Spätestens jetzt sollte geklärt sein, wer nachher Auto fährt oder wer doch besser ein Zimmer im Brauereigasthof buchen sollte. Der Geist scheint auf jeden Fall zufrieden und verschwindet langsam in den dunklen Tiefen des Bierlagers.

Wir gehen weiter – zur Abfüllanlage. Den ersten Themenpunkt "Keller" haben wir damit abgehakt – mitsamt dem Rothauser Biergeist. Weiter geht’s in die "Küche" – besser gesagt in den Saal des Brauereigasthofs. Wo uns die "Heimatkunde" von dem Ur-Schwarzwälder Fidelius Waldvogel alias Martin Wangler gleich mitserviert wird. Grüne Wollkappe, Hosenträger, hellblaues Hemd, schwarze Kniebundhose, Wollsocken, Lederstiefel – alles etwas abgeranzt, so steht er auf der Bühne. "Sin Muschelschubser unter uns?", will er wissen. Kopfschütteln. Norddeutsche sind also nicht anwesend. Umso besser, dann kann das Fideli, wie wir ihn ab sofort nennen dürfen, schwätze, wie ihm ’s Muhl gwachse isch: breidschtes Alemannisch.

Und die Heimatkundelehrstunde beginnt. Wir lernen: Mit "Hä?" und der Steigerung "Hä Nai!" kann ein Schwarzwälder komplexe Sachverhalte ausdrücken. Erst die Touristen haben ihn zu Satz-Ungetümen wie "Wa witt?", "Gitts nit!" oder "Hämmer nit – verschwind!" gezwungen. Dem Homo Schwarzwaldensis falle der Kontakt mit dem anderen Geschlecht eher schwer. Er mache sich nichts aus Sex. "Mir welle nit – mir müsse halt." Am Leben hält einen echten Wälder wie das Fideli neben Bier und Cego eine andere Fleischeslust: Speck. Ein Graus ist für ihn, wie Städter diesen falsch schneiden oder gar mit Messer, Gabel und auf einem Teller malträtieren.

Und noch etwas muss der Schwarzwälder Dickschädel mal klarstellen: "Kai Sau sait Schinke zum Speck!" Anschaulich führt er uns vor, wie man Speck richtig isst, und wir dürfen das Gelernte praktisch umsetzen: "Specktakel" mit Wildsauspeck, Breitseite und Schinkenspeck wird serviert. Einige von uns schneiden noch fedde Mogge, andere zaubern hauchdünne Schiebli. Na ja, Streber gibt’s halt auch bei einer Themenabendklasse. Als weitere Gänge erwarten uns Bauernente mit Tannenhonigsoße und zum Finale Käse aus Hinterzarten.

Zwischendrin bekommen wir Nachhilfe vom Fideli – etwa zum Thema Kleidung: Die Schwarzwälder Tracht biete keinerlei sexuellen Reiz. "Hier trage die Wiebli ’s Holz nit vor der Hütte. Nit so wie in Bayern." Pils, Export, Braumeistermischung, Weizen wirken mittlerweile, Fidelis derbe Sprüche begeistern – selbst die Damen. Beim Thema Kopfbedeckung geht ihm dann endgültig die Hutschnur hoch: Für ihn ist nicht nachvollziehbar, dass der Bollenhut zum Markenzeichen des Schwarzwaldes geworden ist. "Niemols trägt der Wälder sin Bolle uff em Kopf!" Die Klasse grölt.

Der Breitnauer Schauspieler, Kabarettist und Musiker Martin Wangler ist bekannt aus der SWR-Fernsehserie "Die Fallers". Dort spielt er den Reiterhofbesitzer Bernd Clemens. Aber die Rolle des Fidelius Waldvogel lebt er – von Kopf bis Fuß. Apropos! Wir lernen auch: Ein Schwarzwälder hat keine Beine. "Er hat nur Fueß, die vom Fidle bis zu de Sohle reiche."

Der "bierernste" Abend, der nichts für feinsinnige Weinliebhaber ist, geht gegen Mitternacht zu Ende. Unsere Klasse hat einen großen Schluck Heimat genießen dürfen: für Bauch, Kopf und Herz. Und ob Martin Wangler auch mit dem Biergeist etwas zu tun hat? Wer weiß... In diesem Sinne: Prost!





von Birgit Herrmann
am Fr, 13. Februar 2015

Badens beste Erlebnisse