Oper

Verdis Oper "La Traviata" bei den Pfingstfestspielen im Festspielhaus Baden-Baden

TICKET-PORTRÄT: Der russische Opern-Weltstar Olga Peretyatko singt bei den Pfingstfestspielen in Baden-Baden.

Sie ist jung, schön, erfolgreich. Vor allem aber – sie singt gut. Nach Olga Peretyatkos gefeiertem Debüt mit Verdis "La Traviata" im Januar in Lausanne darf man neugierig sein auf ihre nächste Violetta – bei den Pfingstfestspielen in Baden-Baden. Eine Kameliendame für die Operngeschichte?

Olga Peretyatko – Steckbrief einer großen Solistenkarriere: geboren in St. Petersburg, das damals, 1980, noch Leningrad hieß. Musikstudium in ihrer Heimatstadt – Gesang und Chorleitung; von 2002 an dann ein Gesangsstudium an der Musikhochschule "Hanns Eisler" in Berlin. Danach, ab 2005 Mitglied im Opernstudio der Hamburgischen Staatsoper, von 2007 an Engagements an den großen Häusern in Berlin, München, Paris, Venedig, Florenz und vor bei den Rossini-Festivals in Bad Wildbad und Pesaro, wo sie endgültig zu einem Stern am Belcanto-Himmel emporstieg. Alberto Zedda, der große Rossini-Dirigent, habe überhaupt nichts gesagt nach ihrem Vorsingen in Pesaro – und sie einfach engagiert.

Was in der Chronologie buchhalterisch, nüchtern klingt, ist das Ergebnis von harter Arbeit, Ausdauer, Entbehrung. Von der Begabung mal ganz zu schweigen. Wann sie den Entschluss gefasst habe, Sängerin zu werden? Merkwürdig, sagt sie im Gespräch mit der BZ, sie sei das schon öfters gefragt worden. "Ich kann es nicht sagen." Dann erzählt sie die Geschichte von der kleinen Olga, die, seit sie sich erinnern kann, immer große Lust am Singen hatte. Zuhause, auf der Straße, bei Festen, im Supermarkt...

Man spürt die Lust am Sich-Präsentieren, wenn sie erzählt, wie sie als kleines Mädchen schon das Publikum gesucht habe. Sie deutet auf den massiven Couchtisch: "Das zum Beispiel wäre eine gute Bühne für die dreijährige Olga gewesen." Ihre Lehrjahre im Opernstudio mit den kleinen Engagements bezeichnet sie als Schule des Lebens. Als sie im Altersheim auftrat, kamen danach zu ihr die Leute und sagten: Ich hatte plötzlich keine Schmerzen mehr. "Da habe ich angefangen, diesen Job ernst zu nehmen." Dann schränkt sie gleich ein. Nein, es sei ja kein Job: "Es ist dein Leben."

100 Prozent sind ihr also nicht genug. "Ich gebe alles", sagt sie, "was der Beruf von mir verlangt." Was auch im Umkehrschluss gilt, für ihre Studenten, ihre Schüler. Sie erzählt die Geschichte von dem Juristen, "schöner Bariton, Leporello-Stimme", der ihr als Schüler eines Tages offenbarte, er wolle ins Profisängerfach einsteigen. Sie riet ihm ab, ganz offen und ehrlich – denn er werde nicht erfolgreich sein: "Du musst ab und zu den Leuten die Wahrheit sagen." Der Mann sei ihr heute noch dankbar.

Mit dieser Konsequenz, man kann es auch Härte nennen, begegnet sich Olga Peretyatko auch selbst. Auf ihren Körper hören, nicht mit aller Kraft gegen ihn ankämpfen, nur weil es die Engagements verlangen. So formuliert sie eine Maxime ihres Künstlerberufs: "Übertreiben ist schlecht. Man muss immer im Gleichgewicht bleiben." Sie habe die Situation erlebt, in der sie keine Kraft mehr hatte, in der der Körper "Tschüß" sagte. Da half auch nicht die Methode, kaum zu sprechen. Zu Hause bleiben, ausruhen, Tee trinken. "Man muss auf seinen Körper hören."

Wenn das nun so klingen sollte, als würde Olga Peretyatko alles zufliegen, als sei ihre Kunst vor allem Lebenskunst – weit gefehlt. Als sie beispielsweise 2005 das erste Mal bei den Rossini-Festspielen in Bad Wildbad sang, wurde sie zur Gesangsakademie beim Rossini-Festival ein Jahr später nach Pesaro eingeladen. Dort debütierte sie in "Il viaggio a Reims", gleich in zwei Partien. Einmal die Contessa di Folleville, und drei Tage später Corinna. "Ich habe die Partie gelernt in vier Tagen, bin weiß geworden – ich hab "kein Meer gesehen, es war nur Stress", erzählt sie. Aber das gehöre dazu – Regisseure und Dirigenten testeten oft die Belastbarkeit junger Sänger. Funktioniert es, kommen weitere Angebote.

Seit 2007 nun kann sie es sich leisten, als freiberuflich schaffende Künstlerin zu reisen, Partien anzunehmen – auch abzulehnen. Im Belcanto-Fach sieht sie noch eine längere Zukunft, auch wenn sie weiß, dass jede Stimme sich weiterentwickelt, verändert. Ihr dunkles Timbre ist spürbar, als junges Mädchen in Russland habe sie im Chor im Alt gesungen, erzählt sie. "Weil ich eine tiefe Sprechstimme habe." Wie es weitergeht? Sie sieht ihre Entwicklung gelassen. "Alles, was passiert, ist richtig. Man muss sehen, in welche Richtung es geht, und mitgehen."

Als sie in der Spielzeit 2011/12 in Baden-Baden für die erkrankte Miah Persson beim "Liebestrank" einsprang, war das so ein Moment. "Um sieben Uhr war ich in der Garderobe. Um acht hat es angefangen. Rolando" – Regisseur Rolando Villazón – "sagte mir: Ich erzähle dir, was du tun sollst." Währenddessen wurde sie geschminkt. Nach der Vorstellung sei der Regisseur, der selbst den Nemorino sang, begeistert auf sie zugekommen und sagte: "Du hast alles gemacht." Worauf sie erwiderte: "Ich hab’ zugehört..."

Das war der Beginn einer wunderbaren Zusammenarbeit, die nun mit "La Traviata" in Baden-Baden einen neuen Höhepunkt finden soll. Für Olga Peretyatko ist es, wenige Wochen nach Lausanne, gleich die zweite Violetta. Kann es da Probleme mit den womöglich unterschiedlichen Regieprofilen geben? "Mal sehen... Du hast schon deine Violetta, wenn du die Rolle einstudierst. Und dann musst du mit dem Regisseur sprechen." Dem Regisseur Villazón blickt sie mit Zuversicht entgegen. "Er war selber Sänger. Und er ist ein sehr intelligenter Regisseur, der in die Tiefe geht. Ich glaube ihm." Zu den Mitwirkenden zählen der Balthasar-Neumann-Chor und das Balthasar-Neumann-Ensemble. Die musikalische Leitung hat Pablo Heras-Casado.

Termine: Baden-Baden, "La Traviata", Festspielhaus, Premiere: Fr, 22. Mai, 19 Uhr; weitere Aufführungen: Mo, 25. Mai, 18 Uhr, und Fr, 29. Mai, 19 Uhr;
Info: Tel. 07221/3013101 sowie
http://www.festspielhaus.de
von Alexander Dick
am Mi, 20. Mai 2015

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