Schutterwald
Wunderheiler wollte in Schutterwald per Handauflegen helfen
Mitte der 70er Jahre sorgte der Schutterwälder Ortsteil Langhurst für Furore: Schier täglich standen Hunderte vor dem Häuschen von Josef Weber. Der aus Oberschlesien stammende Bauarbeiter und Raupenfahrer beteuerte, Kranke durch bloßes Handauflegen heilen zu können.
Doch nicht mal zwei Jahre währte der Spuk, auch weil ihm die Justiz im Nacken saß. Ihm selbst hat seine angebliche überirdische Kunst auf Dauer nichts genutzt: Er starb mit nur 46 Jahren. Webers Wirken ist Teil der "Wunder"-Ausstellung im Museum im Ritterhaus in Offenburg.
"Täglich sind damals Scharen von Menschen nach Schutterwald gepilgert", erzählt Anne Junk einem vielköpfigen Publikum, das sich neulich zur "Kulturpause" im Ritterhaus eingefunden hatte, einer viertelstündigen Kurzführung. Es waren zumeist ältere Semester, darunter offenbar viele, die Josef Weber entweder persönlich kannten oder zeitnah immer wieder Schlagzeilen aufschnappten. "Die lokalen Medien hielten sich damals eher zurück", sagte Junk, umso war die Bild-Zeitung Feuer und Flamme.
Es war die Zeit, da ein gewisser Manfred Köhnlechner gegen die Schulmedizin aufbegehrte und für die Zunft der Heilpraktiker zum Vorbild wurde. Selbst dem Spiegel war der Boom im Februar 1974 eine Titelgeschichte wert – in der auch Josef Weber vorkam. Der habe, beruft sich das Nachrichtenmagazin auf Boulevardblätter, sogar "Weise wieder gehend, Taube wieder hörend, eine Kuh wieder zur Milchkuh gemacht" – ohne auch nur den Hauch einer medizinischen oder tiermedizinischen Ausbildung absolviert zu haben.
"Die Menschenmassen jedenfalls", die nach Langhurst strömten, so Anne Junk, das war schon sehenswert. Das wisse sie von Fotos und auch aus einem Aufsatz der Historiker Uwe Schellinger, aus Friesenheim stammend, und Gerhard Mayer, "Webers Hände: Wirken und Wirkungen des Wunderheilers von Schutterwald", veröffentlicht in der "Ortenau" des Historischen Vereins Mittelbaden.
Geboren wurde er am 18. März 1945 in Dramatal in Oberschlesien, der Vater soll Wehrmachtsangehöriger gewesen sein. Name unbekannt. Mutter Helene und die Kinder wurden Flüchtlinge. Sie landen in Altdorf, dann in Nonnenweier. 1952 heiratet die Mutter Hermann Weber aus Ringsheim. Im September 1953 zieht die Familie nach Friesenheim. Er geht dort zur Schule. Er macht Ausbildungen zum Kfz-Mechaniker und zum Pflasterer, leistet in Achern seinen Wehrdienst ab, heiratet sehr jung. Die junge Familie zieht Anfang der 70er Jahre in den Schutterwälder Ortsteil Langhurst.
Weber macht sich als Bauunternehmer selbständig, muss aber bald Konkurs anmelden, was eine Bewährungsstrafe wegen betrügerischen Bankrotts nach sich zieht. Richtig ins Gefängnis aber, für vier Monate, muss er, weil er Unterhaltszahlungen nicht geleistet habe, so Anne Junk, Gläubiger hätten ihm zugesetzt: "Dennoch baut er ein Haus." Sein Brot verdient er als Bauarbeiter und Raupenfahrer. Plötzlich, im Spätjahr 1973, annonciert das Ehepaar Weber im örtlichen Verkündblatt: "Schiwa sagt Ihnen Ihre Zukunft voraus." Mit Kartenlegen und Pendeln sollte das gelingen.
Im Dezember 1973 soll ihm eine innere Stimme gesagt haben, er sei ausersehen, Menschen zu helfen. Schon die Großmutter habe seherische Fähigkeiten gehabt: "Ab Januar 1974 versucht er dann, durch Handauflegen, Patienten zu heilen. Der große Boom kommt durch Berichte in der Bild-Zeitung." Über angebliche wundersame Heilungen. Webers Haus in Langhurst befindet sich schier im Belagerungszustand.
Honorare verlangt er angeblich keine, "doch er hat sich gerne was zustecken lassen" – pro Monat soll er bald bis zu 20. 000 D-Mark verdient haben. Die Leute geben in ihrer Not das letzte Hemd – für ihn ein lukratives Geschäft. Doch auch andere bekommen was vom Kuchen ab: Hotellerie, Gastronomie, Taxifahrer. Auch anderswo in Deutschland legt Weber Hand auf – nicht selten nimmt er als Reisemittel das Flugzeug.
Mitte 1975 verlegt Weber seinen Stammsitz ins Markgräflerland, hat Filialen in Nürtingen oder im Saarland. Etwa zur selben Zeit erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage wegen des Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz, das Verfahren landet vor dem Bundesgerichtshof. Im März 1977 wird Weber vom Landgericht Offenburg zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verdonnert. Er zieht nach Frankreich, nennt sich "Pneumotherapeut". Auch dort wird er verurteilt.
Am 29. August 1991, mit nur 46 Jahren, stirbt Weber nach einem Herzinfarkt. Er hinterlässt laut Anne Junk neun Kinder von acht verschiedenen Frauen, dazu "zahlreiche geschröpfte Leute", angeblich aber auch Menschen, deren Leid er lindern konnte. In einem Beitrag des "ARD-Ratgebers Gesundheit" von 1975, der in der Ritterhaus-Ausstellung zu sehen ist, sagt ein befragter Arzt: "Ein Patient, der einen Wunderheiler aufsucht, hat eine große Sehnsucht." Bereits die vorübergehende Verbesserung der Symptome werde als Heilung und als lohnenswert angesehen. Koste es, was es wolle.
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von Hubert Röderer
Doch nicht mal zwei Jahre währte der Spuk, auch weil ihm die Justiz im Nacken saß. Ihm selbst hat seine angebliche überirdische Kunst auf Dauer nichts genutzt: Er starb mit nur 46 Jahren. Webers Wirken ist Teil der "Wunder"-Ausstellung im Museum im Ritterhaus in Offenburg.
Boulevard-Zeitung war Feuer und Flamme
"Täglich sind damals Scharen von Menschen nach Schutterwald gepilgert", erzählt Anne Junk einem vielköpfigen Publikum, das sich neulich zur "Kulturpause" im Ritterhaus eingefunden hatte, einer viertelstündigen Kurzführung. Es waren zumeist ältere Semester, darunter offenbar viele, die Josef Weber entweder persönlich kannten oder zeitnah immer wieder Schlagzeilen aufschnappten. "Die lokalen Medien hielten sich damals eher zurück", sagte Junk, umso war die Bild-Zeitung Feuer und Flamme.
Es war die Zeit, da ein gewisser Manfred Köhnlechner gegen die Schulmedizin aufbegehrte und für die Zunft der Heilpraktiker zum Vorbild wurde. Selbst dem Spiegel war der Boom im Februar 1974 eine Titelgeschichte wert – in der auch Josef Weber vorkam. Der habe, beruft sich das Nachrichtenmagazin auf Boulevardblätter, sogar "Weise wieder gehend, Taube wieder hörend, eine Kuh wieder zur Milchkuh gemacht" – ohne auch nur den Hauch einer medizinischen oder tiermedizinischen Ausbildung absolviert zu haben.
"Die Menschenmassen jedenfalls", die nach Langhurst strömten, so Anne Junk, das war schon sehenswert. Das wisse sie von Fotos und auch aus einem Aufsatz der Historiker Uwe Schellinger, aus Friesenheim stammend, und Gerhard Mayer, "Webers Hände: Wirken und Wirkungen des Wunderheilers von Schutterwald", veröffentlicht in der "Ortenau" des Historischen Vereins Mittelbaden.
Wer war dieser Josef Weber?
Geboren wurde er am 18. März 1945 in Dramatal in Oberschlesien, der Vater soll Wehrmachtsangehöriger gewesen sein. Name unbekannt. Mutter Helene und die Kinder wurden Flüchtlinge. Sie landen in Altdorf, dann in Nonnenweier. 1952 heiratet die Mutter Hermann Weber aus Ringsheim. Im September 1953 zieht die Familie nach Friesenheim. Er geht dort zur Schule. Er macht Ausbildungen zum Kfz-Mechaniker und zum Pflasterer, leistet in Achern seinen Wehrdienst ab, heiratet sehr jung. Die junge Familie zieht Anfang der 70er Jahre in den Schutterwälder Ortsteil Langhurst.
Weber macht sich als Bauunternehmer selbständig, muss aber bald Konkurs anmelden, was eine Bewährungsstrafe wegen betrügerischen Bankrotts nach sich zieht. Richtig ins Gefängnis aber, für vier Monate, muss er, weil er Unterhaltszahlungen nicht geleistet habe, so Anne Junk, Gläubiger hätten ihm zugesetzt: "Dennoch baut er ein Haus." Sein Brot verdient er als Bauarbeiter und Raupenfahrer. Plötzlich, im Spätjahr 1973, annonciert das Ehepaar Weber im örtlichen Verkündblatt: "Schiwa sagt Ihnen Ihre Zukunft voraus." Mit Kartenlegen und Pendeln sollte das gelingen.
Großmutter mit seherischen Fähigkeiten
Im Dezember 1973 soll ihm eine innere Stimme gesagt haben, er sei ausersehen, Menschen zu helfen. Schon die Großmutter habe seherische Fähigkeiten gehabt: "Ab Januar 1974 versucht er dann, durch Handauflegen, Patienten zu heilen. Der große Boom kommt durch Berichte in der Bild-Zeitung." Über angebliche wundersame Heilungen. Webers Haus in Langhurst befindet sich schier im Belagerungszustand.
Honorare verlangt er angeblich keine, "doch er hat sich gerne was zustecken lassen" – pro Monat soll er bald bis zu 20. 000 D-Mark verdient haben. Die Leute geben in ihrer Not das letzte Hemd – für ihn ein lukratives Geschäft. Doch auch andere bekommen was vom Kuchen ab: Hotellerie, Gastronomie, Taxifahrer. Auch anderswo in Deutschland legt Weber Hand auf – nicht selten nimmt er als Reisemittel das Flugzeug.
Mitte 1975 verlegt Weber seinen Stammsitz ins Markgräflerland, hat Filialen in Nürtingen oder im Saarland. Etwa zur selben Zeit erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage wegen des Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz, das Verfahren landet vor dem Bundesgerichtshof. Im März 1977 wird Weber vom Landgericht Offenburg zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verdonnert. Er zieht nach Frankreich, nennt sich "Pneumotherapeut". Auch dort wird er verurteilt.
"Er hat zahlreiche Menschen geschröpft"
Am 29. August 1991, mit nur 46 Jahren, stirbt Weber nach einem Herzinfarkt. Er hinterlässt laut Anne Junk neun Kinder von acht verschiedenen Frauen, dazu "zahlreiche geschröpfte Leute", angeblich aber auch Menschen, deren Leid er lindern konnte. In einem Beitrag des "ARD-Ratgebers Gesundheit" von 1975, der in der Ritterhaus-Ausstellung zu sehen ist, sagt ein befragter Arzt: "Ein Patient, der einen Wunderheiler aufsucht, hat eine große Sehnsucht." Bereits die vorübergehende Verbesserung der Symptome werde als Heilung und als lohnenswert angesehen. Koste es, was es wolle.
Ausstellung Ritterhaus-Museum Offenburg, "Wunder – Facetten des Unfassbaren", noch bis zum 25. Juni, Di-So, 10 bis 17 Uhr.
- Reportage: Ein "Seher" äußert sich zum Fall Carolin G.
am
Mi, 22. Februar 2017 um 11:55 Uhr