Zum Lachen und zum Weinen

Das Stadtkino Basel widmet der 85-jährigen Schauspielerin Liselotte Pulver eine Retrospektive.

Bereits Liselotte Pulvers erste Worte im Stadtkino Basel zeigen ihre Nähe zum Publikum. "Fragen wir doch die Besucher, ob wir unser Gespräch auf Hochdeutsch oder auf Schwyzerdütsch führen sollen", sagt die Schauspielerin. Schwyzerdütsch verstehen alle im Saal, so spricht Liselotte Pulver, die sich mit Blick auf ihre Karriereanfänge augenzwinkernd als "Bernermaidli" bezeichnet, im Dialekt mit dem Kulturwissenschaftler Johannes Binotto.

Das Stadtkino ist voll an diesem Sonntagabend. Mehr als voll: Selbst neben den Sitzen auf dem Boden sitzen Zuhörer, andere wiederum harren vor der Kasse aus, ob nicht vielleicht doch jemand seine reservierten Eintrittskarten nicht abholt. Alle sind gekommen, um eine Schauspielerin zu huldigen, die in der Zeit des deutschen Wirtschaftswunders und im Nachkriegskino der 1950er-Jahre zum Star wurde. Liselotte Pulver spielte in "Ich denke oft an Piroschka" ein ungarisches Mädchen vom Lande, tanzte in Billy Wilders DDR-Komödie "Eins, Zwei, Drei" lasziv auf einem Tisch und trat fünf Jahre lang in der Kindersendung "Sesamstraße" neben dem Zottelbären Samson auf.

Angesichts ihrer Erfolge im deutschen Film sowie später in Frankreich neigen vor allem deutsche Kinogänger dazu, zu vergessen, dass die 85-Jährige eine Schweizer Schauspielerin ist. Ob sie die Schweiz vergessen habe, will ein Besucher angesichts der Tatsache wissen, dass sie zu ihrem 80. Geburtstag 2009 zwar im deutschen Fernsehen ausgiebig gewürdigt wurde, aber sich in den Schweizer Medien kaum etwas zu ihr fand. "Es kommt natürlich darauf an, wie viel man wo gearbeitet hat", sagt die Künstlerin. In der Schweiz habe sie ja lediglich zu Beginn in Bern und Zürich auf der Theaterbühne, später für "Uli, der Knecht" (1951) unter der Regie von Franz Schnyder vor der Kamera gestanden. In Deutschland hingegen habe sie später einen Film nach dem anderen gedreht.

Ein gewaltiges Arbeitspensum ist es, dass Liselotte Pulver in jungen Jahren geschultert hat. So erzählt sie, wie sie wochenlang täglich zwischen Berlin und Salzburg pendelte: In der deutschen Hauptstadt drehte sie für den Melodram-Spezialisten Douglas Sirk den Film "A Time to Love and a Time to Die", abends stand sie bei den Salzburger Festspielen in Lessings "Emilia Galotti" auf der Bühne, einer Rolle, die sie unbedingt haben wollte. "Das macht man eben, wenn man jung ist", meinte sie dazu nur.

Überhaupt fällt die Schauspielerin durch ihre Bescheidenheit auf. Von Binotto darauf angesprochen, dass während der Dreharbeiten zu "Ueli, der Knecht" der damals im Schweizer Exil lebende Charlie Chaplin am Filmset vorbeischaute, meinte sie: "Wir haben nur kurz geredet, man kann nicht sagen, dass ich ihn kannte." Zu dem späteren Filmklassiker "Ben Hur" (1959), zu dem sie Probeaufnahmen für die weibliche Hauptrolle hätte absolvieren sollen, was aber aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung in Deutschland scheiterte, sagte sie: "Ich glaube sowieso nicht, dass ich die Rolle bekommen hätte." Den Umstand, dass sich Liselotte Pulver bei ihren auf Englisch und Französisch gedrehten Filmen selbst synchronisierte, misst sie keine große Bedeutung bei: "Das war damals normal, auch Maria Schell, Hildegard Knef und Nadja Tiller haben das gemacht." Für "Ben Hur" immerhin wurde sie gewissermaßen entschädigt: So drehte sie statt mit Charlton Heston den Film "Gustav Adolfs Page", bei dem sie Helmut Schmid kennenlernte, mit dem sie mehr als 30 Jahre verheiratet war. Die Retrospektive im Stadtkino ist in Anlehnung an den Sirk-Film mit "A Time to Laugh and a Time to Cry" überschrieben. Sie habe sich eigentlich als Tragödin gesehen, die aber immer andere zum Lachen brachte, hat sie in ihrer Autobiographie geschrieben. An diesem Abend überwog das Lachen, die gezeigten Filme aber zeigen die ganze emotionale Bandbreite von Pulvers Schaffen.
– Am Mittwoch, 10. Dezember, zeigt das Stadtkino Basel (Klostergasse 5) um 21 Uhr "Das Glas Wasser" von Helmut Käutnert. Das ganze Programm unter http://www.stadtkino.ch
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am Di, 09. Dezember 2014

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