Schwäbisch-alemannische Fasnacht

Holzmaskenausstellung in Grafenhausen

Eine Holzmaskenausstellung zeigt die          breite Palette der schwäbisch-alemannischen Fasnacht .

Gling-glong" macht die Tür. Schon beim Eintreten sind sie zu spüren, die vielen, vielen Blicke. Unzählige Augenpaare scheinen auf einen gerichtet, aus mal freundlichen, mal fratzenhaften Gesichtern. Sie starren aus roten, giftgrünen oder gelben Augen, glotzen mit stahlblauem, kaltem, oft aber auch hohlem Blick. Dabei zeigen sie tadellos weiße, ebenmäßige Zähne oder ein gelbes Gebiss mit unheilvoll gebleckten Zähnen: Eine solch lustig-gruselige Holzlarvengemeinde begrüßt die Besucher von den Wänden der Grafenhauser Ladenwerkstatt herab. Und jetzt zur Fasnetzeit werden sie überall im schwäbisch-alemannischen Raum wieder von Hästrägern zum Leben erweckt.

Mehr als 150 handgefertigte Unikate hat Simon Stiegeler für seine aktuelle Ausstellung in den Räumen seiner Holzschnitzerei aufgehängt. Darunter sind Schemmen – wie die Holzmasken auch genannt werden – von Zünften ebenso wie fantasievolle Eigenkreationen. Die Palette reicht von traditionellen Glattlarven bis zu Masken von Zünften, die sich neu gegründet und Stiegeler damit beauftragt haben, nach Geschichten und Legenden aus ihrem Ort eine Schemme zu erfinden. Etwa 40 solcher Neuentwicklungen gibt es zu sehen, daneben aber auch Masken, die noch aus der Sammlung seines Vaters Adalbert Stiegeler stammen, der die Schnitzerei 1965 gegründet hat. 1995 übernahm Sohn Simon den Betrieb, den er gemeinsam mit seiner Mutter betreibt. Auch Ehefrau Lilian hilft mit – sie ist es, die den Holzmasken Leben einhaucht und sie mit selbstgemischten Acrylfarben kunstvoll bemalt.

Nur noch wenige beherrschen die Kunst des Maskenschnitzens im süddeutschen Raum. Kein Wunder, das Stiegelers Masken 2010 bei der Weltausstellung Expo in Schanghai im deutschen Pavillon vertreten waren. Stiegeler hat sein Handwerk im väterlichen Betrieb und auf einer österreichischen Fachschule für Bildhauerei von Grund auf gelernt. Das Holzmaskenschnitzen ist nur ein Teilgebiet des vielseitigen Künstlers, doch auch diesem widmet er sich mit Leidenschaft, wie die Maskenschau belegt. "Die Idee zur Ausstellung ist entstanden, weil ich gemerkt habe, dass sich viele meiner Kunden und Besucher hintergründiger für die Masken interessieren", sagt Stiegeler. So wird während der Ausstellung nicht nur die Werkstatt des Künstlers, sondern das gesamte Ladengeschäft von Narren-, Hexen-, Teufel- und Tiermasken bevölkert. "Für die Leute ist es ein Erlebnis. Sie kommen, weil ich etwas zu jeder Maske erzählen kann und sie mir bei der Herstellung zuschauen können."

Stiegeler fertigt seine Masken aus Lindenholz. Doch bis aus einem Holzblock eine Maske wird, ist es ein weiter Weg: Zuerst zeichnet Stiegeler eine Skizze, die als Vorlage für ein Knetmodell in Originalgröße dient. Die Maße und Konturen der Modellmaske werden dann auf einen verleimten Holzblock übertragen, der grob mit einer Fräse bearbeitet wird – die einzige Maschine, die während des gesamten Fertigungsprozesses zum Einsatz kommt. Die restlichen Arbeiten macht Stiegeler von Hand, schlägt erst mit einem großen Schnitzeisen die groben Züge aus dem Klotz, schnitzt immer weiter, bis auf der Vorderseite der ausgehöhlten Maske die Konturen so fein wie die des Knetmodells sind. Bis zu 30 Stunden arbeitet Stiegeler so an einem Einzelstück, das zwischen 250 und 350 Euro kostet. Selbst für eine Maske, die in Serie geht, braucht er etwa 20 Stunden, denn auch die sind handgemachte Unikate.

Nicht nur die Masken selbst beeindrucken, faszinierend sind auch die Geschichten hinter den Schemmen, die zum Leben erweckt werden – wie beispielsweise die Sage über die Pelznikel aus Dittishausen. Auf Wunsch der Dittishausener schnitzte Stiegeler eine rotäugige Teufelsmaske, die nun von der Wand auf den Besucher hinabstarrt. Als Vorlage der Teufelsfratze hat den Dittishausener die Sage von der Teufelsritze gedient, die der Autor Bernhard Baader 1859 veröffentlicht hat. Sie erzählt von zwölf Burschen, die sich am Vorabend des Nikolaus als Pelznikel vermummten und so verkleidet in die Häuser gingen. Als diese jedoch eine Stube betraten, bemerkte der Hausherr, dass es auf einmal 13 Gestalten waren, draußen auf der Straße aber wieder nur zwölf. Das kam ihm verdächtig vor, er rief die Pelznikel zurück und besprengte sie flugs mit Weihwasser. Der Dreizehnte fuhr daraufhin mit fürchterlichem Gebrüll in die Lüfte und kratzte dabei den Giebel des Nachbarhauses mit einer breiten Ritze an, die nicht mehr wegzubekommen war – die Teufelsritze.

Erstmals zu sehen sind die Feuerteufel aus Lörrach, die Ulmer Wasserbrackhexen, die Ingersheimer Holma’le und die Rieberger Moorschlammbe. Als weiterer Höhepunkt darf auch der Schwarzwaldteufel, ein Eigenentwurf Stiegelers, gelten. Mit goldgelben Augen und Geweih sieht er furchterregend und edel zugleich aus. "Es ist dieses Verwegene und Verwurzelte, was charakteristisch für den Schwarzwald ist", beschreibt Stiegeler das Stück. "Diese Maske zeigt das Wechselspiel zwischen der Tradition, in der ich mich fühle und der ich meine eigenen Facetten hinzufügen will."
von Anita Fertl
am Fr, 30. Januar 2015

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