Neue Blickwinkel
Wie ein Spaziergang zur Fototour gerät
An Tagen wie diesen sind Bewegung, Luft und Sonne wichtig wie selten zuvor. Und gleichzeitig auch kompliziert, weil es von vielem noch ein bisschen mehr braucht. Den Platz etwa, um den nötigen Abstand zu halten. Oder die Motivation, wenn es gilt, den Teenagersohn tagtäglich nach draußen zu bewegen. Das alles suchen und finden wir am Freiburger Schönberg.
Klar, alleine mit der Mutter einen Spaziergang zu machen, ist in einem bestimmten Alter so attraktiv wie ein Metzgereibesuch für einen Vegetarier. Helfen kann bei Technik- und Selfie-affinen Sprösslingen vielleicht das Versprechen, eine Navigations-App für die Tour zu laden (ist dann ein bisschen so wie Geo-Caching) und die heißgeliebte Superkamera während des Spaziergangs an den Sohn abzugeben: Der Deal ist perfekt, darauf eine Ghettofaust und los geht’s.
Startpunkt der sogenannten Schöne-Aussicht-Runde ist das nahegelegene Wittnau. Ungewohnt leer fühlt sich der Rucksack an, nicht wie sonst schwer befüllt selbst für zwei Stunden-Touren mit den immerhungrigen Teenager-Kumpels des Sohns. Seltsam ruhig auch die ersten Meter, wo sich die Jungs gewöhnlich munter plappernd über neue Spiele, komische Lehrer und mehr austauschten.
Vögel zwitschern, Insekten summen, doch sonst frühlingt die Natur eher leise vor sich hin. Violette Traubenhyazinthen schunkeln sachte im Wind, blühende Bäume und Forsythienbüsche bilden ein buntes Spalier zum Ort hinaus. Ach, tut das gut, die Luft, die Sonne im Gesicht. Der Sohn ist auf Motivsuche schon vorgeprescht. "Da, ein Bienenstock!" – "Nicht so nah ran, sonst gibt’s Bilder, gestochen scharf." – "Ha, ha, sehr witzig, Mama." Klick-klick macht’s aus sicherem Abstand, doch das Ergebnis sei noch ausbaufähig, meint der Sohn.
Da taugen die beiden nächsten Fotomodels schon besser, posen und stehen doch brav still dabei: Bei Buschwindröschen und Löwenzahn kommen wir dank Blumensymbol-Makro-Einstellung dem Inneren der Blüte wie aus Bienenperspektive so nah, dass uns selbst die Fruchtköpfchen zuzunicken scheinen.
So motiviert ist der Kapuzinerbuck schnell erkraxelt. Wow, was für eine Aussicht: Über Au fliegt der Blick bis zum Lorettoberg hinüber, wo Legostein-kleine Häuser wie eine weiße Welle den Schlierberg hochschwappen. Da juckt der Zeigefinger, doch nicht beim Junior, so dass die Kamera kurz den Besitzer wechseln darf: klick-klick.
Der Sohn biegt in den Wiesenweg ein, hat vor der Nase den Rosskopf, auf dem die Windräder winzig wie Geburtstagskerzen stecken; davor gibt eine weitere einsame Spaziergängerin einen rosafarbenen Farbtupfe dazu – klick, klick.
Mit einem: "Da, ein Schmetterling!", kommt Hektik in die Beschaulichkeit, frech tanzt der Falter vor unseren Nasen. Eine wilde Verfolgungsjagd entbrennt, bis sich das Tier endlich auf einem Grasbüschel niederlässt. Vorsichtig schleichen wir näher, mit dem Finger am Auslöser. Klick – verflixt, noch zu weit weg. Doch noch vor dem zweiten Versuch macht er die Fliege, der Kleine Fuchs, uneinholbar.
Nach so viel fotografischer Inkompetenz übernimmt Junior wieder Fotoapparat und Wegführung und hat schon gleich das nächste Motiv im Sucher: Krähen ziehen ihre Kreise über unsere Köpfe hinweg, lassen sich auf braunen Feldern nieder. "Soll ich sie mal zu dir treiben?", schlage ich vor. Blöde Idee. Tatsächlich lassen sich die Vögel mit Klatschen aufscheuchen, machen die große Flatter – aber in die falsche Richtung. Doch es sind noch mehr unterwegs, eine Krähengruppe erbarmt sich schließlich, klick-klick und weiter geht’s in einen richtigen Märchenwald hinein.
Dort laufen wir oberhalb von Wittnau an den krönenden Abschluss der Runde und im besten Wortsinn direkt an die Wand: Ein Steinbruch steht mitten im Wald, ein riesiger Kalkfelsen. "Stell dich mal davor", kommandiert der Jungfotograf. Aber gerne doch. Mächtig baut sich die steinerne Wand vor einem auf, ein mit Efeu und Moos bewachsener braungrauer Koloss, wie er ebenso irgendwo im Urwald stehen könnte, in den Anden vielleicht, in Indonesien oder in … "Hab’s im Kasten, lass uns geh’n", stoppt eine Stimme die reiselustigen Gedankenhöhenflüge – vorerst. Denn zu Hause, am Bildschirm, wenn wir uns die Fotos in groß angucken, gehen sie dann weiter.
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Bewegung gegen Corona-Blues: Eine Radtour bei Freiburg von Anita Fertl
Klar, alleine mit der Mutter einen Spaziergang zu machen, ist in einem bestimmten Alter so attraktiv wie ein Metzgereibesuch für einen Vegetarier. Helfen kann bei Technik- und Selfie-affinen Sprösslingen vielleicht das Versprechen, eine Navigations-App für die Tour zu laden (ist dann ein bisschen so wie Geo-Caching) und die heißgeliebte Superkamera während des Spaziergangs an den Sohn abzugeben: Der Deal ist perfekt, darauf eine Ghettofaust und los geht’s.
Startpunkt der sogenannten Schöne-Aussicht-Runde ist das nahegelegene Wittnau. Ungewohnt leer fühlt sich der Rucksack an, nicht wie sonst schwer befüllt selbst für zwei Stunden-Touren mit den immerhungrigen Teenager-Kumpels des Sohns. Seltsam ruhig auch die ersten Meter, wo sich die Jungs gewöhnlich munter plappernd über neue Spiele, komische Lehrer und mehr austauschten.
1. Station: Bienen und Blumen
Vögel zwitschern, Insekten summen, doch sonst frühlingt die Natur eher leise vor sich hin. Violette Traubenhyazinthen schunkeln sachte im Wind, blühende Bäume und Forsythienbüsche bilden ein buntes Spalier zum Ort hinaus. Ach, tut das gut, die Luft, die Sonne im Gesicht. Der Sohn ist auf Motivsuche schon vorgeprescht. "Da, ein Bienenstock!" – "Nicht so nah ran, sonst gibt’s Bilder, gestochen scharf." – "Ha, ha, sehr witzig, Mama." Klick-klick macht’s aus sicherem Abstand, doch das Ergebnis sei noch ausbaufähig, meint der Sohn.
Da taugen die beiden nächsten Fotomodels schon besser, posen und stehen doch brav still dabei: Bei Buschwindröschen und Löwenzahn kommen wir dank Blumensymbol-Makro-Einstellung dem Inneren der Blüte wie aus Bienenperspektive so nah, dass uns selbst die Fruchtköpfchen zuzunicken scheinen.
2. Station: Panorama und Fuchs
So motiviert ist der Kapuzinerbuck schnell erkraxelt. Wow, was für eine Aussicht: Über Au fliegt der Blick bis zum Lorettoberg hinüber, wo Legostein-kleine Häuser wie eine weiße Welle den Schlierberg hochschwappen. Da juckt der Zeigefinger, doch nicht beim Junior, so dass die Kamera kurz den Besitzer wechseln darf: klick-klick.
Der Sohn biegt in den Wiesenweg ein, hat vor der Nase den Rosskopf, auf dem die Windräder winzig wie Geburtstagskerzen stecken; davor gibt eine weitere einsame Spaziergängerin einen rosafarbenen Farbtupfe dazu – klick, klick.
Mit einem: "Da, ein Schmetterling!", kommt Hektik in die Beschaulichkeit, frech tanzt der Falter vor unseren Nasen. Eine wilde Verfolgungsjagd entbrennt, bis sich das Tier endlich auf einem Grasbüschel niederlässt. Vorsichtig schleichen wir näher, mit dem Finger am Auslöser. Klick – verflixt, noch zu weit weg. Doch noch vor dem zweiten Versuch macht er die Fliege, der Kleine Fuchs, uneinholbar.
3. Station: Grosse Flatter und ein Steinbruch
Nach so viel fotografischer Inkompetenz übernimmt Junior wieder Fotoapparat und Wegführung und hat schon gleich das nächste Motiv im Sucher: Krähen ziehen ihre Kreise über unsere Köpfe hinweg, lassen sich auf braunen Feldern nieder. "Soll ich sie mal zu dir treiben?", schlage ich vor. Blöde Idee. Tatsächlich lassen sich die Vögel mit Klatschen aufscheuchen, machen die große Flatter – aber in die falsche Richtung. Doch es sind noch mehr unterwegs, eine Krähengruppe erbarmt sich schließlich, klick-klick und weiter geht’s in einen richtigen Märchenwald hinein.
Dort laufen wir oberhalb von Wittnau an den krönenden Abschluss der Runde und im besten Wortsinn direkt an die Wand: Ein Steinbruch steht mitten im Wald, ein riesiger Kalkfelsen. "Stell dich mal davor", kommandiert der Jungfotograf. Aber gerne doch. Mächtig baut sich die steinerne Wand vor einem auf, ein mit Efeu und Moos bewachsener braungrauer Koloss, wie er ebenso irgendwo im Urwald stehen könnte, in den Anden vielleicht, in Indonesien oder in … "Hab’s im Kasten, lass uns geh’n", stoppt eine Stimme die reiselustigen Gedankenhöhenflüge – vorerst. Denn zu Hause, am Bildschirm, wenn wir uns die Fotos in groß angucken, gehen sie dann weiter.
Infos: Schöne-Aussicht-Runde Wittnau auf der Komoot-App kostenlos zum Herunterladen; Profil: 5,8 Kilometer, 170 Höhenmeter.
Tipp: Für schönere Blicke, die Route lieber entgegengesetzt gehen; http://mehr.bz/bergsch
Tipp: Für schönere Blicke, die Route lieber entgegengesetzt gehen; http://mehr.bz/bergsch
Bewegung gegen Corona-Blues: Eine Radtour bei Freiburg von Anita Fertl
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So, 26. April 2020 um 07:00 Uhr