Komödie

1000 Gramm: Das Gewicht der Seele

KOMÖDIE: "1001 Gramm".

Die Versuche des Menschen, die Welt durch Wissenschaft und Arbeit zu kategorisieren, waren in den Filmen des Norwegers Bent Hamer immer wieder Thema: In "Kitchen Stories" loteten Forscher die Küchengewohnheiten von Hausfrauen aus, und in "O’ Horten" musste ein pensionierter Lokführer lernen, sein Leben nicht mehr nach dem Rhythmus der Fahrpläne zu richten. In seinem neuen Film "1001 Gramm" nimmt Hamer sich einen Bereich vor, der in unserem Alltag fortwährend präsent ist, ohne dass wir es uns bewusst machen: Maße und Gewichte.

Im Mittelpunkt der Erzählung steht die Enddreißigerin Marie, die für das norwegische Eichamt arbeitet und fest überzeugt ist, dass nur eine exakt kontrollierte Messung von Gramm, Millimetern und Zentilitern das Leben im Lot hält. Kürzlich geschieden, wickelt Marie den ehelichen Haushalt mit der gleichen Akribie und Sachlichkeit ab. Eines Tages erhält sie die ehrenvolle Mission, zu einer Konferenz des Internationalen Maß- und Gewichtsbüros nach Paris zu reisen. Im Gepäck: das "Norwegische Kilo", das als nationales Referenzgewicht der ganze Stolz ihres Instituts ist. Einem Kronjuwel gleich ruht es silberglänzend unter einer zweifachen Glasglocke in einem Tresor. In Paris, man ahnt es, trifft Marie dann nicht nur auf gleichgesinnte Eierköpfe, sondern auch eine neue Liebe: einen charmanten Franzosen, der die strenge Welt der Maße und Gewichte gegen ein Leben als Gärtner eingetauscht hat.

Hamer inszeniert diesen Kontrast aus Kontrollwillen und der Schönheit, dem Leben manchmal seinen Lauf zu lassen, mit meditativ anmutender Gelassenheit. Ruhige, lange Einstellungen zeigen die Eichamtsspezialisten, von deren Verrichtungen eine eigentümliche Faszination ausgeht, aber auch ein feiner Humor. In einer der schönsten Szenen wird Marie mit ihrem Tornister am Pariser Flughafen von einer Zöllnerin kontrolliert – deren staatlich verliehene Autorität jedoch an Maries Kilogramm scheitert: Sie darf das Gefäß nicht öffnen. Hamers "Botschaft", dass Emotionen sich nicht eichen lassen, mag etwas einfach sein. Aber wenn Maries sterbender Vater über das Gewicht der Seele nachdenkt, bekommen auf einmal auch die amüsant wirkenden Ängste um die Erosion des Nationalkilos eine metaphysische Dimension. Und man merkt, dass Bürokratie und Poesie sich nicht unbedingt ausschließen.
– "1001 Gramm" von Bent Hamer läuft in Freiburg. (Ohne Alterslimit)
von Kai Mihm
am Do, 18. Dezember 2014

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