Theater

Am Freiburger Wallgraben-Theater startet die neue Spielzeit mit Goethes "Faust"

Am Freiburger Wallgraben-Theater startet die neue Spielzeit mit Goethes "Faust".

Goethes "Faust" habe beides, sagt Hans Poeschl, sowohl einen hohen Unterhaltungswert als auch philosophische Tiefe. Seine Inszenierung, die am 12. Oktober im Freiburger Wallgraben-Theater Premiere hat, werde etwas zum Anschauen sein, verspricht der Regisseur.

Vor zehn Jahren konstatierte der Berliner Theaterkritiker Dirk Pilz, Goethes "Faust" werde "jetzt vor allem sehr verschieden, aber stets in nachforschendem Bezug zur Gegenwartslage gespielt". 2008 konnte Pilz auf dem Theaterportal Nachtkritik eine Bandbreite von Interpretationen aufzeigen. Das Gretchen war mal mehr, mal weniger emanzipiert, das Klassische am Faust mal mehr, mal weniger gepflegt, doch immer arbeitet man sich auf deutschsprachigen Bühnen an Konkurrenz und Leistungswahn ab.

Und auch Hans Poeschl, der mit Goethes Drama am Freiburger Privattheater in die neue Spielzeit startet, reibt sich am berühmten Zitat "Es irrt der Mensch, solang’ er strebt". Der Herr, denn niemand anders spricht diesen Satz im "Prolog im Himmel", muss es ja wissen. Doch welcher Spielraum bleibt dann überhaupt noch dem gescheiterten Gelehrten? Muss er nicht streben?

In Hans Poeschls Inszenierung ist das Personengefüge des "Faust" geradezu kollabiert. Poeschl hat Mephisto mit einer Frau besetzt, Regine Effinger spielt diesen Teufel mit weiblicher Anima, während Faust selbst in zwei Personen aufgespalten ist: in einen jungen und einen älteren Mann (Achim Barrenstein, Christian Theil). Während es den einen in die Welt drängt, trägt der andere schwer an seinen Bedenken. Ein Faust sozusagen mit vier Seelen statt mit zwei in einer Brust. Poeschl sperrt die beiden auf eine Art Bühne auf der Bühne. Der Raum bleibt ansonsten eher neutral, das mobile Gestell wird zugleich zur Kulisse für Szenen wie Auerbachs Keller oder Kerker genutzt. Zeitlos soll es wirken ohne Anleihen an die Epochenschwelle zwischen Mittelalter und Neuzeit, an der der Stoff angesiedelt ist.

Es bräuchte wohl viel Naivität, diesen Stoff einfach nur vom Blatt spielen zu wollen. Auch für das Gretchen (Elisabeth Kreßler) wird es in Poeschls Inszenierung eine zeitgemäße Interpretation der Rolle geben, keineswegs sähe er sie auf der Opferbank, sagt Hans Poeschl. Goethes "Faust" – der auch Abi-Stoff ist – habe er schon länger einmal zu inszenieren vorgehabt, erzählt er nach den Proben. Der Mitinhaber des Wallgraben-Theaters hat für seine Inszenierung auch eigens den Text bearbeitet.

Für den Regisseur steht die Faustfigur für die menschliche Natur, für die Verführbarkeit zum Schlechten hin. "Wir wissen es besser und lassen uns dennoch verführen" zur Bigotterie, zum Steuerbetrug, zum Konsum, zum Krieg und zu einem verantwortungslosen Umgang mit der Natur, zählt Poeschl auf. Das Streben richtet sich bei Hans Poeschl weniger auf Erkenntnis als auf konkrete irdische Sehnsüchte und Begierden. Hört man dem Regisseur eine Weile zu, glaubt man, durch "Faust" ließe sich die Paradoxie der Gegenwart erklären. Für Goethe war es ein Lebensstoff, als "Faust" 1829 uraufgeführt wurde, arbeitet er seit einigen Jahren an der "Tragödie zweiter Teil". Was das Drama so überzeitlich macht, ist, dass Faust sich selbst nicht genug ist. Das wäre dann die moderne Seite des Strebens.

Termine: Freiburg, "Faust", Wallgraben-Theater, Premiere: Fr, 12. Okt., 20 Uhr. Weitere Aufführungen bis 21. Nov.; Karten: Tel. 0761/25656.
von Annette Hoffmann
am Fr, 12. Oktober 2018

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