Am untersten Ende der Nahrungskette

MAFIATHRILLER: "The Drop – Bargeld" überzeugt mit langsam vor sich hinglühender Spannung und genauer Figurenzeichnung.

Die Stammkunden wissen Bescheid. Wenn die Männer mit den maßgeschneiderten schwarzen Lederjacken in die Bar kommen, ist es Zeit, vor der Tür eine rauchen zu gehen. Vor fast zehn Jahren hat Marv (James Gandolfini) seine Kneipe in Brooklyn nicht ganz freiwillig an den Mob verkauft. Die Mafia nutzt das unauffällige Etablissement gelegentlich als sogenannte Drop-Bar, wo in einer Nacht all das Geld aus den illegalen Geschäften gesammelt wird.

Hinter dem Tresen steht schon seit vielen Jahren Marvs Cousin Bob Saginowski (Tom Hardy). Auf den ersten Blick wirkt er ein wenig langsam und einfältig. Aber Bob kennt die Spielregeln genau, nach denen hier in der Gegend verfahren wird. Als er in einer Mülltonne einen verletzten Bullterrier-Welpen findet, lernt er die Nachbarin Nadia (Noomi Rapace) kennen. Aber dann beginnt der kiezbekannte Unruhestifter Eric Deeds (Matthias Schoenaerts) ihm aufzulauern – und er behauptet, nicht nur der Besitzer des Hundes, sondern auch Nadias Ex zu sein.

Anders als die meisten Mafiafilme beschäftigt sich "The Drop" des belgischen Regisseurs Michaël R. Roskam mit dem Leben am untersten Ende der Nahrungskette, wo die Menschen nur noch Handlanger eines kriminellen Systems sind. Barkeeper Bob ist geradezu der Prototyp eines passiven Helden, der die Regeln der Macht internalisiert hat und in geduckter Haltung durchs Leben geht. Der fabelhafte Tom Hardy ("No Turning Back") arbeitet die Nuancen der Unscheinbarkeit detailliert heraus. Hinter der stupiden Alltagsroutine erahnt man Verletzungen, deren Ausmaß erst am Ende deutlich wird.

"The Drop" lebt nicht von einem ausgeklügelten Plot, sondern von einer langsam vor sich hin glühenden Spannung. Der Film überzeugt durch seine genaue Figurenzeichnung und den europäisch unverbrauchten Blick auf das soziale Milieu amerikanischer Niedriglohnexistenzen. Mit dem Briten Hardy, der Schwedin Noomi Rapace ("Verblendung") und dem Belgier Matthias Schoenaerts ("Der Geschmack von Rost und Knochen") hat Roskam drei der interessantesten europäischen Schauspieler nach Brooklyn geschmuggelt und mit dem kürzlich verstorbenen "Sopranos"-Star James Gandolfini geerdet, der hier als gescheiterter Mafia-Karrierist seinen letzten, äußerst souveränen Auftritt hat.
– "The Drop – Bargeld" von Michaël R. Roskam läuft in Freiburg. (Ab 12)
von Martin Schwickert
am Do, 04. Dezember 2014

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