Theater
Barbara Zimmermann hat Peter Stamms Roman „Agnes“ für die Bühne eingerichtet
"Agnes ist tot. Eine Geschichte hat sie getötet." So beginnt Peter Stamms 1998 erschienener, vielbeachteter Debütroman "Agnes". Aber bringt sich Agnes am Ende wirklich um? Das und vieles andere lässt der Autor offen. Regisseurin Barbara Zimmermann vom Freiburger Theater Harrys Depot hat sich auf Spurensuche gemacht und ihre eigene Bühnenfassung geschrieben. Am Samstag ist in der Spechtpassage Premiere.
Über das Buch des 1963 in der Schweiz geborenen Autors Peter Stamm ist Barbara Zimmermann zufällig gestolpert – und war sofort fasziniert: spannende Charaktere, eine mysteriöse Geschichte, verwoben mit existenziellen Fragen um Liebe und Tod. Nur eine Woche Zeit hatte sie, um den Stoff für ihre kleine Bühne zu adaptieren, dabei ging es auch darum, die intellektuelle, distanzierte Sprache geschmeidig zu machen, ohne in Jugendjargon zu verfallen. Ende November begannen dann die Ensembleproben. "Wir haben viel geredet und mit unterschiedlichen Schlüssen experimentiert", erzählt die Regisseurin, Schauspielerin und Sprecherzieherin, die vor 17 Jahren das freie Ensemble "Harry hol schon mal den Wagen" gründete. Fragen gab es viele: Wie ist Agnes? Was findet sie an diesem so verschlossenen, älteren Mann? Schafft sie es, sich aus der Verstrickung zu lösen?
Die Beziehung zwischen dem unbenannten Ich-Erzähler und jener kontaktscheuen und tiefgründigen Physikstudentin ist schwierig: Zwei Einzelgänger, die wie Symmetrieachsen von Atomen ineinandergreifen, in deren Mitte bleibt Leere. Erst scheint es die große Liebe zu sein, dann folgen Dominanz und Abhängigkeit.
Oder ist Letzteres nur die Fantasie des zunehmend unheimlichen Erzählers, der über Agnes eine Geschichte schreibt und sie mehr und mehr zu seinem eigenen Geschöpf macht? Unterwirft sie sich wirklich seinem Drehbuch oder ist ihre Liebe längst abgekühlt, als sie aus seinem Leben verschwindet?
In 36 kurzen Kapiteln verwischen sich mehr und mehr die Grenzen von Realität und Fiktion, dazu wimmelt es vor intertextuellen Bezügen: "Homer Faber" von Max Frisch scheint auf, ebenso Franz Kafkas "Das Urteil" oder Ovids "Metamorphosen". Ein Grund mehr, dass "Agnes" seit 2014 zur Pflichtlektüre in Gymnasien gehört. Peter Stamm selbst verweigert jegliche Interpretationshilfen.
"Ich versuche die Figuren zu begreifen, erlebbar zu machen. Nur so ist es möglich, auf der Bühne eine Geschichte erzählen, die das Publikum berührt und zum Nachdenken anregt", sagt Zimmermann, die den Stoff zu einer 90-minütigen Inszenierung komprimiert hat. Eine für sie optimale Besetzung für Agnes hat Zimmermann mit der 24-jährigen Mia Lüscher gefunden, die gerade frisch von der Freiburger Schauspielschule kommt.
Der nur unwesentlich ältere Simon Matt spielt den Autor – eine Herausforderung, ist seine Figur doch so stur wie verschlossen. "Passiv-aggressiv" nennt das Zimmermann, die mit der offenen, kessen und sinnlichen Louise (Juliane Flurer) noch Agnes Nebenbuhlerin auf die Bühne bringt. Eine Dreiergeschichte, aber kein Kammerspiel: Mit beweglichen Elementen werden die Stationen dargestellt, Musik und Atmosphären kommen von Ephraim Wegner. Sehr filmisch wirke das, so das Testpublikum. Den gleichnamigen Film hat sich Zimmermann allerdings bewusst nicht angesehen.
Termine: Freiburg, Theater Harrys Depot, Spechtpassage, Premiere: Sa, 10. Feb., 20 Uhr. Aufführungen vom 15. bis 17., 22. und 23. Feb., weitere bis Mitte März. Karten bei der Buchhandlung Jos Fritz unter Tel. 0157/79709269;
info@ensemble-harry.de von Marion Klötzer
Die Figuren erlebbar machen
Die Beziehung zwischen dem unbenannten Ich-Erzähler und jener kontaktscheuen und tiefgründigen Physikstudentin ist schwierig: Zwei Einzelgänger, die wie Symmetrieachsen von Atomen ineinandergreifen, in deren Mitte bleibt Leere. Erst scheint es die große Liebe zu sein, dann folgen Dominanz und Abhängigkeit.
Oder ist Letzteres nur die Fantasie des zunehmend unheimlichen Erzählers, der über Agnes eine Geschichte schreibt und sie mehr und mehr zu seinem eigenen Geschöpf macht? Unterwirft sie sich wirklich seinem Drehbuch oder ist ihre Liebe längst abgekühlt, als sie aus seinem Leben verschwindet?
In 36 kurzen Kapiteln verwischen sich mehr und mehr die Grenzen von Realität und Fiktion, dazu wimmelt es vor intertextuellen Bezügen: "Homer Faber" von Max Frisch scheint auf, ebenso Franz Kafkas "Das Urteil" oder Ovids "Metamorphosen". Ein Grund mehr, dass "Agnes" seit 2014 zur Pflichtlektüre in Gymnasien gehört. Peter Stamm selbst verweigert jegliche Interpretationshilfen.
"Ich versuche die Figuren zu begreifen, erlebbar zu machen. Nur so ist es möglich, auf der Bühne eine Geschichte erzählen, die das Publikum berührt und zum Nachdenken anregt", sagt Zimmermann, die den Stoff zu einer 90-minütigen Inszenierung komprimiert hat. Eine für sie optimale Besetzung für Agnes hat Zimmermann mit der 24-jährigen Mia Lüscher gefunden, die gerade frisch von der Freiburger Schauspielschule kommt.
Der nur unwesentlich ältere Simon Matt spielt den Autor – eine Herausforderung, ist seine Figur doch so stur wie verschlossen. "Passiv-aggressiv" nennt das Zimmermann, die mit der offenen, kessen und sinnlichen Louise (Juliane Flurer) noch Agnes Nebenbuhlerin auf die Bühne bringt. Eine Dreiergeschichte, aber kein Kammerspiel: Mit beweglichen Elementen werden die Stationen dargestellt, Musik und Atmosphären kommen von Ephraim Wegner. Sehr filmisch wirke das, so das Testpublikum. Den gleichnamigen Film hat sich Zimmermann allerdings bewusst nicht angesehen.
Termine: Freiburg, Theater Harrys Depot, Spechtpassage, Premiere: Sa, 10. Feb., 20 Uhr. Aufführungen vom 15. bis 17., 22. und 23. Feb., weitere bis Mitte März. Karten bei der Buchhandlung Jos Fritz unter Tel. 0157/79709269;
info@ensemble-harry.de von Marion Klötzer
am
Fr, 09. Februar 2018