Beeges Begegnung mit dem King of Pop-Art

KUNST UND LEBEN: Der frühere Chef-Fotograf von Burda führt durch die Warhol-Ausstellung und erzählt von seiner New Yorker Zeit .

GENGENBACH. In der Erinnerung von Winfried Beege ist New York immer noch die Stadt, die vor Energie und Inspiration vibrierte. 1983 war der ehemalige Chef-Fotograf von Burda für drei Monate dort, um diese Inspiration in sich aufzusaugen. Und zu dieser Inspiration gehörten auch Andy Warhol und sein Kreis. Deshalb ist Winfried Beege der ideale Führer durch die Gengenbacher Warhol-Ausstellung.

Im Gengenbacher Museum Haus Löwenberg sind noch bis zum 15. Januar 2017 unter dem Titel "Deutsche Ikonen" Werke dieses Chefideologen- und -praktikers der Pop-Art zu sehen. Das hoch engagierte Team um Reinhard End hat eine spannende Schau zu Leben und Werk Warhols zusammengestellt. Mit ausgestellt sind auch Werke des Offenburger Fotografen, der sich 1983 für drei Monate ins künstlerische Exil – und zum Aufladen der Akkus nach New York begab.

"Ich empfand ihn immer wie einen Geist"

39 Jahre war Beege damals alt. Er hatte in den 1970ern, bis zum Deutschen Herbst, den radikalen Aufbruch der politischen Szene in München begleitet und dokumentiert. "Als man anfing, Waffen zu organisieren, wusste ich, da muss ich ganz schnell weg." So verschlug es ihn zu Burda nach Offenburg. Im beschaulichen Baden begann nach einer Zeit, in dem ihm Menschen wie Rainer-Werner Fassbinder ("Er schuldete mir noch 4000 Mark"), Uschi Obermaier und Rainer Langhans begegneten, seine Karriere als Mode-, Kunst- und Glamourfotograf. Doch irgendwann brauchte er auch davon eine Auszeit.

In New York angekommen, fand Beege Unterschlupf bei einem Schwarzwälder Freund, Klaus Knaup. Früher erfolgreicher Banker, widmete sich dieser nur noch der Schwarz-Weiß-Fotografie. Von Tribaca, Hudson Street 55, ließ man sich treiben, Beege besuchte den Fotokünstler Robert Maplethorpe und hing als "Schwarzwälder Landpomeranze" in Künstlerbars wie dem Xenon herum: "Da gab es bessere Lichtreflexe als im Studio 54." New York war und ist für Wilfried Beege ein "Energieverstärker", im positiven, kreativen ebenso wie im negativen destruktiven Sinn. Schließlich, nachdem sein homosexueller Freund Kaup anfing, ihm Avancen zu machen ("Ich war ziemlich handsome, damals", grinst der heute 73-Jährige), zog er in eine Wohngemeinschaft mit einer Rockband am Broadway, Ecke 72ste. Von da aus waren es 44 Blocks Richtung Süden, dann vier oder fünf Blocks nach links bis zur legendären Factory von Andy Warhol. "Die Adresse weiß ich bis heute nicht, aber den Weg dahin werde ich nie vergessen." Echten Kontakt mit Andy Warhol gab es nicht wirklich. "Ich empfand ihn immer wie einen Geist." Beege durfte mal Lithographien in Regale einsortieren, hatte damals aber ziemliche Vorbehalte gegen diesen ganzen avantgardistischen Hype. "Es hat mich damals geärgert, dass Warhol ganz oft mit den Werken anderer gearbeitet hat. Er gab diesen zwar eine eigene Note, aber der eigentliche Künstler verschwand dann."

Erst sehr viel später hätte er erkennen können, worin der Wert von Warhols Arbeit lag. Eigene Berührungspunkt mit dem Geist der vervielfältigbaren Kunst fand Beege dann eher zufällig über eigene Fotos, die er durch einen riesigen Rank- Xerox-Drucker jagte. Die grobe, von Drucklinien durchzogene Textur gab den Bildern eine neue Qualität.

Begeistert schwärmt er von der Zeitschrift "Interview", die Warhol herausbrachte. "Auf Band aufgenommene Interviews, die die zahlreichen Studenten, die wie ich den Factory-Spirit aufsogen, abgeschrieben." Beege beschreibt die Atmosphäre als eher "hypochondrisch".

Zu diesen Texten kamen dann die kunstvoll verfremdeten Bilder der jeweiligen Interviewpartner. "Das mit Campbell’s Soup Dose fand ich damals eine ziemliche Unverschämtheit. Aber heute kann ich sehen, wie Warhols Arbeit den Blick auf die Kunst verändert hat. Er war ein Sammler, und vieles, was auch damals durch meine Hände ging, machte erst einmal keine Sinn. Aber dann zusammen gefasst, wie zum Beispiel bei der Ausstellung Oxidation wurden aus verrosteten Metallplatten, deren Lithographien ich einsortieren durfte, Kunst. Aber damals fehlte mir das Verständnis."

Museum Haus Löwenberg, Hauptstr.13, Gengenbach. Bis 15. Januar. Bis 23.12.: Mo-Fr 14-20, Sa, So 12-20 Uhr. 26.12. -15.01.: Di-Fr 10-12, 14-17, Sa, So 13-18 Uhr.
von Heidi Ast
am Di, 13. Dezember 2016

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