Ticket-Interview

Christian Clavier: „Ich lebe gern in Europas New York“

TICKET-INTERVIEW: Christian Clavier über London, Erfolg, "Monsieur Claude" und Louis de Funès.

2014 hatte Christian Clavier (62) mit "Monsieur Claude und seine Töchter" auch in Deutschland einen Kinohit. Mit über 3,5 Millionen Zuschauern ist der kleine Franzose nun auch hierzulande ein großer Star, obwohl er neben Gerard Depardieu zuvor schon als Asterix und mit Jean Reno als "Die Zeitritter" unterwegs war. Im Alleingang erleben wir ihn nun in "Nur eine Stunde Ruhe", der in Frankreich erneut Kassenrekorde brach. Markus Tschiedert traf Christian Clavier zum Interview.

Ticket: Sie sind Pariser, leben aber in London – das ist ungewöhnlich...
Christian Clavier: Es ist sehr angenehm, in London zu leben. Es ist die Mischung aus verschiedenen Kulturen, Menschen und Essmöglichkeiten, die mir gefällt. Ich würde London als Europas New York bezeichnen, wo ich als ganz junger Mann etwas fand, was ich seitdem immer suchte. Außerdem kann ich in London ein normales und ruhiges Leben führen.
Ticket: Was in Frankreich nicht möglich wäre, weil man Sie überall auf der Straße erkennen würde?
Clavier: O ja, nach einer 40-jährigen Karriere mit Erfolgen ist das so. In London kann ich jeden Tag die U-Bahn nehmen und gemütlich die Straße runterlaufen. Ich will damit nicht sagen, dass es schwer ist, eine öffentliche Person zu sein, aber irgendwann merkt man doch, dass sich das aufs Leben auswirkt. Man muss sich im Auto herum chauffieren lassen und wird im Restaurant fotografiert. Das mochte ich nie!
Ticket: Gerard Depardieu ist nach Russland ausgewandert. Wäre das für Sie eine Option gewesen?
Clavier: Natürlich nicht, Sie werden sicher ahnen, warum. Aber wie Gerard in seinem Land behandelt wurde, fand ich wirklich nicht fair. Ich liebe diesen Kerl und finde, er war wirklich ein Aushängeschild für die Franzosen. Er ist ein hervorragender Schauspieler, und diesen Premierminister, der ihn damals rausgeekelt hat, kennt heute keiner mehr.
Ticket: Spätestens seit "Monsieur Claude und seine Töchter" sind Sie auch in Deutschland sehr populär. Hat Sie der Erfolg überrascht?
Clavier: Absolut! Mir war schon klar, dass "Monsieur Claude" ein guter Film ist, der Zuschauer generationsübergreifend zum Lachen bringen wird. Aber mir war nicht klar, dass es zu diesem Phänomen kommen würde. Es war auch das Thema Mischehen zwischen Christen und Moslems, Schwarzen und Weißen, das die Leute anzog und von uns leichter angegangen wurde, als es in der Realität vielleicht passiert.
Ticket: Hat sich Ihr Leben nach dem enormen Erfolg von "Monsieur Claude" nochmals verändert?
Clavier: Ich bekomme sehr viele Angebote – von Komödien über Autorenfilme bis zu Fernsehserien. Ich bleibe aber wählerisch und will auch nicht so viel drehen. Oft verstehe ich nicht, warum man mir diese oder jene Rolle anbietet, weil ich gar nichts damit anfangen kann. Ich entscheide aus dem Bauch heraus, meistens für eine Komödie. Warum? Weil ich Leute, aber auch mich, gern zum Lachen bringe.
Ticket: Glauben Sie, Sie müssten sich nochmals etwas beweisen?
Clavier: Man muss sich immer wieder beweisen, gerade wenn es um finanzielle Erfolge geht. Das Kino ist für junge Leute gemacht, und es geht darum, ob man mit dir noch Geld machen kann oder nicht. In meinem Alter hatte ich nun mit "Monsieur Claude" Erfolg und bin zu einer Art Referenten für die Komödie geworden. Viele junge Regisseure wollen mit mir arbeiten, und sie wissen, dass es mir nicht darum geht, die Hauptrolle zu spielen. Mir reicht es auch, für einen Nebenrolle nur drei Wochen am Set zu sein.
Ticket: Inzwischen vergleicht man Sie gern mit Louis de Funès. Spielte er für Ihre Karriere je eine Rolle?
Clavier: Bereits als Sechs- oder Siebenjähriger sah ich seine Filme. Er brachte mich immer sehr zum Lachen. Obwohl seine Figuren oft sehr fies waren – stets schlecht gelaunt, extrem wütend, aber sehr komisch. Das hatte mich immer beeindruckt.
Ticket: So ähnlich erlebt man Sie in "Nur eine Stunde Ruhe" auch. Eine Geschichte, die in Frankreich auch im Theater sehr erfolgreich war...
Clavier: Florian Zeller ist noch ein recht junger Schreiber – mit einer pessimistischen Menschensicht. Das hat schon eine gewisse Bitterkeit und Brutalität, aber mit witzigen Worten unterlegt. Das macht für mich eine gute Komödie aus.







von tsc
am Mi, 15. April 2015

NUR EINE STUNDE RUHE

Regie: Patrice Leconte
Mit Christian Clavier, Carole Bouquet, Valérie Bonneton, Rossy de Palma, Stéphane De Groodt und anderen
79 Minuten, ohne Altersbeschränk.
Die Story
Auf dem Flohmarkt ergattert der Zahnarzt Michel Leproux (Christian Clavier) eine seltene Jazzplatte für wenig Geld. Zuhause will er sie sich in Ruhe anhören, aber das soll ihm nicht gelingen. Ständig kommt was dazwischen: Seine Frau (Carole Bouquet) gesteht ihm eine uralte Affäre, ohne zu ahnen, dass Michel gerade selbst eine Geliebte hat – und die will ausgerechnet heute reinen Tisch machen...  

Autor: bz

Badens beste Erlebnisse