Theater

Christopher Rüping inszeniert in Zürich John Steinbecks Roman "Früchte des Zorns"

Christopher Rüping inszeniert in Zürich John Steinbecks Roman "Früchte des Zorns".

John Steinbecks Klassiker "Früchte des Zorns" im Zürcher Schauspielhaus auf die Bühne zu bringen, ist eine bemerkenswerte Wahl. Spielt die Romanvorlage doch rein inneramerikanisch die Konfliktlage durch, die heute globalisiert überall aufgeführt wird: Naturzerstörung, faule Kredite, Weltwirtschaftskrise, Flüchtlingsströme, klaffende Einkommensschere zwischen Arm und Reich, Zorn und dessen Frucht Gewalt.

Im Mittelpunkt steht die Farmerfamilie Joad aus Oklahoma. Das Roden der Prärien hat das Land in eine "Dust Bowl", eine Staubschüssel, verwandelt. In den 1930er Jahren wüten dort verheerende Staubstürme und bringen Dürren mit sich. Durch die Ernteausfälle können die Farmer ihre Kredite nicht mehr bedienen, die sie aufnehmen mussten, da Menschen, die nicht in den Zirkulationssphären des Kapitals arbeiten, bei der extrem ungleichen Vermögensverteilung in der Regel auf der Seite der Habenichtse landen. Da ihnen auch das Land längst nicht mehr gehört, sie die Pacht nicht bezahlen können, werden sie vertrieben. Der Flüchtlingstreck zieht in den Westen. In Kalifornien wartet das übliche Flüchtlingsschicksal: Auffanglager, Ausbeutung, Anfeindungen durch die ansässige Bevölkerung.

Was hat Christopher Rüping, kürzlich zum Regisseur des Jahres 2019 gewählt, bewogen, diesen Roman für die Bühne zu adaptieren? "Uns hat vor allem der Kontrast zwischen den Mittellosen und denen, die Mittel zur Verfügung haben, also zwischen der ankommenden Flüchtlingsfamilie und den Ansässigen interessiert", sagt Dramaturgin Katinka Deecke. Dabei wird die Geschichte des Romans auf den Grundkonflikt fokussiert, den Deecke so beschreibt: "Wie positionieren sich die Wohlhabenden gegenüber den Mittellosen."

Es soll aber kein Elendsreport werden. "Mitleid ist keine produktive Inszenierungsidee", sagt Deecke. Die mit ungleicher Vermögensverteilung einhergehenden Machtverhältnisse sollen weiter gefasst und die Frage einbezogen werden, wo in diesem Spannungsverhältnis sich das Theater, die Schauspielerinnen, der Regisseur und Zürich befinden. Auf der Bühne wird der Grundkonflikt bis in die Kostüme zu sehen sein. Wie aber stellt man so etwas dar, wenn man sich nicht als privilegierter Theatermensch ins Armutskostüm werfen möchte? Da kommt ein anderer Aspekt ins Spiel, um den die Inszenierung kreist: "Eine Folge von Armut ist, dass man nicht ohne weiteres seine eigene Geschichte erzählen kann", sagt Deecke. "Die Deutungshoheit über die eigene Biografie, die persönliche Lage und selbst über die Visionen haben andere." Um das sichtbar zu machen, wird das Regieteam den Wohlhabenden das Privileg, zwischen Geschichten und Identitäten hin- und herzuspringen, zugestehen. Die Mittellosen bleiben an Rolle und Kostüm gekettet.

Das ist ein Konflikt, den auch die Ensemblemitglieder kennen. Jemand anderer bestimmt Rolle und Geschichte, die Schauspieler müssen es umsetzen. Wobei Christopher Rüping ein Regisseur ist, der das aufbricht und seinem Ensemble die Co-Autorschaft, also Mitverfügungsgewalt einräumt. "In unserem Konzept darf nur die Gruppe der Wohlhabenden genau das tun, während die Schauspieler, die die arme Familie spielen, genau das nicht dürfen. Sie werden auf ihre – fremdbestimmte – Rolle fixiert." Kurz: tolle Romanvorlage, spannendes Konzept.

Termin: Zürich, Schauspielhaus Pfauen,
Premiere: Fr, 25.Okt., 20 Uhr
von Jürgen Reuß
am Fr, 25. Oktober 2019

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