Kinointerview

Daniel Brühl über das Entführungs- und Polit-Drama „7 Tage in Entebbe“

TICKET-INTERVIEW mit Schauspieler Daniel Brühl über "7 Tage in Entebbe", die Siebziger und Katalonien.

Im Jahr 2003 wurde Daniel Brühl (39) mit "Good Bye, Lenin!" zum Star des deutschen Films. Als Niki Lauda in "Rush" erlebte er seinen internationalen Durchbruch. Seitdem sah man Brühl als Schurken in der Marvel-Verfilmung "The First Avenger: Civil War" und an der Seite von Emma Watson in "Colonia Dignidad". Im Politdrama "7 Tage in Entebbe" ist er nun als deutscher Terrorist Wilfried Böse zu sehen, der 1976 an der Entführung eines Flugzeugs beteiligt war. Markus Tschiedert sprach mit Brühl.

Ticket: Die Entführung einer Air-France-Maschine nach Entebbe geschah 1976, zwei Jahre, bevor Sie geboren wurden. Hat es Sie Überwindung gekostet, dem deutschen Terroristen ein Gesicht zu geben?
Brühl: Nein, denn ich wusste ja, dass dieses Projekt in den Händen von Leuten war, die nicht nur einen Actionfilm drehen wollten, sondern sich mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt haben und wirklich interessiert waren, auch hinter die Fassade zu blicken, um die menschlichen Motivationen der palästinensischen und deutschen Terroristen zu zeigen.
Ticket: Sind Sie generell ein geschichtsinteressierter Mensch?
Brühl: Was mich allgemein an Geschichte fasziniert, ist der Perspektivwechsel. Denn es gibt ja nicht so etwas wie die eine Geschichtsschreibung. Mir wurde das schon klar, als ich den Roman "Krieg und Frieden" von Leo Tolstoi gelesen hatte. Auf Napoleons Russlandfeldzug haben Franzosen und Russen eine jeweils andere Perspektive. Insofern bin ich sogar ein großer Geschichtsfan, weil ich dadurch kapiere, wer ich bin und in was für einer Welt ich gerade lebe.
Ticket: Wie meinen Sie das?
Brühl: Erst wenn man in der Weltgeschichte zurückgeht, versteht man, woher man kommt, woher wir alle kommen. Man versteht die Zusammenhänge und erkennt etwa, dass die Siebziger eine spannende Epoche riesiger Umbrüche und Bewegungen war. Entebbe wird der jüngeren Generation erst mal nichts sagen, aber dadurch, dass sie sich diesen Film ansehen können, kapieren sie, dass die Konflikte, die wir heute immer noch haben, einen Ursprung hatten.
Ticket: Wie nehmen Sie in diesem Zusammenhang die aktuelle Situation in Spanien wahr?
Brühl: Das ist schon sehr intensiv, weil sich das durch die komplette Gesellschaft und durch alle Familien zieht. Ich bin ja selbst auf spanischer Seite ein Mischgewächs. Mein Großvater kam aus Andalusien, meine Großmutter war katalanisch-spanischer Abstammung. Daher finde ich das sehr traurig, was da gerade passiert, und hoffe, dass sich das noch mehr als bisher entspannt.
Ticket: Wem geben Sie die Schuld?
Brühl: Meine Sicht ist, dass ich sehr unglücklich mit beiden Seiten bin. Sowohl mit der Zentralregierung in Madrid und ihrer katastrophalen Politik als auch mit dem, was Carlos Puigdemont gemacht hat und für mich nicht nachvollziehbar ist. Das ist schade, denn es ist ein Land mit einer jungen Demokratie, wenn man bedenkt, dass die Diktatur in Spanien noch bis 1975 herrschte.
Ticket: Was macht das mit Ihnen?
Brühl: Ich bin in einer Generation großgeworden, in der Mauern runtergerissen und Grenzen aufgestoßen wurden. Wir wollten als Europäer zusammengewachsen und die großen Probleme gemeinschaftlich lösen. Dass das wieder zurückgeht und Populismus und Nationalismus so stark werden, empfinde ich als extrem traurig. Es ist frustrierend, zu merken wie wenig Menschen anscheinend aus der Vergangenheit gelernt haben.
Ticket: Löst das bei Ihnen mehr Angst oder Wut aus?
Brühl: Für mich ist das ja ein globales Phänomen. Man kann hinschauen, wo man will. Ich fühle mich persönlich angepisst, dass es einen Präsidenten wie Trump gibt. Aber auch, was andere Autokraten anrichten, betrifft uns alle. Da ich jetzt Vater von einem kleinen Sohn bin, frage ich mich, ob ich mit meiner Familie irgendwann nach Neuseeland ziehen muss, um diesem Trauerspiel zu entgehen. Andererseits ist das der Lauf der Geschichte. Es gibt immer wieder Wellenbewegungen, die für uns Erdenbürger manchmal schwer nachvollziehbar sind.
von tsc
am Fr, 04. Mai 2018

Info

7 Tage in Entebbe

Regie: José Padilha
107 Minuten, frei ab 12 Jahren
Mit Daniel Brühl, Rosamund Pike, Eddie Marsan, Nonso Anozie, Lior Ashkenazi und anderen

Die Story
Am 27. Juni 1976 wird eine Air-France-Maschine aus Tel Aviv von Terroristen gekapert. Statt in Paris landet sie in Entebbe, um von Israel die Freilassung palästinensischer Gefangener zu erzwingen. Andernfalls drohen die Entführer, die Passagiere zu ermorden.  

Autor: bz

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