Theater
Der Basler Dramaturg Lukas Linder über sein Stück "Der Revisor"
Für sein Stück "Der Revisor oder: das Sündenbuch" hat der Schweizer Dramatiker Lukas Linder die gleichnamige Vorlage von Nikolai Gogol in ein imaginäres Schweizer Dorf übertragen und mit einem eigenen Text versehen. Herausgekommen ist ein ganz neues Stück, aus dem doch in jeder Zeile Gogol spricht. Manuel Fritsch hat mit Linder über den "Revisor" und die Basler Dramaturgie gesprochen.
Ticket: Herr Linder, Sie haben für Ihr Stück dem "Revisor" von Gogol einen neuen Text verpasst. Was steckt hinter diesem Verfahren?
Linder: Diese Methode nennen wir Basler Dramaturgie. Dabei nimmt man sich Klassiker der internationalen Literatur vor und versucht, sie so zu adaptieren, dass sie zu etwas Zeitgenössischem Position nehmen. Am Ende steht dann null Originaltext, in meinem Fall also null Gogol, sondern ein ganz frischer Text.
Ticket: Warum nehmen Sie überhaupt eine Vorlage? Sie könnten ja einfach ein neues Stück schreiben.
Linder: Die Klassiker sind ja nicht ohne Grund Klassiker. Sie sind extrem gut gebaut und haben in sich eine Wahrheit, die auch in der heutigen Zeit noch gilt, eine Stärke, eine poetische Kraft. Und auch wenn man die Sprache weglässt, kann man sich von dieser poetischen Kraft inspirieren lassen und sie mitnehmen. In meinem Fall habe ich mich beim Schreiben von der Sprache Gogols inspirieren lassen: von seiner Art von Komik, von den grotesken Sprachbildern, die er macht. Die habe ich nicht eins zu eins übernommen, aber versucht, auch in dieser Richtung zu schreiben, weil mir das bei Gogol wahnsinnig gut gefällt.
Ticket: Gogols Stück gewinnt die Komik aus einer Verwechslung. Wie haben Sie das aufgenommen?
Linder: Auch mein Stück ist eine Verwechslungsgeschichte. Nur dass es hier kein Revisor ist, der kommt, sondern ein Fremder, ein Migrant, der in eine Schweizer Gemeinde kommt.
Ticket: Wo ist die Verwechslung?
Linder: In Wahrheit ist es kein Flüchtling, sondern ein Tourist auf Schweizreise, der den Dorfbewohnern sehr ähnlich ist. Doch das merkt die Dorfgemeinschaft mit ihren Vorurteilen gar nicht, da sie so stark projizieren und diesen Fremden in ihm sehen wollen.
Ticket: Wozu brauchen Sie Gogol?
Linder: Für mich ist es immer einfacher, wenn ich einen Plot, ein Gerüst vorgegeben bekomme. Auch Gogol hat so geschrieben. Er war oft ratlos, was den Plot angeht, und war dann froh, wenn jemand ihm gesagt hat: Hier, schreib doch über das. Das ist gut.
Ticket: Was bleibt dabei vom Original übrig?
Linder: Hoffentlich die Komik. Und die Figuren. Der Bürgermeister zum Beispiel, den es bei Gogol auch gibt, den habe ich übernommen. Gogol hat über 20 Figuren, bei mir sind es noch neun. Ich habe sie zum Teil zusammengezogen, aber auch viel mit Stereotypen gearbeitet. Es gibt den Bürgermeister, den Pfarrer, den Zivilschutzkommandanten, die Lehrerin, also so, dass es in einen Schweizer Kosmos passt.
Ticket: Sie stellen Gogols Geschichte auf den Kopf. Bei Gogol wird der Fremde gebauchpinselt, weil er verwechselt wird, bei Ihnen soll er rausgeekelt werden.
Linder: Ja, das ist genau das Gegenteil. Aber das Spiegelbildliche ist dasselbe geblieben. Bei Gogol hält ja der vermeintliche Revisor den Leuten auch den Spiegel vor. Das ist Gogols Motto: Schimpf nicht auf den Spiegel, wenn Du in eine Fratze schaust.
Ticket: Wie lange dauert die Arbeit an solch einem Stück?
Linder: In diesem Falle sehr lange, was für mich auch ein Luxus war. Vom ersten Treffen bis jetzt zur Premiere sind zwei Jahre vergangen. Das ist eher unüblich. Andere Stücke schreibe ich innerhalb von einem halben Jahr. Aber das Theater Basel plant sehr lange im Voraus. Sie kamen vor zwei Jahren auf mich zu und haben mich darum gebeten, ein Stück auf eine Basler Thematik umzuschreiben. Ich habe dann vorgeschlagen, die Thematik des Fremden anhand des Gogol-Stücks zu behandeln.
Termine: Basel, Theater, Kleine Bühne, 3. Nov. bis 31. Dez.; Vorbestellungen unter Tel. 0041/61/2951133
Linder: Diese Methode nennen wir Basler Dramaturgie. Dabei nimmt man sich Klassiker der internationalen Literatur vor und versucht, sie so zu adaptieren, dass sie zu etwas Zeitgenössischem Position nehmen. Am Ende steht dann null Originaltext, in meinem Fall also null Gogol, sondern ein ganz frischer Text.
Ticket: Warum nehmen Sie überhaupt eine Vorlage? Sie könnten ja einfach ein neues Stück schreiben.
Linder: Die Klassiker sind ja nicht ohne Grund Klassiker. Sie sind extrem gut gebaut und haben in sich eine Wahrheit, die auch in der heutigen Zeit noch gilt, eine Stärke, eine poetische Kraft. Und auch wenn man die Sprache weglässt, kann man sich von dieser poetischen Kraft inspirieren lassen und sie mitnehmen. In meinem Fall habe ich mich beim Schreiben von der Sprache Gogols inspirieren lassen: von seiner Art von Komik, von den grotesken Sprachbildern, die er macht. Die habe ich nicht eins zu eins übernommen, aber versucht, auch in dieser Richtung zu schreiben, weil mir das bei Gogol wahnsinnig gut gefällt.
Ticket: Gogols Stück gewinnt die Komik aus einer Verwechslung. Wie haben Sie das aufgenommen?
Linder: Auch mein Stück ist eine Verwechslungsgeschichte. Nur dass es hier kein Revisor ist, der kommt, sondern ein Fremder, ein Migrant, der in eine Schweizer Gemeinde kommt.
Ticket: Wo ist die Verwechslung?
Linder: In Wahrheit ist es kein Flüchtling, sondern ein Tourist auf Schweizreise, der den Dorfbewohnern sehr ähnlich ist. Doch das merkt die Dorfgemeinschaft mit ihren Vorurteilen gar nicht, da sie so stark projizieren und diesen Fremden in ihm sehen wollen.
Ticket: Wozu brauchen Sie Gogol?
Linder: Für mich ist es immer einfacher, wenn ich einen Plot, ein Gerüst vorgegeben bekomme. Auch Gogol hat so geschrieben. Er war oft ratlos, was den Plot angeht, und war dann froh, wenn jemand ihm gesagt hat: Hier, schreib doch über das. Das ist gut.
Ticket: Was bleibt dabei vom Original übrig?
Linder: Hoffentlich die Komik. Und die Figuren. Der Bürgermeister zum Beispiel, den es bei Gogol auch gibt, den habe ich übernommen. Gogol hat über 20 Figuren, bei mir sind es noch neun. Ich habe sie zum Teil zusammengezogen, aber auch viel mit Stereotypen gearbeitet. Es gibt den Bürgermeister, den Pfarrer, den Zivilschutzkommandanten, die Lehrerin, also so, dass es in einen Schweizer Kosmos passt.
Ticket: Sie stellen Gogols Geschichte auf den Kopf. Bei Gogol wird der Fremde gebauchpinselt, weil er verwechselt wird, bei Ihnen soll er rausgeekelt werden.
Linder: Ja, das ist genau das Gegenteil. Aber das Spiegelbildliche ist dasselbe geblieben. Bei Gogol hält ja der vermeintliche Revisor den Leuten auch den Spiegel vor. Das ist Gogols Motto: Schimpf nicht auf den Spiegel, wenn Du in eine Fratze schaust.
Ticket: Wie lange dauert die Arbeit an solch einem Stück?
Linder: In diesem Falle sehr lange, was für mich auch ein Luxus war. Vom ersten Treffen bis jetzt zur Premiere sind zwei Jahre vergangen. Das ist eher unüblich. Andere Stücke schreibe ich innerhalb von einem halben Jahr. Aber das Theater Basel plant sehr lange im Voraus. Sie kamen vor zwei Jahren auf mich zu und haben mich darum gebeten, ein Stück auf eine Basler Thematik umzuschreiben. Ich habe dann vorgeschlagen, die Thematik des Fremden anhand des Gogol-Stücks zu behandeln.
Termine: Basel, Theater, Kleine Bühne, 3. Nov. bis 31. Dez.; Vorbestellungen unter Tel. 0041/61/2951133
Weitere Infos unter www. theater-basel.ch
von mft
am
Fr, 03. November 2017