Der Dom und seine schönen Schwestern
D er Dom von Speyer hat in der Touristengunst harte Konkurrenz, führt doch der Weg zur Grabstätte der Salier-Kaiser und zum Weltkulturerbe am kaum übersehbaren Technikmuseum vorbei. Wer den Versuchungen moderner Sehenswürdigkeiten dennoch widersteht, hat indessen nicht nur einen gewaltigen romanischen Bau, sondern beim Blick vom Domportal aus nach Westen auch eines der schönsten Stadtbilder Südwestdeutschlands vor sich, in dem noch eine ganze Reihe weiterer Kostbarkeiten stecken.
Der Dom selbst beeindruckt den Besucher mehr mit seiner Bedeutung als mit seinem Inneren. Die Geschichte hat es nicht gut mit dem einstmals größten Sakralbau des Abendlands gemeint: zweimal schwer zerstört, einmal fast abgebrochen, zweimal mit einem neuen Westwerk versehen und dann auch noch puristisch romanisch rückrestauriert. Selbst die Kaisergruft ist kein Werk mittelalterlicher Baumeister, sondern des preußischen Kaiserreichs. Nur die große Krypta mit ihren mächtigen Pfeilern und zweifarbigen Bögen vermittelt noch den ursprünglichen Eindruck.
Speyer hat indessen mehr interessante Kirchenbauten zu bieten als nur den vielbesuchten Dom. Einen Steinwurf entfernt vom Domnapf, dem 1500 Liter fassenden steinernen Weinkelch vor dem Dom, ist Speyers wohl schönster Sakralraum zu finden: die evangelische Dreifaltigkeitskirche. Speyer war 1689 von den Truppen des Sonnenkönigs völlig zerstört worden. Beim Wiederaufbau der Stadt wollten auch die Protestanten eine Kirche haben. Den Bürgern, die es nach Frankfurt verschlagen hatte, schwebte die dortige Katherinenkirche als Modell vor. 1717 konnte der Bau mit seiner barocken Ausstattung eingeweiht werden. Holz ist das vorherrschende Material im Inneren: eine bemalte Holzdecke, eine doppelstöckige Empore auf drei Seiten, dazu Kanzel sowie Altar und Orgel auf der Stirnseite sind original in ihrer ganzen bemalten und vergoldeten Pracht erhalten.
Auf Dauer war eine protestantische Kirche nicht genug, mit Unterstützung der protestantischen Kaiserfamilie und Spenden aus der ganzen evangelischen Welt entstand von 1890 an als Gegenpol zum Dom die neugotische "Gedächtniskirche der Protestation" zur Erinnerung an den Reichstag von 1529, als in Speyer sechs deutsche Fürsten zugunsten der Glaubensfreiheit protestierten (und damit den Anhängern Luthers zum Namen Protestanten verhalfen). Die überlebensgroßen Statuen der sechs Ur-Protestanten sind im Erdgeschoss des Turms um Luther versammelt. Und der Turm überragt nicht nur den Dom, sondern ist mit 104 Metern der höchste der Pfalz. Im Inneren des neugotischen Baus mit seinem bunten Dach fällt nicht nur die Empore auf, die sich bis in das Querschiff hineinzieht, sondern auch die Glasfenster, ein Querschnitt durch die deutsche Glasmalerei um 1900. Mit ihren 97 Registern wurde die Orgel 1979 zum größten Instrument Süddeutschlands ausgebaut. Ein Fernwerk befindet sich unsichtbar hinter dem großen steinernen Altar, was im Chorrund einen fast überirdischen Klang ergibt.
Den Katholiken Speyers war das zu viel. Sie protestierten auf ihre Weise und setzten der Kirche der Protestation St. Joseph buchstäblich entgegen, leicht versetzt auf der gegenüberliegenden Straßenseite und gegenüber dem protestantischen Bau um 180 Grad gedreht. Der 1914 fertig gestellte Bau des Mainzer Dombaumeisters Ludwig Becker ist ein durchaus gelungener Stilmix aus Spätgotik und Renaissance mit barocken Elementen und würde gut zu den Schlössern Ludwig II. passen: architektonische Gegenreformation pur. Auch der Name war mit Bedacht und politischem Hintersinn gewählt, ist doch der Zimmermann Joseph der Schutzheilige der katholischen Arbeiterbewegung.
Zwei weitere sakrale Bauwerke sind noch bei einem Spaziergang durch die malerischen Gassen Speyers von Interesse: der Glockenturm der nicht mehr bestehenden Georgenkirche, der daran erinnert, dass Speyer bis zu seiner Zerstörung 68 Stadttore und Kirchtürme hatte, und die Kirche St. Ludwig mit dem gotischen Chor der ehemaligen Dominikanerkirche und dem Bossweiler Flügelalter sowie einem Wirkteppich, zwei spätgotischen Kostbarkeiten.
Rolf Müller
Der Dom selbst beeindruckt den Besucher mehr mit seiner Bedeutung als mit seinem Inneren. Die Geschichte hat es nicht gut mit dem einstmals größten Sakralbau des Abendlands gemeint: zweimal schwer zerstört, einmal fast abgebrochen, zweimal mit einem neuen Westwerk versehen und dann auch noch puristisch romanisch rückrestauriert. Selbst die Kaisergruft ist kein Werk mittelalterlicher Baumeister, sondern des preußischen Kaiserreichs. Nur die große Krypta mit ihren mächtigen Pfeilern und zweifarbigen Bögen vermittelt noch den ursprünglichen Eindruck.
Speyer hat indessen mehr interessante Kirchenbauten zu bieten als nur den vielbesuchten Dom. Einen Steinwurf entfernt vom Domnapf, dem 1500 Liter fassenden steinernen Weinkelch vor dem Dom, ist Speyers wohl schönster Sakralraum zu finden: die evangelische Dreifaltigkeitskirche. Speyer war 1689 von den Truppen des Sonnenkönigs völlig zerstört worden. Beim Wiederaufbau der Stadt wollten auch die Protestanten eine Kirche haben. Den Bürgern, die es nach Frankfurt verschlagen hatte, schwebte die dortige Katherinenkirche als Modell vor. 1717 konnte der Bau mit seiner barocken Ausstattung eingeweiht werden. Holz ist das vorherrschende Material im Inneren: eine bemalte Holzdecke, eine doppelstöckige Empore auf drei Seiten, dazu Kanzel sowie Altar und Orgel auf der Stirnseite sind original in ihrer ganzen bemalten und vergoldeten Pracht erhalten.
Auf Dauer war eine protestantische Kirche nicht genug, mit Unterstützung der protestantischen Kaiserfamilie und Spenden aus der ganzen evangelischen Welt entstand von 1890 an als Gegenpol zum Dom die neugotische "Gedächtniskirche der Protestation" zur Erinnerung an den Reichstag von 1529, als in Speyer sechs deutsche Fürsten zugunsten der Glaubensfreiheit protestierten (und damit den Anhängern Luthers zum Namen Protestanten verhalfen). Die überlebensgroßen Statuen der sechs Ur-Protestanten sind im Erdgeschoss des Turms um Luther versammelt. Und der Turm überragt nicht nur den Dom, sondern ist mit 104 Metern der höchste der Pfalz. Im Inneren des neugotischen Baus mit seinem bunten Dach fällt nicht nur die Empore auf, die sich bis in das Querschiff hineinzieht, sondern auch die Glasfenster, ein Querschnitt durch die deutsche Glasmalerei um 1900. Mit ihren 97 Registern wurde die Orgel 1979 zum größten Instrument Süddeutschlands ausgebaut. Ein Fernwerk befindet sich unsichtbar hinter dem großen steinernen Altar, was im Chorrund einen fast überirdischen Klang ergibt.
Kirchbau mit politischem Programm
Den Katholiken Speyers war das zu viel. Sie protestierten auf ihre Weise und setzten der Kirche der Protestation St. Joseph buchstäblich entgegen, leicht versetzt auf der gegenüberliegenden Straßenseite und gegenüber dem protestantischen Bau um 180 Grad gedreht. Der 1914 fertig gestellte Bau des Mainzer Dombaumeisters Ludwig Becker ist ein durchaus gelungener Stilmix aus Spätgotik und Renaissance mit barocken Elementen und würde gut zu den Schlössern Ludwig II. passen: architektonische Gegenreformation pur. Auch der Name war mit Bedacht und politischem Hintersinn gewählt, ist doch der Zimmermann Joseph der Schutzheilige der katholischen Arbeiterbewegung.
Zwei weitere sakrale Bauwerke sind noch bei einem Spaziergang durch die malerischen Gassen Speyers von Interesse: der Glockenturm der nicht mehr bestehenden Georgenkirche, der daran erinnert, dass Speyer bis zu seiner Zerstörung 68 Stadttore und Kirchtürme hatte, und die Kirche St. Ludwig mit dem gotischen Chor der ehemaligen Dominikanerkirche und dem Bossweiler Flügelalter sowie einem Wirkteppich, zwei spätgotischen Kostbarkeiten.
Rolf Müller
am
Fr, 18. November 2005