Der Flaneur parliert großzügig

Wiederbelebungsversuch für die "Die Grüne Straße" mit einem neuen und recht eigenwilligen Führer aus französischer Feder.

D ie Grüne Straße", die "Route verte", gehört nicht zu jenen Tourismusstraßen, die sich kreuz und quer von einer Burg zur Nächsten oder von einem romantischen Städtchen zum nächsten quer durchs Land schlängeln und dadurch jene, die ihrer Spur folgen wollen, zu mehrtägigen Spazierfahrten zwingen. Nein, die "Grüne Straße" ist eher so etwas wie die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten auf der Landkarte, nämlich Contrexéville und Titisee-Neustadt, und das könnte man mit einigermaßen flotter Fahrt in gut drei Stunden schaffen. Als sie 1961 von Joseph Rey, dem inzwischen für die deutsch-französische Freundschaft am Oberrhein legendären Bürgermeister von Colmar, ins Leben gerufen wurde, hatte diese Straße daher auch weniger eine touristische als eine politische Bedeutung - eine Verbindung zwischen den 16 Jahre zuvor noch im Krieg stehenden Nachbarn.

Zur Wiederbelebung der "Grünen Straße" in den Köpfen der Menschen - egal ob nun Touristen oder Einheimische - wird gewiss das Erscheinen eines Führers zu all den Attraktionen längs dieser Straße beitragen. Wobei mit "Führer" schon zu viel gesagt ist. Jacques-Louis Delpal, ein in Frankreich hochrenommierter Autor von Reisebüchern, spricht lieber von einem Notizbuch, an gefertigt während seiner Reise entlang der "Grünen Straße". Wer präzisere und prägnantere Informationen haben will, der wird ausdrücklich auf den "Michelin" verwiesen - den grünen, was die touristischen, den roten, was die gastronomischen Ziele angeht.

Delpal kümmert sich weder um Vollständigkeit noch um abschließende Bewertungen: Er ist der Flaneur, der hier goutiert, dort schneller vorbeieilt, diesem Tipp folgt, beim nächsten aber nur die besondere Adresse nennt. Mit diesem Buch in der Hand wird niemand durch Colmar oder Freiburg gehen - dazu sind Delpals Spaziergänge zu verwirrend und zu locker beschrieben. Aus deutscher Sicht könnte man dem Autor leicht Geschwätzigkeit bescheinigen, ahnte man nicht, dass hier auf eine typisch französische Weise parlierend Unterhaltung geboten wird. Delpal erzählt ein bisschen Geschichte, ein bisschen Gegenwart und verliert sich kaum in kunsthistorische oder sonstige Exkurse. Nur in Zwischenkapiteln wird zu den Hochweiden der Vogesen, zum Rhein oder zum Weinland Baden bündigere Information geboten.

Kurz, man darf diesen Führer, der zudem auch manchem Sponsor aus Gastronomie, Handwerk und Hotellerie verpflichtet ist, so ernst nicht nehmen. Causerien nannte man dies in früheren entspannteren Zeiten, Plaudereien, und weil darin viel französische Lebens- und Schreibart steckt, haben die Übersetzer Hubert Matt-Willmatt und Beate Kierey mitunter ihre liebe Not, solches adäquat ins Deutsche zu bringen - was vermutlich oft auch gar nicht möglich ist.

Weil das alles so locker und obenhin daherkommt, mag man gar nicht erst ins Kritisieren verfallen. Bloß wünschen möchte man, dass in der nächsten Auflage einige Fehler und Auslassungen revidiert werden. So ruht Breisachs Altstadt nicht auf Basalt, und die Neustädter Gutach erreicht nicht die Donau.

So beachtlich es ist, dass sich ein französischer Verlag nach der französischen an die deutsche Ausgabe gewagt hat, so sehr kämpft das Buch mit Druckfehlern - der erste schon im Titel: Wiewohl in Großbuchstaben geschrieben, bleibt das "ß" in Straße erhalten. Aber man darf das auch lesen als charmanten Ausdruck jener Jovialität, mit der Delpal auch sonst viele Gebote eines strengen Reiseführers umgeht.

Wulf Rüskamp



- Jacques-Louis Delpal, Die Grüne Straße. Eine kulinarische und kulturelle Entdeckungsreise; Verlag La Nuée Bleue Straßburg, 279 Seiten mit 300 Farbfotografien, 15 Euro
am Fr, 21. Januar 2005

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