Kunst

Die Ausstellung "Bitte berühren!" im Basler Tinguely-Museum

"Bitte berühren!" – das Tinguely Museum in Basel präsentiert haptische Kunstwerke.

"Prière de toucher"? Der Wunsch nach Berührung im Zusammenhang mit Kunst überrascht, kennt man von Ausstellungen doch die gegenteilige Bitte, dezent formuliert auf kleinen Schildchen – überflüssiger Weise, denn jeder weiß, dass man ein Bild oder eine Skulptur nicht anfassen soll. Das Berührungsverbot entrückt das Kunstwerk, verleiht dem ästhetischen die Aura eines kultischen Objekts, die Qualität des Numinosen.

Doch es gibt auch Kunst, die Berührung nicht nur zulässt, sondern geradezu darauf angelegt ist und den Betrachter so zum Befühler macht. Wo, wenn nicht im Basler Tinguely Museum konzentrierte sie sich in einer Themenschau? Die fünf menschlichen Sinne sind dort Gegenstand einer Ausstellungsreihe. Nach der Auftaktschau "Belle Haleine – Der Duft der Kunst" im vergangenen Jahr geht es in "Prière de Toucher – Der Tastsinn der Kunst" um Facetten taktiler Rezeption. Der Titel verweist auf ein Werk von Marcel Duchamp, der auf den Einband des Katalogs einer Surrealistenausstellung in Paris 1947 eine bemalte weibliche Brust aus Schaumgummi applizieren ließ, mit der frivolen Aufforderung "Bitte berühren". Die erotische Komponente der Haptik in der Moderne, für die Duchamp ein frühes und radikales Beispiel liefert, ist hier gleichsam mit Händen zu greifen.

Ältere Kunst thematisierte den Tastsinn noch in barocken Allegorien wie Peter Overadt in seiner Kupferstichfolge "Die fünf Sinne". In Caravaggios Radierung legt "Der ungläubige Thomas" zum Beweis für die Realpräsenz Christi den Finger in seine Wunde, während in Melchior Taverniers Radierung "Der Tastsinn" ein Kavalier seiner Dame an die Brust fasst. Ist die Haptik in diesen Beispielen lediglich bildliches Sujet, so avanciert sie in der Kunst der Moderne selbst zum Akteur.

Zwar wird der leise Schauer, der dem Betrachter von Man Rays Bügeleisen mit Nägeln ("Le cadeau", 1921) über den Rücken läuft, visuell ausgelöst wie die erotische Stimulation in Pipilotti Rists Videoinstallation "Pickelporno". Doch bei Yves Klein wie bei Ana Mendieta mutiert der menschliche Körper zum Werkzeug von Kunst, ja zum Kunstwerk selbst, über das das Betrachterauge streichelt. Der Niederländer Jan van Munster ermöglicht in der visuellen die körperhafte Erfahrung von Wärme. Und Valie Export ließ sich 1968 in einer Aktion von Passanten begrapschen. Wogegen der Niederländer Jeroen Eisinga sich in einer Videoarbeit in einen Jan Wagner’schen Ritter im Harnisch aus 150 000 Bienen verwandelt.

Termine: Tinguely Museum, Paul-Sacher-Anlage 1, Basel. 12. Feb. bis 16. Mai, Di bis So 11-18 Uhr
von Hans-Dieter Fronz
am Fr, 12. Februar 2016

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