Schauspiel

Die Freiburger Immoralisten zeigen Dostojewskis "Schuld und Sühne"

Die Freiburger Immoralisten wagen sich an Dostojewskis Roman "Schuld und Sühne".

Manchmal, sagt Florian Wetter, ist es nötig, einen Berg zu besteigen. Mit Fjodor Dostojewskis Roman "Schuld und Sühne" haben sich die Freiburger Immoralisten einen Achttausender vorgenommen.

Von B
Wer sich nicht künstlerischen Herausforderungen stellt, gerät in Gefahr, sein eigenes Niveau herunterzuschrauben. So jedenfalls sehen es die Mitglieder der freien Freiburger Theatergruppe, die in den fast zehn Jahren ihres Bestehen schon manches theatrale Schwergewicht auf die Bühne ihres kleinen Theaterraums gehievt haben.

Nun also: die von Dostojewski 1866 als Fortsetzungsroman veröffentlichte Geschichte des idealistisch aufbrausenden bettelarmen Studenten Raskolnikow, der sich in die Auffassung hineinsteigert, aus moralisch vertretbaren Gründen morden zu können – und seine verstiegene Idee des "erlaubten" Tötens bei einer geizigen herzlosen Pfandleiherin in die Tat umsetzt; nicht ohne einen unschuldigen Menschen, ihre geistig behinderte Schwester, mit zu erledigen.

Für Florian Wetter, der aus 800 Romanseiten einen Bühnentext für zwei Stunden Spieldauer destilliert hat, konnte es nicht um eine Adaption gehen. Sondern darum, den Roman nach intensiver Lektüre durch sich "hindurchgehen" zu lassen und mit seinem eigenen Blick auf das von Terrorakten geprägte Zeitgeschehen neu zu erfinden. Einige zentrale Zitate aus dem Text hat Wetter in seine Bühnenfassung eingebaut. Eine "verlorene Seele" ist Raskolnikow für ihn – die Dostojewski selbst nie verloren gegeben hat.

Diese verlorene Seele wird von Jochen Kruß verkörpert, der sich, wie Wetter von den Proben berichtet, radikal mit Raskolnikow identifiziert – im Gegensatz zu Regisseur Manuel Kreitmeier, der von Anfang an auf Distanz zu Dostojewskis narzisstisch-nihilistischem Helden gegangen ist. Der hockt in einem Kopf- und Seelengefängnis: Um seine klaustrophobische Situation sinnfällig zu machen, haben die Immoralisten ihr Theater in einen schwarzen Holzkasten verwandelt – mit gegenüberliegenden Tribünen und schmalen Türen an jeder Seite.

Dieser Enge zu entkommen, ist schwierig: Die Frage, ob Dostojewskis Negativheld doch noch von der bösen auf die gute Seite wechselt, indem er seine Tat bereut, lässt die Inszenierung offen. Für deren Synthesizer-Sound hat sich der Musiker Florian Wetter an Dostojewskis Zeitgenossen Liszt und dessen Klaviersonate h-Moll (dämonische Tonart!) orientiert. Im Zentrum von "Schuld und Sühne" steht für ihn die politisch höchst heikle Frage, ob man von "unwertem Leben" sprechen darf.

Termine: Freiburg, "Schuld und Sühne", Theater der Immoralisten, Premiere: Sa, 3. Dez., 20 Uhr Vorverkauf beim BZ-Karten-Service (bz-ticket.de/karten oder Tel. 0761 / 496-8888) und bei allen BZ-Geschäftsstellen.
von Bettina Schulte
am Fr, 02. Dezember 2016

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