Die Goldstadt will wieder richtig glänzen
C hopard, Fabergé, Wellendorff - eine Stadt, in der die Haute Couture des Schmucks zu Hause ist, muss eine Goldgrube sein. Die Atmosphäre zwischen der feinen Fifth Avenue in New York und dem eleganten Place Vendôme in Paris. Vorsicht, erwarten Sie nicht zu viel! Die "Goldstadt" Pforzheim hütet ihre Schätze wie die Auster ihre Perle. Von den Schmuckbetrieben in der Stadt und der Umgebung ist außer diskreten Firmenschildern nichts zu sehen. Und die Reichen - in der Hitparade der Städte mit Steuermillionären liegt Pforzheim ganz weit vorne - zeigen ihren Wohlstand nicht. Das ist echt "pforzemerisch".
Das Zentrum der deutschen Schmuckindustrie selbst ist kein Schmuckstück mehr. Der Krieg hat von Pforzheim nicht viel übrig gelassen. Bei einem Luftangriff der Royal Air Force wurden am 23. Februar 1945 fast 20 000 Menschen getötet. In der Innenstadt blieb kein Stein auf dem anderen. Doch die Pforzheimer gaben nicht auf. Sie krempelten die Ärmel hoch und bauten: Fabriken, Schulen, Wohnungen. Hastig erstellte Wohnblöcke und Betonfassaden aus der Nachkriegszeit prägen das "neue Pforzheim". "Scheußlich schön", urteilen Architekturkritiker über das "städtebauliche Chaos aus einem Guss". Mittlerweile wird sogar der ganz eigene Charme der Nierentischepoche wiederentdeckt. Pforzheim sei eine moderne Stadt, wirbt Oberbürgermeisterin Christel Augenstein um Sympathie. Auch ohne historischen Kern könne eine Stadt Zugehörigkeit und Heimatgefühl vermitteln.
Und so stellt die kleine Großstadt (117 000 Einwohner) selbstbewusst ihre Vorzüge heraus. Wer kann schon drei Flüsse (Enz, Nagold und Würm) vorweisen, einzigartige Architektur aus den fünfziger und sechziger Jahren, den Schwarzwald vor der Haustüre und eine Fachhochschule für Gestaltung, Technik und Wirtschaft, die weltweit anerkannt ist? Und natürlich die traditionsreiche Schmuckindustrie.
Markgraf Carl Friedrich von Baden legte 1767 den Grundstein für die Schmuck- und Uhrenindustrie vor Ort, indem er das "Privileg" zur Errichtung einer Uhrenfabrik und die Aufnahme der Schmuckfabrikation gab. Waisenkinder sollten dort eine Beschäftigung finden. "Nicht eine Goldgrube, sondern arbeitslose Waisen, abenteuerliche Unternehmer und ein wohlwollender Markgraf trugen dazu bei, dass Pforzheim zu einer der ersten deutschen Industriestädte wurde", schreibt Wolfgang Pieper in der "Geschichte der Pforzheimer Schmuckindustrie".
Die Manufaktur scheiterte zwar zehn Jahre später, doch die Uhrenmanufaktur wurde privat erfolgreich weitergeführt. Bald wurden 300 Mitarbeiter beschäftigt, die Absatzlage war gut. Gesellen und Meister gründeten eigene Betriebe. Pforzheim wurde zur bedeutendsten Fabrikstadt der Markgrafschaft Baden."Klein-Genf" war in ganz Europa bekannt. Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs waren 30 000 Arbeiter in 550 Betrieben beschäftigt. Heute arbeiten noch 11 000 Menschen in der Schmuck- und Uhrenindustrie in und um Pforzheim. Knapp eine Milliarde Euro Umsatz macht die deutsche Schmuckbranche im Jahr, 70 Prozent entfallen auf Pforzheim. Während die Uhrenindustrie, von der asiatischen Konkurrenz bedrängt, immer kleiner wird, kann sich die Schmuckindustrie auf dem Weltmarkt durchsetzen. 80 Prozent der von Deutschland exportierten Bijouterie kommen aus der Industriestadt an der badisch-schwäbischen Grenze.
"Wie viel Schmuckhersteller es noch gibt? Leider werden es immer weniger", klagt Victor Mayer von der gleichnamigen Pforzheimer Juwelenmanufaktur. Mayer ist weltweit als einziger Schmuckhersteller autorisiert, original Fabergé-Objekte herzustellen. Die alten Techniken der typischen Emaillier-und Goldschmiedekunst, für die legendären Ostereier gaben die russischen Zaren ein Vermögen aus, werden in der traditionsreichen Firma gepflegt. Eine Handwerkskunst der ganz besonderen Art. Am kreativen Nachwuchs fehlt es im Nordschwarzwald auch nicht. Dafür sorgt schon die Ausbildung an der Pforzheimer Goldschmiedeschule.
Den Schmuck zeigt das einmalige Museum im Reuchlinhaus, benannt nach dem Humanisten Johann Reuchlin. Schätze vom dritten Jahrtausend vor Christus bis zur Gegenwart sind dort zu sehen: Kostbarkeiten aus der Antike, der Renaissance und der Jugendstilepoche zusammen mit modernen Entwürfen. Im Technischen Museum wird dem unkundigen Besucher demonstriert, welchen Aufwand die Herstellung der Kostbarkeiten erfordert.
Und die Haute Couture in Gold? Wo sind die geschmeidigen Seidenkordeln aus Gold, die neunkarätigen Brillanten, Colliers und exklusiven Überraschungseier zu bestaunen? Die Goldstadt Pforzheim hat ihr Manko erkannt. Im Frühjahr 2005 soll in der Innenstadt die "Schmuckwelt" eröffnet werden, eine Art Erlebnispark, in der die weltbekannten Pforzheimer Manufakturen ihre Preziosen ausstellen und die Besucher Goldschmieden bei der Arbeit über die Schulter schauen können. Pforzheim will wieder glänzen.
Informationen: Pforzheim Tourist-Info,
Marktplatz 1, 75175 Pforzheim
Infos unter: [TEL] 07231/1454560,
Internet: http://www.pforzheim.de
Das Zentrum der deutschen Schmuckindustrie selbst ist kein Schmuckstück mehr. Der Krieg hat von Pforzheim nicht viel übrig gelassen. Bei einem Luftangriff der Royal Air Force wurden am 23. Februar 1945 fast 20 000 Menschen getötet. In der Innenstadt blieb kein Stein auf dem anderen. Doch die Pforzheimer gaben nicht auf. Sie krempelten die Ärmel hoch und bauten: Fabriken, Schulen, Wohnungen. Hastig erstellte Wohnblöcke und Betonfassaden aus der Nachkriegszeit prägen das "neue Pforzheim". "Scheußlich schön", urteilen Architekturkritiker über das "städtebauliche Chaos aus einem Guss". Mittlerweile wird sogar der ganz eigene Charme der Nierentischepoche wiederentdeckt. Pforzheim sei eine moderne Stadt, wirbt Oberbürgermeisterin Christel Augenstein um Sympathie. Auch ohne historischen Kern könne eine Stadt Zugehörigkeit und Heimatgefühl vermitteln.
Und so stellt die kleine Großstadt (117 000 Einwohner) selbstbewusst ihre Vorzüge heraus. Wer kann schon drei Flüsse (Enz, Nagold und Würm) vorweisen, einzigartige Architektur aus den fünfziger und sechziger Jahren, den Schwarzwald vor der Haustüre und eine Fachhochschule für Gestaltung, Technik und Wirtschaft, die weltweit anerkannt ist? Und natürlich die traditionsreiche Schmuckindustrie.
Markgraf Carl Friedrich von Baden legte 1767 den Grundstein für die Schmuck- und Uhrenindustrie vor Ort, indem er das "Privileg" zur Errichtung einer Uhrenfabrik und die Aufnahme der Schmuckfabrikation gab. Waisenkinder sollten dort eine Beschäftigung finden. "Nicht eine Goldgrube, sondern arbeitslose Waisen, abenteuerliche Unternehmer und ein wohlwollender Markgraf trugen dazu bei, dass Pforzheim zu einer der ersten deutschen Industriestädte wurde", schreibt Wolfgang Pieper in der "Geschichte der Pforzheimer Schmuckindustrie".
Die Manufaktur scheiterte zwar zehn Jahre später, doch die Uhrenmanufaktur wurde privat erfolgreich weitergeführt. Bald wurden 300 Mitarbeiter beschäftigt, die Absatzlage war gut. Gesellen und Meister gründeten eigene Betriebe. Pforzheim wurde zur bedeutendsten Fabrikstadt der Markgrafschaft Baden."Klein-Genf" war in ganz Europa bekannt. Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs waren 30 000 Arbeiter in 550 Betrieben beschäftigt. Heute arbeiten noch 11 000 Menschen in der Schmuck- und Uhrenindustrie in und um Pforzheim. Knapp eine Milliarde Euro Umsatz macht die deutsche Schmuckbranche im Jahr, 70 Prozent entfallen auf Pforzheim. Während die Uhrenindustrie, von der asiatischen Konkurrenz bedrängt, immer kleiner wird, kann sich die Schmuckindustrie auf dem Weltmarkt durchsetzen. 80 Prozent der von Deutschland exportierten Bijouterie kommen aus der Industriestadt an der badisch-schwäbischen Grenze.
"Wie viel Schmuckhersteller es noch gibt? Leider werden es immer weniger", klagt Victor Mayer von der gleichnamigen Pforzheimer Juwelenmanufaktur. Mayer ist weltweit als einziger Schmuckhersteller autorisiert, original Fabergé-Objekte herzustellen. Die alten Techniken der typischen Emaillier-und Goldschmiedekunst, für die legendären Ostereier gaben die russischen Zaren ein Vermögen aus, werden in der traditionsreichen Firma gepflegt. Eine Handwerkskunst der ganz besonderen Art. Am kreativen Nachwuchs fehlt es im Nordschwarzwald auch nicht. Dafür sorgt schon die Ausbildung an der Pforzheimer Goldschmiedeschule.
Den Schmuck zeigt das einmalige Museum im Reuchlinhaus, benannt nach dem Humanisten Johann Reuchlin. Schätze vom dritten Jahrtausend vor Christus bis zur Gegenwart sind dort zu sehen: Kostbarkeiten aus der Antike, der Renaissance und der Jugendstilepoche zusammen mit modernen Entwürfen. Im Technischen Museum wird dem unkundigen Besucher demonstriert, welchen Aufwand die Herstellung der Kostbarkeiten erfordert.
Und die Haute Couture in Gold? Wo sind die geschmeidigen Seidenkordeln aus Gold, die neunkarätigen Brillanten, Colliers und exklusiven Überraschungseier zu bestaunen? Die Goldstadt Pforzheim hat ihr Manko erkannt. Im Frühjahr 2005 soll in der Innenstadt die "Schmuckwelt" eröffnet werden, eine Art Erlebnispark, in der die weltbekannten Pforzheimer Manufakturen ihre Preziosen ausstellen und die Besucher Goldschmieden bei der Arbeit über die Schulter schauen können. Pforzheim will wieder glänzen.
Informationen: Pforzheim Tourist-Info,
Marktplatz 1, 75175 Pforzheim
Infos unter: [TEL] 07231/1454560,
Internet: http://www.pforzheim.de
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Fr, 02. April 2004