Die gute Stube Württembergs

Fachwerkwunder, Techno-Genies, Powerfrau und Spitzenwein.

D er Marktplatz von Schorndorf, umrahmt von einem staunenswert geschlossenen Fachwerkensemble, zählt zu den schönsten seiner Art in Süddeutschland. Diese so lebendige Baustruktur setzt sich in der gesamten, unter Denkmalschutz stehenden Altstadt fort.

Jeden Sonntagmorgen werden die Bürger durch Posaunenklänge von der evangelischen Stiftskirche geweckt. Deren Bau wurde 1477 begonnen. In Nachbarschaft der Stadtkirche, in der ehemaligen Lateinschule, ist das Stadtmuseum etabliert. Gottlieb Daimler, berühmtester Sohn dieser Stadt, besuchte hier die Realklasse. Unweit davon liegt in der Höllgasse sein Geburtshaus, in dem die Vita des schwäbischen Genies dargestellt wird. Am Marktplatz 4 steht das Café Weiler, eine Institution feiner Caféhauskultur. Dort wohnte die mutige Bürgermeisterin Barbara Künkelin, die im Jahre 1688 an der Spitze der "Weiber von Schorndorf" den Befehlen der Stuttgarter Regierung trotzte und die Übergabe der Stadt an den französischen Feldherrn Melac verhinderte. Dieses couragierte Weib wird zu neuem Leben erweckt, wenn die Stadtführerin Verena Siemon in ein historisches Gewand jener Zeit schlüpft und mit viel Engagement vom Mut dieser Frau berichtet.

In dieser Stadt gibt es neben den heimeligen Gassen und Plätzen viel Schönes und Rares zu entdecken, wie beispielsweise die Sammlung von Spielsachen und Puppenstuben im Gewölbekeller aus dem 17. Jahrhundert in der Gottlieb-Daimler-Straße 30 oder in der denkmalgeschützten Fabrikhalle die schwäbischen Tüftler.

Sei kurzem kommt ein gastronomisches Highlight hinzu: das Hotel-Restaurant an der Stadtmauer, unter der Leitung von Johanna und Andreas Kleber von der berühmten Kleber-Post in Saulgau. Im exquisiten modernen Ambiente diniert der Gast am Abend unterm Sternenzelt dank der modernen Glaskonstruktion. Die geradezu legendäre Gastfreundschaft des Ehepaares wird in diesen Mauern fortgesetzt.

Von Schorndorf aus lässt sich das Remstal mühelos erobern, nicht nur mit dem eigenen Wagen, sondern auch mit der S-Bahn. Während im badischen Ländle die Sterne am Gourmethimmel etwas verblassen, ja mancher Gastronom den Stern freiwillig zurückgibt, leuchten sie nicht nur intensiv über dem Hirschen in Fellbach. Armin Karrer, lange Jahre im Fernsehturm in Stuttgart tätig, hat das aus dem 15. Jahrhundert stammende Haus in ein modernes Culinarium verwandelt. Hier präsentieren sich die Starwinzer, auf Schwäbisch heißen sie Wengerter, des Remstals: die Weingüter Haidle aus Kernen-Stetten, Aldinger aus Fellbach und Ellwanger aus Winterbach. Vor 25 Jahren hat Ellwanger den österreichischen Zweigelt eingeführt, sozusagen "hälinge", wie der Schwabe formuliert, also heimlich; erst nach offizieller Genehmigung durfte er ausgebaut werden. Heute ist dies ein begehrter Rotwein, der viele Liebhaber gefunden hat.

Spätzle, Maultaschen, Rostbraten, Schupfnudeln und Kartoffelsalat gehören zum Bestand der schwäbischen Küche, die - wie ein schwäbischer Astronom, der jetzt in Baden lebt, scharfsinnig festgestellt hat - von der badischen Küche vereinnahmt wurden. Im Lamm in Remshalden wird diese ursrpünglich schwäbische Küche gepflegt. Hier erklärt die engagierte Wirtin: "Ohne g'schabte Spätzle dürfe Sie net raus." Unnötig zu sagen: Sie waren köstlich.

Seit 1906 besitzt Fellbach die Alte Kelter, ein Haus des Weines von gewaltigen Dimensionen. Es wird inzwischen als "Kathedrale aus Holz" bezeichnet. Das Gastronomen-Ehepaar Birgit und Volker Krehl hat hier ein repräsentatives Schaufenster der Remstäler Weine errichtet, während in der Halle ein weiträumiges Kunstforum geschaffen wurde.

Eben schwäbische Lebensart: Genuss für Leib und Geist. Und das gar nicht so sparsam

Ingrid Hepperle

Remstal: Infos beim Verkehrsverein Remstalroute, Am alten Bahnhof Endersbach, Bahnhofstraße 21, 71384 Weinstadt, [TEL] 07151/2765047 oder im Internet unter http://www.remstal-route.de

am Fr, 26. November 2004

Badens beste Erlebnisse