Kunst

Die Kunsthalle Tübingen zeigt in "Almost Alive" hyperrealistische figürliche Plastik

Die Kunsthalle Tübingen zeigt in "Almost Alive" hyperrealistische figürliche Plastik.

Ein Bild subtiler Verzweiflung. Der Teenager hat sein Sweatshirt übers Gesicht gezogen und lehnt mit Kopf und Armen an der Wand. Wer der jungen Frau tröstend den Arm um die Schulter legte, müsste erstarren: Der Körper ist steinhart. Die Skulptur des Franzosen Daniel Firman wirkt so echt, dass man sich tatsächlich täuschen lassen könnte.

"Almost Alive" heißt die neue Ausstellung der Kunsthalle Tübingen. Fast lebendig sind über 30 hyperrealistische Skulpturen aus gut vier Jahrzehnten. Pioniere wie Duane Hanson und George Segal schufen in den 60er Jahren Skulpturen, die mit aus dem Leben gegriffenen Figuren die Trostlosigkeit des "American Way of Life" abbildeten. In ihrer Nachfolge steht in "Back to Square One" (2015) der Däne Peter Land. Da ragt aus Umzugskartons der Kopf eines am Boden liegenden, noch einigermaßen gepflegt wirkenden Obdachlosen. In der Gestalt einer am Boden kauernden alten Frau mit trostlosem Gesichtsausdruck ("Cornered", 2011) holt Marc Sijan das Elend in den White Cube.

In den 80er Jahren machen Künstler wie die Australier Sam Jinks und Ron Mueck den menschlichen Körper zum Ausdrucksträger seelischer Ausnahmezustände und existenzieller Erfahrung. Anrührend Jinks’ "Woman and Child": eine Greisin, die mit geschlossenen Augen einen nackten Säugling an der Brust hält. Andere Richtungen thematisieren den fragmentierten oder (auch: gentechnisch) veränderten menschlichen Körper. Patrizia Piccininis "Newborn" ist ein monströser Wechselbalg mit Rübennase und unförmigem Leib. In Maurizio Cattelans surreal aus der Wand wachsenden, zum faschistischen Gruß erhobenen Männerarmen wird Kunst unmittelbar politisch.

Termine: Kunsthalle Tübingen, Philosophenweg 76. 21. Juli bis 21. Okt., Di, Mi, Fr bis So 11–18 Uhr, Do 11–19 Uhr
von Hans-Dieter Fronz
am Fr, 20. Juli 2018

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