Die Mundart lebt im Theater
S ein oder nicht sein? Strohfeuer oder Boom? Das Elsässische Dialekttheater befindet sich in einer seltsamen Lage. Etwa so: Bernard ist mit Jacqueline verheiratet, liebt aber Brigitte. Robert ist Bernards bester Freund, hat aber ein Verhältnis mit dessen Gattin Jacqueline. Bernard gibt Brigitte als Roberts Freundin aus, was Robert auf die Palme bringt. Um das Chaos zu vervollständigen, betritt noch eine weitere Brigitte das Karussell der Liebe . . . "Wer isch was?", möchte man da auf gut Alemannisch seufzen.
So heißt auch das aktuelle Stück, dass diesen Monat das Theatre Alsacien Strasbourg (TAS) im Elsässer Dialekt aufführt. Regisseur der Screwballkomödie ist der 75-jährige Marcel Spegt, es wird seine letzte Regie sein. Spegt zählt zu den legendären Gestalten der elsässischen Theaterszene. Der ehemalige Rundfunksprecher war zunächst Schauspieler auf der Dialektbühne, später wechselte er ins Regiefach und wurde deren Präsident, Ehrenpräsident und mit Ehrungen ("Die goldene Brezel") und Ehrenämtern überhäuft.
Wie geht's nun weiter mit den Dialektbühnen in Straßburg und im Elsass, wenn der Präsident abtritt? Derzeit ist die Lage schwierig. Der Dialekt verschwindet, junge Leute beherrschen ihn nur noch rudimentär und mit französischem Akzent, in Städten wie Straßburg ist das Alemannische so gut wie ausgestorben. Nur auf den Dörfern sieht's ein bisschen besser aus, und dort boomt das Dialekttheater, mit seinen rustikalen Bauernschwänken. Ist das Elsässisch überhaupt eine Sprache für ernste Themen, die Herz und Verstand gleichermaßen ansprechen? Passt es nicht besser in die Beiz mit ihren groben Schwänken? Wer will es sprechen, will es hören?
Die Theatermacher lügen sich nicht in die Tasche. "Es ist ein großes Problem, die Leute die Elsässisch reden, werden immer älter", weiß René Vogel (70), Präsident vom Theatre Alsacien Colmar. "Das geht irgendwann schief", orakelt er. Auch der jetzige TAS-Präsident Pierre Spegt, 52 Jahre alt und Sohn von Marcel Spegt, weiß um die Schwierigkeiten. Warum etwas retten, was nicht zu retten ist? Aber für Spegt junior ist das Elsässer-Deutsch immer noch eine Volkssprache, die für Ärzte genauso verständlich ist wie für die Arbeiter. "Man kann in ihr alles sagen", findet er. Und im Theater höre man auch noch das gute Elsässisch.
"Im Stadttheater sind die Leute wie befreit", beobachtet René Vogel in Colmar. "Dort reden die Leute in ihrer Muttersprache, auf der Straße nicht mehr." Zwei Welten. "Es ist mühsam", beschreibt er die Sisyphusarbeit, "aber wir machen, was wir können." Und das heißt, neue Wege zu beschreiten und auf Qualität zu setzen. "Für das Heute mögen die Dorfbühnen gut sein, aber nicht für die Zukunft", hat Pierre Spegt erkannt. Dieser Gedanke findet in der Arbeit der sieben großen Dialektbühnen - in Mulhouse, Colmar, Guebwiller, Straßburg, Schiltigheim, Saverne, Haguenau - seinen Niederschlag. Colmar und Guebwiller fördern ihren Nachwuchs in der "Kenderstub". Die Straßburger verlassen die kleine nostalgische Welt des Elsass und spielen ernste Stücke wie "Himmel ohne Sterne", welches die Kriegszeit behandelt, und adaptieren neue Stücke. Hinter dem "Weschbelnescht" (Wespennest) verbirgt sich "Acht Frauen", bekannt durch die Verfilmung von François Ozon. "Très amusant", meinte die Kritik über den Film. Und das Theaterstück? Zumindest wird Neugierde geweckt. Vielleicht bleibt so die "Volikssproch" lebendig?
Philipp Menzen
Die Komödie von Marc Camoletti "Wer isch was?" ist am Sonntag, 16. Januar, 14 Uhr und 18.30 Uhr, im Theatre Alsacien in der Opéra, Place de Broglie 19, in Straßburg zu sehen. Info und Tickets unter [TEL] 0033/388754823 (14 bis 18 Uhr). Das Theatre Alsacien Colmar führt am 5. März "En Fier un Flamm" am Seepark (Freiburg) auf. Weitere Spielpläne sind im Internet zu finden unter http://www.federation-theatres-alsaciens.com www.theatre-alsacien-strasbourg.fr, http://www.theatre-alsacien-colmar.asso.fr
So heißt auch das aktuelle Stück, dass diesen Monat das Theatre Alsacien Strasbourg (TAS) im Elsässer Dialekt aufführt. Regisseur der Screwballkomödie ist der 75-jährige Marcel Spegt, es wird seine letzte Regie sein. Spegt zählt zu den legendären Gestalten der elsässischen Theaterszene. Der ehemalige Rundfunksprecher war zunächst Schauspieler auf der Dialektbühne, später wechselte er ins Regiefach und wurde deren Präsident, Ehrenpräsident und mit Ehrungen ("Die goldene Brezel") und Ehrenämtern überhäuft.
Wie geht's nun weiter mit den Dialektbühnen in Straßburg und im Elsass, wenn der Präsident abtritt? Derzeit ist die Lage schwierig. Der Dialekt verschwindet, junge Leute beherrschen ihn nur noch rudimentär und mit französischem Akzent, in Städten wie Straßburg ist das Alemannische so gut wie ausgestorben. Nur auf den Dörfern sieht's ein bisschen besser aus, und dort boomt das Dialekttheater, mit seinen rustikalen Bauernschwänken. Ist das Elsässisch überhaupt eine Sprache für ernste Themen, die Herz und Verstand gleichermaßen ansprechen? Passt es nicht besser in die Beiz mit ihren groben Schwänken? Wer will es sprechen, will es hören?
Die Theatermacher lügen sich nicht in die Tasche. "Es ist ein großes Problem, die Leute die Elsässisch reden, werden immer älter", weiß René Vogel (70), Präsident vom Theatre Alsacien Colmar. "Das geht irgendwann schief", orakelt er. Auch der jetzige TAS-Präsident Pierre Spegt, 52 Jahre alt und Sohn von Marcel Spegt, weiß um die Schwierigkeiten. Warum etwas retten, was nicht zu retten ist? Aber für Spegt junior ist das Elsässer-Deutsch immer noch eine Volkssprache, die für Ärzte genauso verständlich ist wie für die Arbeiter. "Man kann in ihr alles sagen", findet er. Und im Theater höre man auch noch das gute Elsässisch.
Noch sieben große Dialektbühnen
"Im Stadttheater sind die Leute wie befreit", beobachtet René Vogel in Colmar. "Dort reden die Leute in ihrer Muttersprache, auf der Straße nicht mehr." Zwei Welten. "Es ist mühsam", beschreibt er die Sisyphusarbeit, "aber wir machen, was wir können." Und das heißt, neue Wege zu beschreiten und auf Qualität zu setzen. "Für das Heute mögen die Dorfbühnen gut sein, aber nicht für die Zukunft", hat Pierre Spegt erkannt. Dieser Gedanke findet in der Arbeit der sieben großen Dialektbühnen - in Mulhouse, Colmar, Guebwiller, Straßburg, Schiltigheim, Saverne, Haguenau - seinen Niederschlag. Colmar und Guebwiller fördern ihren Nachwuchs in der "Kenderstub". Die Straßburger verlassen die kleine nostalgische Welt des Elsass und spielen ernste Stücke wie "Himmel ohne Sterne", welches die Kriegszeit behandelt, und adaptieren neue Stücke. Hinter dem "Weschbelnescht" (Wespennest) verbirgt sich "Acht Frauen", bekannt durch die Verfilmung von François Ozon. "Très amusant", meinte die Kritik über den Film. Und das Theaterstück? Zumindest wird Neugierde geweckt. Vielleicht bleibt so die "Volikssproch" lebendig?
Philipp Menzen
THEATRE ALSACIEN STRASBOURG
Die Komödie von Marc Camoletti "Wer isch was?" ist am Sonntag, 16. Januar, 14 Uhr und 18.30 Uhr, im Theatre Alsacien in der Opéra, Place de Broglie 19, in Straßburg zu sehen. Info und Tickets unter [TEL] 0033/388754823 (14 bis 18 Uhr). Das Theatre Alsacien Colmar führt am 5. März "En Fier un Flamm" am Seepark (Freiburg) auf. Weitere Spielpläne sind im Internet zu finden unter http://www.federation-theatres-alsaciens.com www.theatre-alsacien-strasbourg.fr, http://www.theatre-alsacien-colmar.asso.fr
am
Fr, 14. Januar 2005