Kinointerview

Die Schauspielerin Toni Collette über ihren neuen Film „Hereditary – Das Vermächtnis“

TICKET-INTERVIEW: Die Schauspielerin Toni Collette über ihren neuen Film "Hereditary – Das Vermächtnis".

Die Komödie "Muriels Hochzeit" brachte ihr 1994 den Durchbruch. Seitdem hat sich Toni Collette (45) wacker im Filmgeschäft gehalten. Die Australierin feierte weitere Welterfolge mit "The Sixth Sense" (1999), "Little Miss Sunshine" (2006) oder "Ganz weit hinten" (2013). Als besorgte Mutter überzeugt sie nun in "Hereditary – Das Vermächtnis" – ein Gruselschocker. Markus Tschiedert traf Toni Colette in London.

Ticket: Sie haben schon in etlichen Horrorfilmen wie "The Sixth Sense", "Fright Night" oder "Krampus" mitgewirkt. Haben Sie eine besondere Leidenschaft für dieses Genre?
Collette: Nein, ganz und gar nicht. Ich habe ungefähr 68 Filme gedreht, darunter befinden sich gerade mal vier Horrorfilme. Es ist also nicht so, dass ich danach suche, und ich kann sie mir auch gar nicht anschauen. Wie auch immer, "Hereditary" ist noch nicht mal ein typischer Horrorfilm. Ich glaube, das war auch einer der Gründe, was mir daran gefallen hat.
Ticket: Was ist anders?
Collette: Es hieß ja schon im Vorfeld, dass es ein Horrorstoff ist. Weshalb ich anfangs noch nicht mal das Drehbuch lesen wollte. Ich hatte keine Lust darauf, mir Angst machen zu lassen. Dann tat ich es doch, und was mir an der Geschichte gefiel, war dieser ehrliche und schmerzvolle Blick auf eine Familie, die durch intensive Umstände auseinanderbricht. Das fühlte sich für mich eher wie ein klassisches Familiendrama an.
Ticket: Hatten Sie schon mal ein parapsychologisches Erlebnis oder würden Sie bei einer Séance gern mal dabei sein?
Collette: Das würde ich nicht tun, weil ich wirklich daran glaube, dass die physikalische Welt, in der wir leben, nicht alles ist. In mir gibt es kein Verlangen, mit dem Unbekannten herumzuspielen. Ich habe mich noch nicht mal als Vorbereitung auf diesen Film damit beschäftigt. Ich kann mich aber noch erinnern, dass manche Schüler auf meiner Highschool neugierig waren, das mal aus Spaß auszuprobieren. Ich dachte schon damals, das könnte gefährlich sein.
Ticket: Das klingt, als würden Sie an das Übernatürliche glauben...
Collette: Ich würde mich als spirituellen Menschen bezeichnen, aber auf die eine oder andere Weise sind wir das doch alle. Aber ich glaube definitiv daran, dass es mehr gibt, als wir sehen. Wir wissen nur absolut gar nichts darüber. Aber was ich nicht bin, ist abergläubisch.
Ticket: Schauen Sie sich wirklich nicht Ihre eigenen Filme an, wenn sie gruselig sind?
Collette: Ich will einfach nicht diese Bilder in meinem Kopf haben, es gibt genug, vor dem man sich im wirklichen Leben Sorgen machen kann. Wenn ich nachts nicht einschlafen kann, liegt es immer daran, dass Bilder aus solchen Filmen in meinem Gehirn auftauchen, und dann bin ich hoffnungslos verloren.
Ticket: Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Horrorfilm, den Sie überstehen mussten?
Collette: Natürlich war ich als Teenager auch auf Pyjamapartys, wo die anderen unbedingt wollten, dass man sich gemeinsam Filme wie "Nightmare On Elm Street" ansieht. Ich hatte daran überhaupt kein Interesse und schlug immer vor, sich lieber eine Komödie von John Hughes wie "Ferris macht blau" oder "Ein Ticket für zwei" anzusehen.
Ticket: Nun sind Sie seit 25 Jahren erfolgreich im Filmgeschäft tätig. Wann haben Sie ernsthaft darüber nachgedacht, dass Schauspielerin der richtige Beruf für Sie sein könnte?
Collette: Ich habe schon als Dreijährige gern getanzt und sah auch gern Filme im Fernsehen an. Aber dass die Schauspielerei etwas für mich sein könnte, wurde mir erst auf der Highschool klar. Da muss ich so 14 gewesen sein, als für eine Musicalaufführung an der Schule noch Leute gesucht wurden. Was soll ich sagen, ich hab’s von Anfang an geliebt und fühlte mich dabei so lebendig. Es war wie ein Kuss des Erwachens. Mein Lehrer schlug vor, dass ich für andere Musicals vorsprechen sollte. So kam eines nach dem anderen. Zum Glück war ich gut in der Schule, sodass meine Eltern irgendwann aufhörten, sich Sorgen zu machen.
Ticket: Dann kam der Überraschungserfolg "Muriels Hochzeit".
Collette: 25 Jahre ist das her. Ich war damals 20 und im Lauf all dieser Jahre ist mir aufgefallen, dass mich die meisten Leute immer noch mit dieser Rolle in Verbindung bringen, obwohl ich inzwischen so viel anderes gemacht habe. Das ist unglaublich, aber letztlich auch toll, weil sie damit so viel Positives verbinden.
Ticket: Vor der Kamera könnten Sie wahrscheinlich alles spielen. Aber gibt es etwas, was Sie trotzdem niemals tun würden?
Collette: Vormals hätte ich wahrscheinlich gesagt zu masturbieren, wenn ich es jetzt nicht getan hätte für eine Serie mit dem Titel "Wanderlust", die ab Herbst ausgestrahlt werden soll (lacht). Ich denke, wenn es eine Story ist, die ich mag und die das erfordert, würde ich wahrscheinlich nicht Nein sagen. Das sind schon eher die Ängste, denen ich mich gern stelle. Denn das ist eine gute Sache.
von tsc
am Fr, 15. Juni 2018

Info

HEREDITARY – DAS VERMÄCHTNIS

Regie: Ari Aster
Mit Toni Collette, Gabriel Byrne, Alex Wolff, Milly Shapiro, Ann Dowd u. a.
128 Minuten, frei ab 16 Jahren

Die Story
Als die Mutter von Annie Graham (Toni Collette) stirbt, geschehen merkwürdige Dinge. Das bekommen auch ihr Mann Steve (Gabriel Byrne) und die beiden gemeinsamen Kinder zu spüren. Die Verstorbene weilt anscheinend immer noch unter ihnen und führt die Familie zu einem düsteren Geheimnis ihrer Ahnen...  

Autor: bz

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