"Die Stadt hat dazugewonnen"

TICKET-INTERVIEW: Der Schauspieler Sebastian Koch über seine Rolle in "Bridge of Spies" und Berlin.

Sebastian Koch (53) wurde in Karlsruhe geboren, wuchs in Stuttgart auf und lebt in Berlin. Sein Gesicht hat sich eingeprägt, egal, ob er den widerlichen Gegenspieler von Bruce Willis in "Stirb langsam 5" spielt oder den besorgten Arzt von Eddie Redmayne in "The Danish Girl". Nun holte ihn Steven Spielberg vor die Kamera. Im Nachkriegsdrama "Bridge of Spies" erlebt man Koch neben Tom Hanks als den einstigen DDR-Anwalt Wolfgang Vogel, der im Kalten Krieg am Agentenaustausch beteiligt war. Markus Tschiedert sprach mit Sebastian Koch über seine Rolle.


Ticket: Wie kommt man zu einer Rolle in einem Steven-Spielberg-Film?
Koch: Als die Anfrage kam, stand ich gerade für den französischen Film "Au nom de ma fille" in Südfrankreich und Marokko vor der Kamera. Es gab noch nicht mal ein Casting, sondern direkt ein Angebot, das hat mich schon ziemlich beeindruckt. Es war etwas kompliziert, die beiden Filme unter einen Hut zu kriegen. Aber die Franzosen haben es mir möglich machen können. Sehr nett, denn das ist eigentlich wirklich unüblich.
Ticket: Wie haben Sie Steven Spielberg dann am Set erlebt?
Koch: Spielberg hat etwas in sich Ruhendes und fühlt sich verantwortlich für seine Crew. Er hat eigentlich nur souveräne Leute um sich herum, die er sich vorher zusammengesucht hat. Souverän in dem Sinne, dass sie eine eigene Meinung haben und ihn dabei kreativ unterstützen. Spielberg ist für alles offen, weil in seinem Fokus steht, den Film so gut wie möglich zu machen.
Ticket: Wurden Sie sofort ins Team aufgenommen?
Koch: Man könnte ja bei einem eingespielten Team meinen, gegen eine Wand laufen zu müssen. Aber das Gegenteil war der Fall. Ich wurde sehr herzlich und gewollt aufgenommen, was mir die Möglichkeit gab, mich relativ rasch zu öffnen. Dass der große Spielberg mich nach meiner Meinung fragt, gefällt mir natürlich.
Ticket: Inwieweit mussten Sie für Ihre Rolle des DDR-Anwalts Wolfgang Vogel Ihre Geschichtskenntnisse über die deutsche Nachkriegszeit auffrischen?
Koch: Ich weiß relativ viel über diese Zeit, Wolfgang Vogel war mir schon ein Begriff, aber ich habe mich dann nochmals speziell mit ihm beschäftigt. Er war eine sehr entscheidende Figur beim Freikauf und Austausch Inhaftierter in der DDR. Er hat dafür gesorgt, dass Ausreisewillige in den Westen gehen durften, was gleichzeitig ein lukratives Devisengeschäft für den Osten war. Er war extrem geschickt und vor allem zuverlässig. Diese Zuverlässigkeit wurde von beiden Regimen sehr geschätzt.
Ticket: Sie sind in Baden-Württemberg aufgewachsen. Wie viel haben Sie damals von der Ost-West-Situation in Berlin mitbekommen?
Koch: Nichts! Jeder andere schien im Osten eine Tante oder einen Onkel zu haben – nur ich nicht. Somit hatte ich mit dem Osten gar keine Berührung, er war von Stuttgart auch zu weit weg, und es interessierte uns nicht. Erst durch die Ostpolitik von Brandt und Bahr, die über Diplomatie eine Annäherung mit der DDR suchten, änderte sich das.
Ticket: Erinnern Sie sich, als Sie erstmals das geteilte Berlin besuchten?
Koch: Das muss eine Klassenfahrt gewesen sein, und ich weiß noch, wie ich von dem irren Nachtleben in West-Berlin beeindruckt war. Mit 19 kam ich wieder zu einer Schauspielprüfung an der Hochschule der Künste. Ich wollte an diese Schule und kam in die Endauswahl. Jahre später habe ich erfahren, dass ich der 13. war, aber nur die ersten zwölf Bewerber genommen wurden. So landete ich in München.
Ticket: Fühlen Sie sich in Berlin immer noch wohl?
Koch: Mehr denn je! Die Stadt hat dazugewonnen, vor allem an Toleranz. Nun kommt das Thema mit den Flüchtlingen noch massiver auf uns zu. Es ist ein deutsches Thema, Menschen zu tolerieren, die anders funktionieren. Das fällt uns noch ein bisschen schwer, aber da müssen wir jetzt ran, und ich sehe da eine große Chance. Wir sollten uns aus unseren bequemen öffentlich-rechtlichen Sesseln erheben.






von tsc
am Fr, 27. November 2015

Info

BRIDGE OF SPIES

Regie: Steven Spielberg. Mit Tom Hanks, Sebastian Koch, Mark Rylance, Amy Ryan, Alan Alda u. a.
142 Minuten, frei ab 12 Jahren

Die Story
Am 1. Mai 1960 wird ein amerikanisches Aufklärungsflugzeug über der UdSSR abgeschossen. Der überlebende Pilot wird wegen Spionage verurteilt und inhaftiert. Der CIA beauftragt Anwalt James B. Donovan, in Berlin mit den Sowjets über eine Freilassung zu verhandeln.

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Autor: bz

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