Die Utopie des Miteinanders
Es ist ein Erfolgskonzept, das seit 28 Jahren funktioniert: Musiker aus allen Weltgegenden treffen für sechs Wochen aufeinander und pflegen die Utopie des Miteinanders in einer politisch und religiös zersplitterten Welt. Für diese globalen Kulturvermittlungen ist Rüdiger Oppermann, Initiator des Klangwelten-Festivals, im Herbst mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden. Dabei stellt er gewissermaßen ein Relikt dar in der digitalen Ära: Wo heute jeder mit jedem flüchtig via Internet musizieren kann, geht Oppermann noch ganz nach alter Manier auf Forschungsreise, spürt Kulturen abseits der Hypes des Weltmusikmarkts auf, lebt mit den dortigen Musikern, taucht hinein in ihre Denk- und Tonsysteme.
So geschehen vor drei Jahren, als er in Rajasthan, im äußersten Nordwesten Indiens, auf Klangspurensuche ging. Und dort auf Musiker der Maganyar-Kaste stieß, die einst am Hofe der Maharadschas beschäftigt waren. Die drei Rajasthanis sind ohne Zweifel die Stars der diesjährigen Festivalausgabe, die am Mittwoch in der Offenburger Reithalle gastiere: Sie bekehrten sich vor 300 Jahren zum Islam, ihre ekstatischen Gesänge werden jedoch von einer spirituellen Flamme genährt, die allen Religionen übergeordnet ist. Der 70-jährige Hakam Khan, den Publikumszuspruch sichtlich genießend, mutet mit seinem leuchtenden Turban und seinem feinen Schnurrbart fast wie eine mythische Figur an. Er hat – auf Betreiben Oppermanns – das heute überall gebräuchliche Harmonium zu Hause gelassen und unterstützt seine schweifenden Gesangslinien durch die ältere Streichlaute Kemenche aus Maulbeerbaumholz und Ziegenhaut mit ihrem betörenden Obertonspektrum.
Faqir Khan ist der zentrale Vokalist: Seine beseelten Verse steigen in zitternden Mikrointervallen in die oberen Register, verdichten sich zu einer Art majestätischem Gurgeln, vereinigen sich mit Hakam Khans Stimme zur Suche nach dem Höchsten. Gestützt wird das durch die galoppierende, treibende Rhythmik auf der Dholak von Gafoor Khan und die Kastagnetten, die Faqir Khan mit einem Tanz im Schneidersitz gestenreich schwingt. Dabei mischt sich in diese Musik auch höchst Irdisches: Eine Geliebte von Krishna wird genauso besungen wie die Geheimnisse im Mangogarten.
Von jeher hat Oppermann als Harfenist ein besonderes Interesse an afrikanischen Klangkulturen. Der Kontinent beherbergt die ältesten Instrumente der Gattung, und mit Albert Bisaso Ssempeke präsentiert sich ein junger Vertreter aus dem Klan der Buganda-Hofmusiker, der mit der Urharfe Ennanga einen Vorläufer der Pharaonentempelharfe mitgebracht hat. Der schnarrende Sound, diametral zum europäischen Schönklang der Harfe, Ssemepekes kraftvolle, klare Stimme und seine stolze, dennoch leutselige Ausstrahlung ziehen einen in den Bann. Erst recht, als er mit Oppermann und dem indischen Tablameister Jatinder Thakur, wie immer souveräner und virtuoser Beatgeber, eine trikontinentale Verzahnung der Rhythmen am Xylophon Amadinda austestet.
Mit dem jamaikanisch-amerikanischen Gast Diana Rosa hat Oppermann keinen solchen Glücksgriff getan: Die Stimmenkünstlerin sprudelt in ihren Vokalexperimenten zwar voller Ideen, fügt sich aber mit ihren "Multiple Voices"-Spielereien nicht recht in das Gefüge ein, in ihrem "Song To The Sea" werden die Nordinder zu Statisten. Erst das finale afrikanische Stück tastet sich an die Utopie eines gleichberechtigten Ensemblespiels heran. Die Überraschung des Abends enthüllt Oppermann selbst: Im Sommer werde er den "Rheingold"-Stoff in neuer Manier vertonen: mit Nibelungenversen, rockiger Leier und mongolischem Gesang. Auch in der Tiefe heimatlicher Geschichte lauern noch ungeahnte Klangwelten.
– Klangwelten heute, 19.12., 20 Uhr,
E-Werk, Freiburg von Stefan Franzen
So geschehen vor drei Jahren, als er in Rajasthan, im äußersten Nordwesten Indiens, auf Klangspurensuche ging. Und dort auf Musiker der Maganyar-Kaste stieß, die einst am Hofe der Maharadschas beschäftigt waren. Die drei Rajasthanis sind ohne Zweifel die Stars der diesjährigen Festivalausgabe, die am Mittwoch in der Offenburger Reithalle gastiere: Sie bekehrten sich vor 300 Jahren zum Islam, ihre ekstatischen Gesänge werden jedoch von einer spirituellen Flamme genährt, die allen Religionen übergeordnet ist. Der 70-jährige Hakam Khan, den Publikumszuspruch sichtlich genießend, mutet mit seinem leuchtenden Turban und seinem feinen Schnurrbart fast wie eine mythische Figur an. Er hat – auf Betreiben Oppermanns – das heute überall gebräuchliche Harmonium zu Hause gelassen und unterstützt seine schweifenden Gesangslinien durch die ältere Streichlaute Kemenche aus Maulbeerbaumholz und Ziegenhaut mit ihrem betörenden Obertonspektrum.
Faqir Khan ist der zentrale Vokalist: Seine beseelten Verse steigen in zitternden Mikrointervallen in die oberen Register, verdichten sich zu einer Art majestätischem Gurgeln, vereinigen sich mit Hakam Khans Stimme zur Suche nach dem Höchsten. Gestützt wird das durch die galoppierende, treibende Rhythmik auf der Dholak von Gafoor Khan und die Kastagnetten, die Faqir Khan mit einem Tanz im Schneidersitz gestenreich schwingt. Dabei mischt sich in diese Musik auch höchst Irdisches: Eine Geliebte von Krishna wird genauso besungen wie die Geheimnisse im Mangogarten.
Von jeher hat Oppermann als Harfenist ein besonderes Interesse an afrikanischen Klangkulturen. Der Kontinent beherbergt die ältesten Instrumente der Gattung, und mit Albert Bisaso Ssempeke präsentiert sich ein junger Vertreter aus dem Klan der Buganda-Hofmusiker, der mit der Urharfe Ennanga einen Vorläufer der Pharaonentempelharfe mitgebracht hat. Der schnarrende Sound, diametral zum europäischen Schönklang der Harfe, Ssemepekes kraftvolle, klare Stimme und seine stolze, dennoch leutselige Ausstrahlung ziehen einen in den Bann. Erst recht, als er mit Oppermann und dem indischen Tablameister Jatinder Thakur, wie immer souveräner und virtuoser Beatgeber, eine trikontinentale Verzahnung der Rhythmen am Xylophon Amadinda austestet.
Mit dem jamaikanisch-amerikanischen Gast Diana Rosa hat Oppermann keinen solchen Glücksgriff getan: Die Stimmenkünstlerin sprudelt in ihren Vokalexperimenten zwar voller Ideen, fügt sich aber mit ihren "Multiple Voices"-Spielereien nicht recht in das Gefüge ein, in ihrem "Song To The Sea" werden die Nordinder zu Statisten. Erst das finale afrikanische Stück tastet sich an die Utopie eines gleichberechtigten Ensemblespiels heran. Die Überraschung des Abends enthüllt Oppermann selbst: Im Sommer werde er den "Rheingold"-Stoff in neuer Manier vertonen: mit Nibelungenversen, rockiger Leier und mongolischem Gesang. Auch in der Tiefe heimatlicher Geschichte lauern noch ungeahnte Klangwelten.
– Klangwelten heute, 19.12., 20 Uhr,
E-Werk, Freiburg von Stefan Franzen
am
Fr, 19. Dezember 2014