Ein Gefühl wie neugeboren

Bei einer Ayurveda-Therapie ist Denken nicht mehr gefragt.

E in warmer Ölstrahl ergießt sich gleichmäßig auf Stirn, Kopf und Haare. Man liegt auf dem Rücken unter einem Messingtopf. Anfangs will man noch die Augen öffnen, um zu sehen, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Doch irgendwann spielen die Gesichtsmuskeln nicht mehr mit. Unter dem sanft massierenden Strahl geht auch das Denken verloren. Stattdessen breitet sich eine große Leichtigkeit aus, die über den Nacken zu den Schultern wandert und am Rücken entlang die Beine hinab kriecht bis in die Zehen.

Um authentisches Ayurveda zu finden, fuhren bisher einige eigens nach Indien. Das war, bevor Verghese Franklin nach Bad Krozingen kam. Der anerkannte Ayurveda-Arzt aus Kerala in Südindien präsentiert zur Zeit seine Kunst in der Vita Classica. Die Idee dazu hatte Rolf Rubsamen, Chef der Krozinger Kur- und Bäder GmbH. Seit der Eröffnung des ersten japanischen Bades in Deutschland 2001 hat sich zudem Rubsamens These bewahrheitet: "Man muss so authentisch sein wie möglich. Das ist es, was die Leute suchen." Die Götter selbst, so heißt es, offenbarten den indischen Weisen vor 3000 Jahren die Lehre. Auch Verghese Franklin bekundet für seine Familie eine 400-jährige Ayurveda-Tradition. In Kerala betreibt er ein Forschungszentrum mit angegliedertem Resort. Dort versteht man Ayurveda nicht als Wellness, sondern als vorbeugende Medizin. Die Behandlung, gepaart mit Yoga und der entsprechenden Ernährung, stärke die Widerstandskraft des Körpers gegen den täglichen Stress, weiß der Meister. Durch die Massagen werde die Blutzirkulation erhöht, der Körper besser durchblutet. Man fühle sich vitaler, voller Energie und - jünger. Etwas Zeit muss man mitbringen. "Es wäre total verkehrt, nur schnell hier rein- und danach wieder rauszuhetzen", sagt auch Rolf Rubsamen.

Zu Beginn der großen Rejuvenation-Massage sitzt man auf einem Hocker. Während Kopf, Arme und Hals mit einer Kräuter-Öl-Mischung eingerieben werden, entspannen sich die Nackenmuskeln. Später liegt man rücklings auf einer Matte am Boden, alle Viere von sich gestreckt. "High or low pressure?", fragt eine Stimme noch. Dann ist endgültig Schluss mit der Entscheidungsfreiheit. Als die fremden Füße mit großem Druck über den Körper gleiten, wird einem klar: Auch das ist Ayurveda - das totale Ausgeliefertsein. Aber vor allem ist es ein großes Loslassen und Zu-sich-Kommen. Alle Grübeleien, die man bis hierher noch mitgeschleppt hat, werden zerrieben in Unmengen von Kokosöl. Auf der Massageliege wird der Körper noch einmal von Kopf bis Fuß getränkt. Dieses Mal massieren vier Hände synchron. Das geht tief in die Muskulatur. Dabei scheint der Körper Stoffe auszuschütten, die alle Aktivitäten lähmen. Eine ungekannte Ruhe stellt sich ein. Während die Frauen immer wieder neues Öl nachgießen, flüstern sie so leise, als müssten sie Rücksicht nehmen auf eine, die in anderen Sphären schwebt. Ein Jammer nur, dass die Rückkehr in die Realität so unvermeidlich folgt: "Sorry. Finished", flüstert die Masseurin. Weichgeknetet wie man nun ist, fließt man förmlich von der Matte.

"Na, wie fühlen Sie sich", fragt die Dame an der Rezeption. "Wie neugeboren?" Tatsächlich ja.

Maikka Kost

Ayurveda-Massage: Bad Krozingen,

Vita-Classica-Bad, bis 14. August, Infos

unter [TEL] 07633/4008-60 oder im Internet unter http://www.vita-classica.de



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am Fr, 23. Juli 2004

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